höheres Wesen, sondern respectire allein jenes höhere Wesen, das in Dir "umgeht": Ich "respectire in Dir den Menschen". So etwas beachteten die Alten nicht in ihren Sklaven, und das höhere Wesen: "der Mensch" fand noch wenig Anklang. Dagegen sahen sie in einander Gespenster anderer Art. Das Volk ist ein höheres Wesen als ein Einzelner, und gleich dem Menschen oder Menschengeiste ein in den Einzelnen spukender Geist: der Volksgeist. Deshalb verehrten sie diesen Geist, und nur so weit er diesem oder auch einem ihm verwandten Geiste, z. B. dem Familiengeiste u. s. w. diente, konnte der Einzelne bedeutend erscheinen; nur um des höheren Wesens, des Vol¬ kes, willen, überließ man dem "Volksgliede" eine Geltung. Wie Du Uns durch "den Menschen", der in Dir spukt, ge¬ heiligt bist, so war man zu jeder Zeit durch irgend ein höheres Wesen, wie Volk, Familie u. dergl. geheiligt. Nur um eines höhern Wesens willen ist man von jeher geehrt, nur als ein Gespenst für eine geheiligte, d. h. geschützte und anerkannte Per¬ son betrachtet worden. Wenn Ich Dich hege und pflege, weil Ich Dich lieb habe, weil Mein Herz an Dir Nahrung, Mein Bedürfniß Befriedigung findet, so geschieht es nicht um eines höheren Wesens willen, dessen geheiligter Leib Du bist, nicht darum, weil Ich ein Gespenst, d. h. einen erscheinenden Geist in Dir erblicke, sondern aus egoistischer Lust: Du selbst mit Deinem Wesen bist Mir werth, denn Dein Wesen ist kein höheres, ist nicht höher und allgemeiner als Du, ist einzig wie Du selber, weil Du es bist.
Aber nicht bloß der Mensch, sondern Alles spukt. Das höhere Wesen, der Geist, der in Allem umgeht, ist zugleich an Nichts gebunden, und -- "erscheint" nur darin. Gespenst in allen Winkeln!
höheres Weſen, ſondern reſpectire allein jenes höhere Weſen, das in Dir „umgeht“: Ich „reſpectire in Dir den Menſchen“. So etwas beachteten die Alten nicht in ihren Sklaven, und das höhere Weſen: „der Menſch“ fand noch wenig Anklang. Dagegen ſahen ſie in einander Geſpenſter anderer Art. Das Volk iſt ein höheres Weſen als ein Einzelner, und gleich dem Menſchen oder Menſchengeiſte ein in den Einzelnen ſpukender Geiſt: der Volksgeiſt. Deshalb verehrten ſie dieſen Geiſt, und nur ſo weit er dieſem oder auch einem ihm verwandten Geiſte, z. B. dem Familiengeiſte u. ſ. w. diente, konnte der Einzelne bedeutend erſcheinen; nur um des höheren Weſens, des Vol¬ kes, willen, überließ man dem „Volksgliede“ eine Geltung. Wie Du Uns durch „den Menſchen“, der in Dir ſpukt, ge¬ heiligt biſt, ſo war man zu jeder Zeit durch irgend ein höheres Weſen, wie Volk, Familie u. dergl. geheiligt. Nur um eines höhern Weſens willen iſt man von jeher geehrt, nur als ein Geſpenſt für eine geheiligte, d. h. geſchützte und anerkannte Per¬ ſon betrachtet worden. Wenn Ich Dich hege und pflege, weil Ich Dich lieb habe, weil Mein Herz an Dir Nahrung, Mein Bedürfniß Befriedigung findet, ſo geſchieht es nicht um eines höheren Weſens willen, deſſen geheiligter Leib Du biſt, nicht darum, weil Ich ein Geſpenſt, d. h. einen erſcheinenden Geiſt in Dir erblicke, ſondern aus egoiſtiſcher Luſt: Du ſelbſt mit Deinem Weſen biſt Mir werth, denn Dein Weſen iſt kein höheres, iſt nicht höher und allgemeiner als Du, iſt einzig wie Du ſelber, weil Du es biſt.
