der Eremitage, wo die Zuschauer aus den er- sten Klassen namentlich ernannt werden.
Die musikalischen Belustigungen der Residenz sind weniger zur Gattung der öf- fentlichen als der Privatvergnügungen zu rech- nen. In einer Stadt, wo der sinnliche Ge- nuß so viele Verehrer und Beförderer hat und wo fast jeder Kunst ein prächtiger Tempel ge- widmet ist, scheint es befremdend, nicht einmal eine kleine Kapelle für die süßeste und bezau- berndste aller Künste zu finden. Die Kon- zerte, die im musikalischen Klubb gegeben wer- den, sind nur den Gliedern dieser Gesellschaft zugänglich, und wenn sich zuweilen reisende Virtuosen hören lassen, so ist dies nur ein Privatunternehmen. Wer indessen aus diesem Umstande die Folge ziehen wollte, daß hier keine Liebhaberey für Musik herrschen müsse, der würde sehr irren. Es giebt in den höch- sten wie in den mittlern Ständen Dilettanten aller Art, selbst solche, die hin und wieder für Virtuosen gelten können, und diesen fehlt es auch nicht an Gelegenheit, ihren Geschmack zu befriedigen. In mehreren großen Häusern werden wöchentlich Konzerte gegeben, zu wel-
der Eremitage, wo die Zuſchauer aus den er- ſten Klaſſen namentlich ernannt werden.
Die muſikaliſchen Beluſtigungen der Reſidenz ſind weniger zur Gattung der oͤf- fentlichen als der Privatvergnuͤgungen zu rech- nen. In einer Stadt, wo der ſinnliche Ge- nuß ſo viele Verehrer und Befoͤrderer hat und wo faſt jeder Kunſt ein praͤchtiger Tempel ge- widmet iſt, ſcheint es befremdend, nicht einmal eine kleine Kapelle fuͤr die ſuͤßeſte und bezau- berndſte aller Kuͤnſte zu finden. Die Kon- zerte, die im muſikaliſchen Klubb gegeben wer- den, ſind nur den Gliedern dieſer Geſellſchaft zugaͤnglich, und wenn ſich zuweilen reiſende Virtuoſen hoͤren laſſen, ſo iſt dies nur ein Privatunternehmen. Wer indeſſen aus dieſem Umſtande die Folge ziehen wollte, daß hier keine Liebhaberey fuͤr Muſik herrſchen muͤſſe, der wuͤrde ſehr irren. Es giebt in den hoͤch- ſten wie in den mittlern Staͤnden Dilettanten aller Art, ſelbſt ſolche, die hin und wieder fuͤr Virtuoſen gelten koͤnnen, und dieſen fehlt es auch nicht an Gelegenheit, ihren Geſchmack zu befriedigen. In mehreren großen Haͤuſern werden woͤchentlich Konzerte gegeben, zu wel-
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der Eremitage, wo die Zuſchauer aus den er-
ſten Klaſſen namentlich ernannt werden.
Die muſikaliſchen Beluſtigungen
der Reſidenz ſind weniger zur Gattung der oͤf-
fentlichen als der Privatvergnuͤgungen zu rech-
nen. In einer Stadt, wo der ſinnliche Ge-
nuß ſo viele Verehrer und Befoͤrderer hat und
wo faſt jeder Kunſt ein praͤchtiger Tempel ge-
widmet iſt, ſcheint es befremdend, nicht einmal
eine kleine Kapelle fuͤr die ſuͤßeſte und bezau-
berndſte aller Kuͤnſte zu finden. Die Kon-
zerte, die im muſikaliſchen Klubb gegeben wer-
den, ſind nur den Gliedern dieſer Geſellſchaft
zugaͤnglich, und wenn ſich zuweilen reiſende
Virtuoſen hoͤren laſſen, ſo iſt dies nur ein
Privatunternehmen. Wer indeſſen aus dieſem
Umſtande die Folge ziehen wollte, daß hier
keine Liebhaberey fuͤr Muſik herrſchen muͤſſe,
der wuͤrde ſehr irren. Es giebt in den hoͤch-
ſten wie in den mittlern Staͤnden Dilettanten
aller Art, ſelbſt ſolche, die hin und wieder fuͤr
Virtuoſen gelten koͤnnen, und dieſen fehlt es
auch nicht an Gelegenheit, ihren Geſchmack zu
befriedigen. In mehreren großen Haͤuſern
werden woͤchentlich Konzerte gegeben, zu wel-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/356>, abgerufen am 23.11.2024.
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