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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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gemästet scheinen, weil sie mit Luft angefüllt
sind, oder Spargel, die ihres eßbaren Theils
beraubt, zugespitzt und gefärbt sind; so wird
man dies doch nicht alltäglich nennen.

Eine Dame, die erst seit kurzem aus Deutsch-
land gekommen war, und von ihren hiesigen
Bekannten vieles von dergleichen listigen Be-
trügereyen gehört hatte, faßte den Vorsatz,
bey jedem Handel die äußerste Vorsicht zu ge-
brauchen, um die allgemeine Meynung zu wi-
derlegen, daß jeder Fremde ein kleines Lehr-
geld bezahlen müsse. Mehrere Tage gieng es
gut; einsmals aber tritt ein Rasnoschtschick
ins Zimmer, und bietet ihr ein Pfund Thee,
den letzten Rest seines Verkaufs, an. Sie
wägt die Waare, und findet das Gewicht rich-
tig; sie versucht eine Probe, der Thee war
unverfälscht und wohlschmeckend; sie schüttet
den ganzen Vorrath aus, auch hier war kein
Betrug zu merken. Sie frägt nach dem Preise,
und bietet ein Drittheil des Geforderten; der
Verkäufer ist natürlich mit diesem Gebot nicht
zufrieden, schüttet seinen Thee wieder in die
Büchse, wickelt ein Tuch um dieselbe, und
steckt sie in den Busen. Endlich wird der Han-

gemaͤſtet ſcheinen, weil ſie mit Luft angefuͤllt
ſind, oder Spargel, die ihres eßbaren Theils
beraubt, zugeſpitzt und gefaͤrbt ſind; ſo wird
man dies doch nicht alltaͤglich nennen.

Eine Dame, die erſt ſeit kurzem aus Deutſch-
land gekommen war, und von ihren hieſigen
Bekannten vieles von dergleichen liſtigen Be-
truͤgereyen gehoͤrt hatte, faßte den Vorſatz,
bey jedem Handel die aͤußerſte Vorſicht zu ge-
brauchen, um die allgemeine Meynung zu wi-
derlegen, daß jeder Fremde ein kleines Lehr-
geld bezahlen muͤſſe. Mehrere Tage gieng es
gut; einsmals aber tritt ein Rasnoſchtſchick
ins Zimmer, und bietet ihr ein Pfund Thee,
den letzten Reſt ſeines Verkaufs, an. Sie
waͤgt die Waare, und findet das Gewicht rich-
tig; ſie verſucht eine Probe, der Thee war
unverfaͤlſcht und wohlſchmeckend; ſie ſchuͤttet
den ganzen Vorrath aus, auch hier war kein
Betrug zu merken. Sie fraͤgt nach dem Preiſe,
und bietet ein Drittheil des Geforderten; der
Verkaͤufer iſt natuͤrlich mit dieſem Gebot nicht
zufrieden, ſchuͤttet ſeinen Thee wieder in die
Buͤchſe, wickelt ein Tuch um dieſelbe, und
ſteckt ſie in den Buſen. Endlich wird der Han-

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[200/0234] gemaͤſtet ſcheinen, weil ſie mit Luft angefuͤllt ſind, oder Spargel, die ihres eßbaren Theils beraubt, zugeſpitzt und gefaͤrbt ſind; ſo wird man dies doch nicht alltaͤglich nennen. Eine Dame, die erſt ſeit kurzem aus Deutſch- land gekommen war, und von ihren hieſigen Bekannten vieles von dergleichen liſtigen Be- truͤgereyen gehoͤrt hatte, faßte den Vorſatz, bey jedem Handel die aͤußerſte Vorſicht zu ge- brauchen, um die allgemeine Meynung zu wi- derlegen, daß jeder Fremde ein kleines Lehr- geld bezahlen muͤſſe. Mehrere Tage gieng es gut; einsmals aber tritt ein Rasnoſchtſchick ins Zimmer, und bietet ihr ein Pfund Thee, den letzten Reſt ſeines Verkaufs, an. Sie waͤgt die Waare, und findet das Gewicht rich- tig; ſie verſucht eine Probe, der Thee war unverfaͤlſcht und wohlſchmeckend; ſie ſchuͤttet den ganzen Vorrath aus, auch hier war kein Betrug zu merken. Sie fraͤgt nach dem Preiſe, und bietet ein Drittheil des Geforderten; der Verkaͤufer iſt natuͤrlich mit dieſem Gebot nicht zufrieden, ſchuͤttet ſeinen Thee wieder in die Buͤchſe, wickelt ein Tuch um dieſelbe, und ſteckt ſie in den Buſen. Endlich wird der Han-

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/234>, abgerufen am 24.11.2024.