Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.Zitternd nahm sie dich in den mütterlichen Arm; Freudige Schauer rauschten ihre Glieder hinab auf ihr Gewand; Feierlich küßte sie deine Stirn, Und Prophezeiung entquoll ihren Lippen, wie ein Strom: "Tochter, du nimst hinweg deiner Mutter Schmach! Rächst deiner Schwestern weinenden Gram! Unwillig krümte jede sich hinab ins Grab; Denn in Locken der Jugend hofte jede zu führen dein Schwert, Zu halten deine Wage, Vergelterin! Schon lächelst du stolz an deiner Mutter Brust, Schon flamt dein blauer rollender Blick, Schon greifest du mich stark an mit der zarten Hand; Bald tönen um deine Wiege herum Wassengetös und der Sieger Gesang! Du wächsest schnell auf! ich sehe dich schon Jn schöner weiblichen Riesengestalt, Zitternd nahm ſie dich in den muͤtterlichen Arm; Freudige Schauer rauſchten ihre Glieder hinab auf ihr Gewand; Feierlich kuͤßte ſie deine Stirn, Und Prophezeiung entquoll ihren Lippen, wie ein Strom: „Tochter, du nimſt hinweg deiner Mutter Schmach! Raͤchſt deiner Schweſtern weinenden Gram! Unwillig kruͤmte jede ſich hinab ins Grab; Denn in Locken der Jugend hofte jede zu fuͤhren dein Schwert, Zu halten deine Wage, Vergelterin! Schon laͤchelſt du ſtolz an deiner Mutter Bruſt, Schon flamt dein blauer rollender Blick, Schon greifeſt du mich ſtark an mit der zarten Hand; Bald toͤnen um deine Wiege herum Waſſengetoͤs und der Sieger Geſang! Du waͤchſeſt ſchnell auf! ich ſehe dich ſchon Jn ſchoͤner weiblichen Rieſengeſtalt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0122" n="112"/> <lg n="47"> <l>Zitternd nahm ſie dich in den muͤtterlichen Arm;</l><lb/> <l>Freudige Schauer rauſchten ihre Glieder hinab<lb/><hi rendition="#et">auf ihr Gewand;</hi></l><lb/> <l>Feierlich kuͤßte ſie deine Stirn,</l><lb/> <l>Und Prophezeiung entquoll ihren Lippen, wie<lb/><hi rendition="#et">ein Strom:</hi></l> </lg><lb/> <lg n="48"> <l>„Tochter, du nimſt hinweg deiner Mutter<lb/><hi rendition="#et">Schmach!</hi></l><lb/> <l>Raͤchſt deiner Schweſtern weinenden Gram!</l><lb/> <l>Unwillig kruͤmte jede ſich hinab ins Grab;</l><lb/> <l>Denn in Locken der Jugend hofte jede zu fuͤhren<lb/><hi rendition="#et">dein Schwert,</hi></l><lb/> <l>Zu halten deine Wage, Vergelterin!</l><lb/> <l>Schon laͤchelſt du ſtolz an deiner Mutter Bruſt,</l><lb/> <l>Schon flamt dein blauer rollender Blick,</l><lb/> <l>Schon greifeſt du mich ſtark an mit der zarten<lb/><hi rendition="#et">Hand;</hi></l><lb/> <l>Bald toͤnen um deine Wiege herum</l><lb/> <l>Waſſengetoͤs und der Sieger Geſang!</l><lb/> <l>Du waͤchſeſt ſchnell auf! ich ſehe dich ſchon</l><lb/> <l>Jn ſchoͤner weiblichen Rieſengeſtalt,<lb/></l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0122]
Zitternd nahm ſie dich in den muͤtterlichen Arm;
Freudige Schauer rauſchten ihre Glieder hinab
auf ihr Gewand;
Feierlich kuͤßte ſie deine Stirn,
Und Prophezeiung entquoll ihren Lippen, wie
ein Strom:
„Tochter, du nimſt hinweg deiner Mutter
Schmach!
Raͤchſt deiner Schweſtern weinenden Gram!
Unwillig kruͤmte jede ſich hinab ins Grab;
Denn in Locken der Jugend hofte jede zu fuͤhren
dein Schwert,
Zu halten deine Wage, Vergelterin!
Schon laͤchelſt du ſtolz an deiner Mutter Bruſt,
Schon flamt dein blauer rollender Blick,
Schon greifeſt du mich ſtark an mit der zarten
Hand;
Bald toͤnen um deine Wiege herum
Waſſengetoͤs und der Sieger Geſang!
Du waͤchſeſt ſchnell auf! ich ſehe dich ſchon
Jn ſchoͤner weiblichen Rieſengeſtalt,
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