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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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Das Haus für Wahnsinnige besteht aus
vier und vierzig Kammern in zwey gegenüber-
stehenden Reihen, deren eine für männliche
und die andere für weibliche Unglückliche dieser
Art bestimmt ist. Auch hier herrscht die mög-
lichste Reinlichkeit; hierdurch und durch die
sanfte Behandlung der Kranken werden viele
der menschlichen Gesellschaft wieder geschenkt.
Die Wüthenden sind nicht mit Ketten, sondern
mit Riemen an ihre Betten gefesselt, und
man bedient sich überhaupt nur gelinder Mit-
tel, einer strengen Diät, u. s. w. Das Ver-
hältniß der Russen zu den Ausländern ist hier
nur gering; die Zahl der Mannspersonen ist
fast um ein Viertel stärker als die des weibli-
chen Geschlechts; Schwermuth, Liebe und
Stolz sind hier wie überall die gewöhnlichen
Quellen des Wahnsinns, aber die Trunken-
heit ist hier die ergiebigste. Von 229 Kranken,
die in drey Jahren in dieses Haus aufgenom-
men wurden, sind 161 genesen, 11 als Un-
heilbare ins Armenhaus geschickt, und 47 ge-
storben. Das Stadthospital steht unter dem
Kollegium der allgemeinen Fürsorge.


Das Haus fuͤr Wahnſinnige beſteht aus
vier und vierzig Kammern in zwey gegenuͤber-
ſtehenden Reihen, deren eine fuͤr maͤnnliche
und die andere fuͤr weibliche Ungluͤckliche dieſer
Art beſtimmt iſt. Auch hier herrſcht die moͤg-
lichſte Reinlichkeit; hierdurch und durch die
ſanfte Behandlung der Kranken werden viele
der menſchlichen Geſellſchaft wieder geſchenkt.
Die Wuͤthenden ſind nicht mit Ketten, ſondern
mit Riemen an ihre Betten gefeſſelt, und
man bedient ſich uͤberhaupt nur gelinder Mit-
tel, einer ſtrengen Diaͤt, u. ſ. w. Das Ver-
haͤltniß der Ruſſen zu den Auslaͤndern iſt hier
nur gering; die Zahl der Mannsperſonen iſt
faſt um ein Viertel ſtaͤrker als die des weibli-
chen Geſchlechts; Schwermuth, Liebe und
Stolz ſind hier wie uͤberall die gewoͤhnlichen
Quellen des Wahnſinns, aber die Trunken-
heit iſt hier die ergiebigſte. Von 229 Kranken,
die in drey Jahren in dieſes Haus aufgenom-
men wurden, ſind 161 geneſen, 11 als Un-
heilbare ins Armenhaus geſchickt, und 47 ge-
ſtorben. Das Stadthospital ſteht unter dem
Kollegium der allgemeinen Fuͤrſorge.


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[262/0298] Das Haus fuͤr Wahnſinnige beſteht aus vier und vierzig Kammern in zwey gegenuͤber- ſtehenden Reihen, deren eine fuͤr maͤnnliche und die andere fuͤr weibliche Ungluͤckliche dieſer Art beſtimmt iſt. Auch hier herrſcht die moͤg- lichſte Reinlichkeit; hierdurch und durch die ſanfte Behandlung der Kranken werden viele der menſchlichen Geſellſchaft wieder geſchenkt. Die Wuͤthenden ſind nicht mit Ketten, ſondern mit Riemen an ihre Betten gefeſſelt, und man bedient ſich uͤberhaupt nur gelinder Mit- tel, einer ſtrengen Diaͤt, u. ſ. w. Das Ver- haͤltniß der Ruſſen zu den Auslaͤndern iſt hier nur gering; die Zahl der Mannsperſonen iſt faſt um ein Viertel ſtaͤrker als die des weibli- chen Geſchlechts; Schwermuth, Liebe und Stolz ſind hier wie uͤberall die gewoͤhnlichen Quellen des Wahnſinns, aber die Trunken- heit iſt hier die ergiebigſte. Von 229 Kranken, die in drey Jahren in dieſes Haus aufgenom- men wurden, ſind 161 geneſen, 11 als Un- heilbare ins Armenhaus geſchickt, und 47 ge- ſtorben. Das Stadthospital ſteht unter dem Kollegium der allgemeinen Fuͤrſorge.

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/298>, abgerufen am 22.11.2024.