Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.gegeben, wogegen der, welcher umgeschau't wird, sich fest auf gegeben, wogegen der, welcher umgeſchau’t wird, ſich feſt auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="53"/> gegeben, wogegen der, welcher umgeſchau’t wird, ſich feſt auf<lb/> die Unpartheiligkeit ſeines Cameraden verlaſſen kann, denn die-<lb/> ſer wird den Meiſtern dafür verantwortlich, wenn er einen über-<lb/> geht, und die Geſellen-Brüderſchaft würde es ihm nie vergeben,<lb/> die einzelnen es überall entgelten laſſen, wo ſie ihn fänden. Der<lb/> Umſchaugeſell ſieht ferner den Fremden zunächſt allein, iſt dieſer<lb/> entblößt von Gelde, übel beſtellt in Kleidung, ſo kann er ſich<lb/> ihm offen anvertrauen und bitten, alles Mögliche anzuwenden,<lb/> ihm Arbeit zu verſchaffen; der gutherzige Umſchauer ſucht nun<lb/> nicht allein den einen oder andern Meiſter bei bemerkter Neigung,<lb/> dem Wandergeſellen Arbeit zu geben, durch Bitten vollends dazu<lb/> zu bewegen, ohne daß er ihm eben ſeine äußere üble Lage erzählt, die<lb/> ihn bei dem perſönlichen Beſuch des Fremden vielleicht abſchrek-<lb/> ken möchte; im unglücklichſten Fall ſammelt er bei ſeinem Um-<lb/> gang von den Geſellen eine Unterſtützung für ihn oder ſpricht<lb/> die Meiſterlade an, und dies war früher nie ohne Erfolg. Es<lb/> geſchah unbemerkt, ohne Mitwirkung einer öffentlichen Behörde;<lb/> die ſtädtiſche Armenkaſſe wurde nicht in Anſpruch genommen,<lb/> das Ehrgefühl des jungen Mannes geſchont, und er behielt<lb/> Muth, ſich aufrecht zu erhalten. Man wird freilich einwenden, daß<lb/> andererſeits dadurch auch dem Leichtſinn, der Faulheit, feſte Brücken<lb/> gebaut wurden, dergleichen Fälle ſollen aber bei den Geſchenk<lb/> gebenden Handwerken und wo die Umſchau eingeführt war,<lb/> höchſt ſelten vorgekommen ſeyn. Nur einmal hatte ein junger<lb/> geſunder Geſell ſich dieſes Auskunftmittels zu erfreuen; die,<lb/> welche vom Nichtsthun Profeſſion machten, dabei gewöhnlich alt<lb/> wurden, gehören dahin nicht, für ſie hatten die Geſellen auch<lb/> nicht das lebhafte Intereſſe und belegten ſie nicht ſelten mit<lb/> Spottnamen, und iſt es denn nicht beſſer, eine ehrbare Corpora-<lb/> tion ſucht nach Kräften auch ihren übelgearteten Mitgliedern<lb/> fortzuhelfen, als wenn ſie von allen Handwerken zu einer Ge-<lb/> ſammtmaſſe anwachſen und den ſtädtiſchen Armen-Anſtalten<lb/> anheim fallen?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [53/0063]
gegeben, wogegen der, welcher umgeſchau’t wird, ſich feſt auf
die Unpartheiligkeit ſeines Cameraden verlaſſen kann, denn die-
ſer wird den Meiſtern dafür verantwortlich, wenn er einen über-
geht, und die Geſellen-Brüderſchaft würde es ihm nie vergeben,
die einzelnen es überall entgelten laſſen, wo ſie ihn fänden. Der
Umſchaugeſell ſieht ferner den Fremden zunächſt allein, iſt dieſer
entblößt von Gelde, übel beſtellt in Kleidung, ſo kann er ſich
ihm offen anvertrauen und bitten, alles Mögliche anzuwenden,
ihm Arbeit zu verſchaffen; der gutherzige Umſchauer ſucht nun
nicht allein den einen oder andern Meiſter bei bemerkter Neigung,
dem Wandergeſellen Arbeit zu geben, durch Bitten vollends dazu
zu bewegen, ohne daß er ihm eben ſeine äußere üble Lage erzählt, die
ihn bei dem perſönlichen Beſuch des Fremden vielleicht abſchrek-
ken möchte; im unglücklichſten Fall ſammelt er bei ſeinem Um-
gang von den Geſellen eine Unterſtützung für ihn oder ſpricht
die Meiſterlade an, und dies war früher nie ohne Erfolg. Es
geſchah unbemerkt, ohne Mitwirkung einer öffentlichen Behörde;
die ſtädtiſche Armenkaſſe wurde nicht in Anſpruch genommen,
das Ehrgefühl des jungen Mannes geſchont, und er behielt
Muth, ſich aufrecht zu erhalten. Man wird freilich einwenden, daß
andererſeits dadurch auch dem Leichtſinn, der Faulheit, feſte Brücken
gebaut wurden, dergleichen Fälle ſollen aber bei den Geſchenk
gebenden Handwerken und wo die Umſchau eingeführt war,
höchſt ſelten vorgekommen ſeyn. Nur einmal hatte ein junger
geſunder Geſell ſich dieſes Auskunftmittels zu erfreuen; die,
welche vom Nichtsthun Profeſſion machten, dabei gewöhnlich alt
wurden, gehören dahin nicht, für ſie hatten die Geſellen auch
nicht das lebhafte Intereſſe und belegten ſie nicht ſelten mit
Spottnamen, und iſt es denn nicht beſſer, eine ehrbare Corpora-
tion ſucht nach Kräften auch ihren übelgearteten Mitgliedern
fortzuhelfen, als wenn ſie von allen Handwerken zu einer Ge-
ſammtmaſſe anwachſen und den ſtädtiſchen Armen-Anſtalten
anheim fallen?
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