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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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die Regeln der kritischen Dichtkunst zu den-
ken. Die komische Oper ist sehr gut besetzt,
und nirgend scheinen die Schauspieler mehr
con amore zu spielen. Das Talent, das an-
genehme Organ und die anziehende Figur der
Madame Sandunow machen sie zur Köni-
ginn dieser Bühne. Der Italiener Martini,
der seinen Namen durch die Opern cosa rara und
arbore di Diana hinlänglich bekannt gemacht
hat, ist der Komponist für dieses Theater. Er
hat das schwere Problem, die russische Natio-
nalmusik zu veredeln, zur Befriedigung der
Kenner gelöst. Seine Manier ist so geschmei-
dig, daß sie sich den Volksgesängen anpaßt,
ohne daß diese ihre Eigenthümlichkeit und jene
ihren Adel und ihre Feinheit verlieren.

Das prächtigste Schauspiel der Residenz
ist jetzt die russische Oper. Von der Kon-
kurrenz des freygebigsten Aufwands und der
größten Talente läßt sich ohnehin nichts gemei-
nes erwarten; aber wo die Theilnahme des
Souverains so unmittelbar auf die Kunst wirkt,
als hier, da hört der gewöhnliche Maaßstab
auf. Ein öffentliches, überall verbreitetes Ge-
rücht nennt Katharina die Zweyte als

die Regeln der kritiſchen Dichtkunſt zu den-
ken. Die komiſche Oper iſt ſehr gut beſetzt,
und nirgend ſcheinen die Schauſpieler mehr
con amore zu ſpielen. Das Talent, das an-
genehme Organ und die anziehende Figur der
Madame Sandunow machen ſie zur Koͤni-
ginn dieſer Buͤhne. Der Italiener Martini,
der ſeinen Namen durch die Opern coſa rara und
arbore di Diana hinlaͤnglich bekannt gemacht
hat, iſt der Komponiſt fuͤr dieſes Theater. Er
hat das ſchwere Problem, die ruſſiſche Natio-
nalmuſik zu veredeln, zur Befriedigung der
Kenner geloͤſt. Seine Manier iſt ſo geſchmei-
dig, daß ſie ſich den Volksgeſaͤngen anpaßt,
ohne daß dieſe ihre Eigenthuͤmlichkeit und jene
ihren Adel und ihre Feinheit verlieren.

Das praͤchtigſte Schauſpiel der Reſidenz
iſt jetzt die ruſſiſche Oper. Von der Kon-
kurrenz des freygebigſten Aufwands und der
groͤßten Talente laͤßt ſich ohnehin nichts gemei-
nes erwarten; aber wo die Theilnahme des
Souverains ſo unmittelbar auf die Kunſt wirkt,
als hier, da hoͤrt der gewoͤhnliche Maaßſtab
auf. Ein oͤffentliches, uͤberall verbreitetes Ge-
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[332/0350] die Regeln der kritiſchen Dichtkunſt zu den- ken. Die komiſche Oper iſt ſehr gut beſetzt, und nirgend ſcheinen die Schauſpieler mehr con amore zu ſpielen. Das Talent, das an- genehme Organ und die anziehende Figur der Madame Sandunow machen ſie zur Koͤni- ginn dieſer Buͤhne. Der Italiener Martini, der ſeinen Namen durch die Opern coſa rara und arbore di Diana hinlaͤnglich bekannt gemacht hat, iſt der Komponiſt fuͤr dieſes Theater. Er hat das ſchwere Problem, die ruſſiſche Natio- nalmuſik zu veredeln, zur Befriedigung der Kenner geloͤſt. Seine Manier iſt ſo geſchmei- dig, daß ſie ſich den Volksgeſaͤngen anpaßt, ohne daß dieſe ihre Eigenthuͤmlichkeit und jene ihren Adel und ihre Feinheit verlieren. Das praͤchtigſte Schauſpiel der Reſidenz iſt jetzt die ruſſiſche Oper. Von der Kon- kurrenz des freygebigſten Aufwands und der groͤßten Talente laͤßt ſich ohnehin nichts gemei- nes erwarten; aber wo die Theilnahme des Souverains ſo unmittelbar auf die Kunſt wirkt, als hier, da hoͤrt der gewoͤhnliche Maaßſtab auf. Ein oͤffentliches, uͤberall verbreitetes Ge- ruͤcht nennt Katharina die Zweyte als

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/350>, abgerufen am 23.11.2024.