Pracht des russischen Hofes hat, wird man unter dieser Rubrik etwas außerordentliches erwarten, und wirklich ist man noch jezt zu dieser Erwartung berechtigt, obgleich die Schau- spiele der Residenz nicht mehr so zahlreich sind, als sie ehedem waren. Noch vor kurzem be- standen in St. Petersburg vier öffentliche Theater: das russische, das französische, das deutsche und die italienische Oper. Die beyden letztern sind nicht mehr, aber dagegen hat man den erstern eine desto größere Vollkommenheit zu geben gesucht. Auch zu diesem, wie zu je- dem andern geistigen Genuß, mußte das Pu- blikum ehedem aufgemuntert werden; der Hof bestritt alle Kosten und der Eintritt in das Schauspiel war unentgeldlich. Izt ist diese Gattung der öffentlichen Vergnügungen einer kaiserlichen Theaterdirektion unterworfen; die Vorstellungen für das Publikum werden theils im großen Opernhause, theils im hölzernen Theater gegeben, und der Eintritt wird bezahlt. So beträchtlich aber auch die Einnahmen sind, so wenig reichen sie zur Unterhaltung hin, da- her der Hof einen jährlichen Zuschuß von mehr als 174,000 Rbl. macht.
X 4
Pracht des ruſſiſchen Hofes hat, wird man unter dieſer Rubrik etwas außerordentliches erwarten, und wirklich iſt man noch jezt zu dieſer Erwartung berechtigt, obgleich die Schau- ſpiele der Reſidenz nicht mehr ſo zahlreich ſind, als ſie ehedem waren. Noch vor kurzem be- ſtanden in St. Petersburg vier oͤffentliche Theater: das ruſſiſche, das franzoͤſiſche, das deutſche und die italieniſche Oper. Die beyden letztern ſind nicht mehr, aber dagegen hat man den erſtern eine deſto groͤßere Vollkommenheit zu geben geſucht. Auch zu dieſem, wie zu je- dem andern geiſtigen Genuß, mußte das Pu- blikum ehedem aufgemuntert werden; der Hof beſtritt alle Koſten und der Eintritt in das Schauſpiel war unentgeldlich. Izt iſt dieſe Gattung der oͤffentlichen Vergnuͤgungen einer kaiſerlichen Theaterdirektion unterworfen; die Vorſtellungen fuͤr das Publikum werden theils im großen Opernhauſe, theils im hoͤlzernen Theater gegeben, und der Eintritt wird bezahlt. So betraͤchtlich aber auch die Einnahmen ſind, ſo wenig reichen ſie zur Unterhaltung hin, da- her der Hof einen jaͤhrlichen Zuſchuß von mehr als 174,000 Rbl. macht.
X 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0345"n="327"/>
Pracht des ruſſiſchen Hofes hat, wird man<lb/>
unter dieſer Rubrik etwas außerordentliches<lb/>
erwarten, und wirklich iſt man noch jezt zu<lb/>
dieſer Erwartung berechtigt, obgleich die Schau-<lb/>ſpiele der Reſidenz nicht mehr ſo zahlreich ſind,<lb/>
als ſie ehedem waren. Noch vor kurzem be-<lb/>ſtanden in St. Petersburg vier oͤffentliche<lb/>
Theater: das ruſſiſche, das franzoͤſiſche, das<lb/>
deutſche und die italieniſche Oper. Die beyden<lb/>
letztern ſind nicht mehr, aber dagegen hat man<lb/>
den erſtern eine deſto groͤßere Vollkommenheit<lb/>
zu geben geſucht. Auch zu dieſem, wie zu je-<lb/>
dem andern geiſtigen Genuß, mußte das Pu-<lb/>
blikum ehedem aufgemuntert werden; der Hof<lb/>
beſtritt alle Koſten und der Eintritt in das<lb/>
Schauſpiel war unentgeldlich. Izt iſt dieſe<lb/>
Gattung der oͤffentlichen Vergnuͤgungen einer<lb/>
kaiſerlichen Theaterdirektion unterworfen; die<lb/>
Vorſtellungen fuͤr das Publikum werden theils<lb/>
im großen Opernhauſe, theils im hoͤlzernen<lb/>
Theater gegeben, und der Eintritt wird bezahlt.<lb/>
So betraͤchtlich aber auch die Einnahmen ſind,<lb/>ſo wenig reichen ſie zur Unterhaltung hin, da-<lb/>
her der Hof einen jaͤhrlichen Zuſchuß von mehr<lb/>
als 174,000 Rbl. macht.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">X 4</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[327/0345]
Pracht des ruſſiſchen Hofes hat, wird man
unter dieſer Rubrik etwas außerordentliches
erwarten, und wirklich iſt man noch jezt zu
dieſer Erwartung berechtigt, obgleich die Schau-
ſpiele der Reſidenz nicht mehr ſo zahlreich ſind,
als ſie ehedem waren. Noch vor kurzem be-
ſtanden in St. Petersburg vier oͤffentliche
Theater: das ruſſiſche, das franzoͤſiſche, das
deutſche und die italieniſche Oper. Die beyden
letztern ſind nicht mehr, aber dagegen hat man
den erſtern eine deſto groͤßere Vollkommenheit
zu geben geſucht. Auch zu dieſem, wie zu je-
dem andern geiſtigen Genuß, mußte das Pu-
blikum ehedem aufgemuntert werden; der Hof
beſtritt alle Koſten und der Eintritt in das
Schauſpiel war unentgeldlich. Izt iſt dieſe
Gattung der oͤffentlichen Vergnuͤgungen einer
kaiſerlichen Theaterdirektion unterworfen; die
Vorſtellungen fuͤr das Publikum werden theils
im großen Opernhauſe, theils im hoͤlzernen
Theater gegeben, und der Eintritt wird bezahlt.
So betraͤchtlich aber auch die Einnahmen ſind,
ſo wenig reichen ſie zur Unterhaltung hin, da-
her der Hof einen jaͤhrlichen Zuſchuß von mehr
als 174,000 Rbl. macht.
X 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/345>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.