den allgemeinen Grundsatz ein, daß nichts ge- gen die Religion, den Staat und die guten Sitten erscheine. Diese Unbestimmtheit kann, wenn ihre Auslegung einem aufgeklärten Mann anheim fällt, der guten Sache eben so förder- lich seyn, als sie, im entgegengesetzten Falle, durch mißverstandenen Pflichteifer oder über- triebene Aengstlichkeit, der Litteratur schädlich werden muß.
Die Wachsamkeit der Polizeycensur ver- breitet sich nur über die in der Residenz, oder vielmehr in den Privatdruckereyen herauskom- menden Bücher; alle fremde litterarische Pro- dukte, die über die Grenze hereingebracht wer- den, sind im eigentlichen und bildlichen Sinne zollfrey. Die Aufsicht welche den Zollbeamten hierüber anempfohlen ist, kann, der Natur der Sache gemäß, nur sehr unvollkommen seyn, da die wenigsten unter ihnen Zeit und Lust, Sprach- und Sachkenntnisse genug besitzen, um einer so schwierigen Pflicht, wenn sie in ihrem ganzen Umfange gefordert würde, Ge- gnüge zu leisten. Man findet also in den hie- sigen Buchläden und Lesegesellschaften littera- rische Produkte von der mannigfaltigsten Gat-
den allgemeinen Grundſatz ein, daß nichts ge- gen die Religion, den Staat und die guten Sitten erſcheine. Dieſe Unbeſtimmtheit kann, wenn ihre Auslegung einem aufgeklaͤrten Mann anheim faͤllt, der guten Sache eben ſo foͤrder- lich ſeyn, als ſie, im entgegengeſetzten Falle, durch mißverſtandenen Pflichteifer oder uͤber- triebene Aengſtlichkeit, der Litteratur ſchaͤdlich werden muß.
Die Wachſamkeit der Polizeycenſur ver- breitet ſich nur uͤber die in der Reſidenz, oder vielmehr in den Privatdruckereyen herauskom- menden Buͤcher; alle fremde litterariſche Pro- dukte, die uͤber die Grenze hereingebracht wer- den, ſind im eigentlichen und bildlichen Sinne zollfrey. Die Aufſicht welche den Zollbeamten hieruͤber anempfohlen iſt, kann, der Natur der Sache gemaͤß, nur ſehr unvollkommen ſeyn, da die wenigſten unter ihnen Zeit und Luſt, Sprach- und Sachkenntniſſe genug beſitzen, um einer ſo ſchwierigen Pflicht, wenn ſie in ihrem ganzen Umfange gefordert wuͤrde, Ge- gnuͤge zu leiſten. Man findet alſo in den hie- ſigen Buchlaͤden und Leſegeſellſchaften littera- riſche Produkte von der mannigfaltigſten Gat-
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den allgemeinen Grundſatz ein, daß nichts ge-
gen die Religion, den Staat und die guten
Sitten erſcheine. Dieſe Unbeſtimmtheit kann,
wenn ihre Auslegung einem aufgeklaͤrten Mann
anheim faͤllt, der guten Sache eben ſo foͤrder-
lich ſeyn, als ſie, im entgegengeſetzten Falle,
durch mißverſtandenen Pflichteifer oder uͤber-
triebene Aengſtlichkeit, der Litteratur ſchaͤdlich
werden muß.
Die Wachſamkeit der Polizeycenſur ver-
breitet ſich nur uͤber die in der Reſidenz, oder
vielmehr in den Privatdruckereyen herauskom-
menden Buͤcher; alle fremde litterariſche Pro-
dukte, die uͤber die Grenze hereingebracht wer-
den, ſind im eigentlichen und bildlichen Sinne
zollfrey. Die Aufſicht welche den Zollbeamten
hieruͤber anempfohlen iſt, kann, der Natur der
Sache gemaͤß, nur ſehr unvollkommen ſeyn,
da die wenigſten unter ihnen Zeit und Luſt,
Sprach- und Sachkenntniſſe genug beſitzen,
um einer ſo ſchwierigen Pflicht, wenn ſie in
ihrem ganzen Umfange gefordert wuͤrde, Ge-
gnuͤge zu leiſten. Man findet alſo in den hie-
ſigen Buchlaͤden und Leſegeſellſchaften littera-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/171>, abgerufen am 23.11.2024.
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