Aber nicht bloß der Menſch, ſondern Alles ſpukt. Das höhere Weſen, der Geiſt, der in Allem umgeht, iſt zugleich an Nichts gebunden, und — „erſcheint“ nur darin. Geſpenſt in allen Winkeln!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0064"n="56"/>
höheres Weſen, ſondern reſpectire allein jenes höhere Weſen,<lb/>
das in Dir „umgeht“: Ich „reſpectire in Dir den Menſchen“.<lb/>
So etwas beachteten die Alten nicht in ihren Sklaven, und<lb/>
das höhere Weſen: „der Menſch“ fand noch wenig Anklang.<lb/>
Dagegen ſahen ſie in einander Geſpenſter anderer Art. Das<lb/>
Volk iſt ein höheres Weſen als ein Einzelner, und gleich dem<lb/>
Menſchen oder Menſchengeiſte ein in den Einzelnen ſpukender<lb/>
Geiſt: der Volksgeiſt. Deshalb verehrten ſie dieſen Geiſt, und<lb/>
nur ſo weit er dieſem oder auch einem ihm verwandten Geiſte,<lb/>
z. B. dem Familiengeiſte u. ſ. w. diente, konnte der Einzelne<lb/>
bedeutend erſcheinen; nur um des höheren Weſens, des Vol¬<lb/>
kes, willen, überließ man dem „Volksgliede“ eine Geltung.<lb/>
Wie Du Uns durch „den Menſchen“, der in Dir ſpukt, ge¬<lb/>
heiligt biſt, ſo war man zu jeder Zeit durch irgend ein höheres<lb/>
Weſen, wie Volk, Familie u. dergl. geheiligt. Nur um eines<lb/>
höhern Weſens willen iſt man von jeher geehrt, nur als ein<lb/>
Geſpenſt für eine geheiligte, d. h. geſchützte und anerkannte Per¬<lb/>ſon betrachtet worden. Wenn Ich Dich hege und pflege, weil<lb/>
Ich Dich lieb habe, weil Mein Herz an Dir Nahrung, Mein<lb/>
Bedürfniß Befriedigung findet, ſo geſchieht es nicht um eines<lb/>
höheren Weſens willen, deſſen geheiligter Leib Du biſt, nicht<lb/>
darum, weil Ich ein Geſpenſt, d. h. einen erſcheinenden Geiſt<lb/>
in Dir erblicke, ſondern aus egoiſtiſcher Luſt: Du ſelbſt mit<lb/><hirendition="#g">Deinem</hi> Weſen biſt Mir werth, denn Dein Weſen iſt kein<lb/>
höheres, iſt nicht höher und allgemeiner als Du, iſt einzig<lb/>
wie Du ſelber, weil Du es biſt.</p><lb/><p>Aber nicht bloß der Menſch, ſondern Alles ſpukt. Das<lb/>
höhere Weſen, der Geiſt, der in Allem umgeht, iſt zugleich an<lb/>
Nichts gebunden, und —„erſcheint“ nur darin. Geſpenſt in<lb/>
allen Winkeln!</p><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[56/0064]
höheres Weſen, ſondern reſpectire allein jenes höhere Weſen,
das in Dir „umgeht“: Ich „reſpectire in Dir den Menſchen“.
So etwas beachteten die Alten nicht in ihren Sklaven, und
das höhere Weſen: „der Menſch“ fand noch wenig Anklang.
Dagegen ſahen ſie in einander Geſpenſter anderer Art. Das
Volk iſt ein höheres Weſen als ein Einzelner, und gleich dem
Menſchen oder Menſchengeiſte ein in den Einzelnen ſpukender
Geiſt: der Volksgeiſt. Deshalb verehrten ſie dieſen Geiſt, und
nur ſo weit er dieſem oder auch einem ihm verwandten Geiſte,
z. B. dem Familiengeiſte u. ſ. w. diente, konnte der Einzelne
bedeutend erſcheinen; nur um des höheren Weſens, des Vol¬
kes, willen, überließ man dem „Volksgliede“ eine Geltung.
Wie Du Uns durch „den Menſchen“, der in Dir ſpukt, ge¬
heiligt biſt, ſo war man zu jeder Zeit durch irgend ein höheres
Weſen, wie Volk, Familie u. dergl. geheiligt. Nur um eines
höhern Weſens willen iſt man von jeher geehrt, nur als ein
Geſpenſt für eine geheiligte, d. h. geſchützte und anerkannte Per¬
ſon betrachtet worden. Wenn Ich Dich hege und pflege, weil
Ich Dich lieb habe, weil Mein Herz an Dir Nahrung, Mein
Bedürfniß Befriedigung findet, ſo geſchieht es nicht um eines
höheren Weſens willen, deſſen geheiligter Leib Du biſt, nicht
darum, weil Ich ein Geſpenſt, d. h. einen erſcheinenden Geiſt
in Dir erblicke, ſondern aus egoiſtiſcher Luſt: Du ſelbſt mit
Deinem Weſen biſt Mir werth, denn Dein Weſen iſt kein
höheres, iſt nicht höher und allgemeiner als Du, iſt einzig
wie Du ſelber, weil Du es biſt.
Aber nicht bloß der Menſch, ſondern Alles ſpukt. Das
höhere Weſen, der Geiſt, der in Allem umgeht, iſt zugleich an
Nichts gebunden, und — „erſcheint“ nur darin. Geſpenſt in
allen Winkeln!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/64>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.