wodurch diese Töchter der Freude in andern Hauptstädten oft so interessant und so merk- würdig werden. Der größte Theil der Entre- tenues ist aus der niedrigsten Klasse; bey sehr eingeschränkten Talenten sind ihre Ansprüche dennoch sehr groß. Ohne Grazie, ohne die Kunst zu gefallen, von jedem höhern Reiz ent- blößt, machen sie ungeheure Forderungen, die ihnen auch wegen des Mangels besserer Mit- bewerberinnen gerne zugestanden werden. Ein Mädchen, welches ihrem Liebhaber hier tau- send und mehr Rubel kostet, würde in Paris kaum den Geschmack eines Kohlenträgers be- friedigen. Nicht selten bringen daher unsere junge Herren aus der großen Welt ihre Ge- fährtinnen aus fremden Ländern mit; aber seltner gelingt es ihnen, sie zu fesseln. Bey einiger Kenntniß ihres Werths auf dem Platz wo sie sich befinden, wird es ihnen nicht schwer sich in eine höhere Sphäre zu schwingen. Die Beyspiele, daß Mädchen dieser Art sich weit über ihr Schicksal erheben und vortheilhafte Heyrathen machen, sind eben so gewöhnlich, als die Erfahrung, daß sie sich in diesem Fall durch ihr sittliches Betragen die Achtung zu
wodurch dieſe Toͤchter der Freude in andern Hauptſtaͤdten oft ſo intereſſant und ſo merk- wuͤrdig werden. Der groͤßte Theil der Entre- tenues iſt aus der niedrigſten Klaſſe; bey ſehr eingeſchraͤnkten Talenten ſind ihre Anſpruͤche dennoch ſehr groß. Ohne Grazie, ohne die Kunſt zu gefallen, von jedem hoͤhern Reiz ent- bloͤßt, machen ſie ungeheure Forderungen, die ihnen auch wegen des Mangels beſſerer Mit- bewerberinnen gerne zugeſtanden werden. Ein Maͤdchen, welches ihrem Liebhaber hier tau- ſend und mehr Rubel koſtet, wuͤrde in Paris kaum den Geſchmack eines Kohlentraͤgers be- friedigen. Nicht ſelten bringen daher unſere junge Herren aus der großen Welt ihre Ge- faͤhrtinnen aus fremden Laͤndern mit; aber ſeltner gelingt es ihnen, ſie zu feſſeln. Bey einiger Kenntniß ihres Werths auf dem Platz wo ſie ſich befinden, wird es ihnen nicht ſchwer ſich in eine hoͤhere Sphaͤre zu ſchwingen. Die Beyſpiele, daß Maͤdchen dieſer Art ſich weit uͤber ihr Schickſal erheben und vortheilhafte Heyrathen machen, ſind eben ſo gewoͤhnlich, als die Erfahrung, daß ſie ſich in dieſem Fall durch ihr ſittliches Betragen die Achtung zu
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wodurch dieſe Toͤchter der Freude in andern
Hauptſtaͤdten oft ſo intereſſant und ſo merk-
wuͤrdig werden. Der groͤßte Theil der Entre-
tenues iſt aus der niedrigſten Klaſſe; bey ſehr
eingeſchraͤnkten Talenten ſind ihre Anſpruͤche
dennoch ſehr groß. Ohne Grazie, ohne die
Kunſt zu gefallen, von jedem hoͤhern Reiz ent-
bloͤßt, machen ſie ungeheure Forderungen, die
ihnen auch wegen des Mangels beſſerer Mit-
bewerberinnen gerne zugeſtanden werden. Ein
Maͤdchen, welches ihrem Liebhaber hier tau-
ſend und mehr Rubel koſtet, wuͤrde in Paris
kaum den Geſchmack eines Kohlentraͤgers be-
friedigen. Nicht ſelten bringen daher unſere
junge Herren aus der großen Welt ihre Ge-
faͤhrtinnen aus fremden Laͤndern mit; aber
ſeltner gelingt es ihnen, ſie zu feſſeln. Bey
einiger Kenntniß ihres Werths auf dem Platz
wo ſie ſich befinden, wird es ihnen nicht ſchwer
ſich in eine hoͤhere Sphaͤre zu ſchwingen. Die
Beyſpiele, daß Maͤdchen dieſer Art ſich weit
uͤber ihr Schickſal erheben und vortheilhafte
Heyrathen machen, ſind eben ſo gewoͤhnlich,
als die Erfahrung, daß ſie ſich in dieſem Fall
durch ihr ſittliches Betragen die Achtung zu
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/342>, abgerufen am 27.11.2024.
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