des Glanzes ungewohnt, die göttlichschönen Züge. Kostbare Wohlgerüche umdufteten das Haus, und Frühlingsblumen sprossen hervor aus jener Stätte wo ich sie schweben sah, mir Göttinn, Engelgleiche! -- Es schwang sich meine Seele ihr nach; allein vergebens; ich konnte ihr nicht folgen, stand wie betäubt vom Donner, empfindungslos und stumm. Doch bald erleichterte mein Herz ein Thränenguß. Ists möglich, sprach ich, Zarinn! Sanftmüthige, auch du kannst gegen deinen Mursa so streng und zornig seyn? Und du, und du, du solltest den Pfeil ins Herz mir werfen? Die reine Flamme tadeln, die nur für dich allein in meinem Busen lodert? Es giebt genug der Menschen, die schon den armen Dichter für jeden seiner Verse
des Glanzes ungewohnt, die goͤttlichſchoͤnen Zuͤge. Koſtbare Wohlgeruͤche umdufteten das Haus, und Fruͤhlingsblumen ſproſſen hervor aus jener Staͤtte wo ich ſie ſchweben ſah, mir Goͤttinn, Engelgleiche! — Es ſchwang ſich meine Seele ihr nach; allein vergebens; ich konnte ihr nicht folgen, ſtand wie betaͤubt vom Donner, empfindungslos und ſtumm. Doch bald erleichterte mein Herz ein Thraͤnenguß. Iſts moͤglich, ſprach ich, Zarinn! Sanftmuͤthige, auch du kannſt gegen deinen Murſa ſo ſtreng und zornig ſeyn? Und du, und du, du ſollteſt den Pfeil ins Herz mir werfen? Die reine Flamme tadeln, die nur fuͤr dich allein in meinem Buſen lodert? Es giebt genug der Menſchen, die ſchon den armen Dichter fuͤr jeden ſeiner Verſe
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des Glanzes ungewohnt,
die goͤttlichſchoͤnen Zuͤge.
Koſtbare Wohlgeruͤche
umdufteten das Haus,
und Fruͤhlingsblumen ſproſſen
hervor aus jener Staͤtte
wo ich ſie ſchweben ſah,
mir Goͤttinn, Engelgleiche! —
Es ſchwang ſich meine Seele
ihr nach; allein vergebens;
ich konnte ihr nicht folgen,
ſtand wie betaͤubt vom Donner,
empfindungslos und ſtumm.
Doch bald erleichterte
mein Herz ein Thraͤnenguß.
Iſts moͤglich, ſprach ich, Zarinn!
Sanftmuͤthige, auch du
kannſt gegen deinen Murſa
ſo ſtreng und zornig ſeyn?
Und du, und du, du ſollteſt
den Pfeil ins Herz mir werfen?
Die reine Flamme tadeln,
die nur fuͤr dich allein
in meinem Buſen lodert?
Es giebt genug der Menſchen,
die ſchon den armen Dichter
fuͤr jeden ſeiner Verſe
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/255>, abgerufen am 24.11.2024.
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