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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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gilt die Kritik dafür, so muß gleichfalls ein Gedanke voran¬
stehen. Denken und Kritik könnten nur von sich aus thätig,
müßten selbst die Voraussetzung ihrer Thätigkeit sein, da sie,
ohne zu sein, nicht thätig sein könnten. Das Denken aber,
als Vorausgesetztes, ist ein fixer Gedanke, ein Dogma: Den¬
ken und Kritik könnten also nur von einem Dogma ausge¬
hen, d. h. von einem Gedanken, einer fixen Idee, einer Vor¬
aussetzung.

Wir kommen damit wieder auf das oben Ausgesprochene
zurück, daß das Christenthum in der Entwicklung einer Ge¬
dankenwelt bestehe, oder daß es die eigentliche "Gedankenfrei¬
heit" sei, der "freie Gedanke", der "freie Geist". Die "wahre"
Kritik, die Ich die "dienstbare" nannte, ist daher ebenso die
"freie" Kritik, denn sie ist nicht mein eigen.

Anders verhält es sich, wenn das Deinige nicht zu einem
Fürsichseienden gemacht, nicht personificirt, nicht als ein eige¬
ner "Geist" verselbständigt wird. Dein Denken hat nicht
"das Denken" zur Voraussetzung, sondern Dich. Aber so
setzest Du Dich doch voraus? Ja, aber nicht Mir, sondern
meinem Denken. Vor meinem Denken bin -- Ich. Daraus
folgt, daß meinem Denken nicht ein Gedanke vorhergeht,
oder daß mein Denken ohne eine "Voraussetzung" ist. Denn
die Voraussetzung, welche Ich für mein Denken bin, ist
keine vom Denken gemachte, keine gedachte, sondern ist
das gesetzte Denken selbst, ist der Eigner des Denkens,
und beweist nur, daß das Denken nichts weiter ist, als --
Eigenthum, d. h. daß ein "selbständiges" Denken, ein
"denkender Geist" gar nicht existirt.

Diese Umkehrung der gewöhnlichen Betrachtungsweise
könnte einem leeren Spiel mit Abstractionen so ähnlich sehen,

gilt die Kritik dafür, ſo muß gleichfalls ein Gedanke voran¬
ſtehen. Denken und Kritik könnten nur von ſich aus thätig,
müßten ſelbſt die Vorausſetzung ihrer Thätigkeit ſein, da ſie,
ohne zu ſein, nicht thätig ſein könnten. Das Denken aber,
als Vorausgeſetztes, iſt ein fixer Gedanke, ein Dogma: Den¬
ken und Kritik könnten alſo nur von einem Dogma ausge¬
hen, d. h. von einem Gedanken, einer fixen Idee, einer Vor¬
ausſetzung.

Wir kommen damit wieder auf das oben Ausgeſprochene
zurück, daß das Chriſtenthum in der Entwicklung einer Ge¬
dankenwelt beſtehe, oder daß es die eigentliche „Gedankenfrei¬
heit“ ſei, der „freie Gedanke“, der „freie Geiſt“. Die „wahre“
Kritik, die Ich die „dienſtbare“ nannte, iſt daher ebenſo die
„freie“ Kritik, denn ſie iſt nicht mein eigen.

Anders verhält es ſich, wenn das Deinige nicht zu einem
Fürſichſeienden gemacht, nicht perſonificirt, nicht als ein eige¬
ner „Geiſt“ verſelbſtändigt wird. Dein Denken hat nicht
„das Denken“ zur Vorausſetzung, ſondern Dich. Aber ſo
ſetzeſt Du Dich doch voraus? Ja, aber nicht Mir, ſondern
meinem Denken. Vor meinem Denken bin — Ich. Daraus
folgt, daß meinem Denken nicht ein Gedanke vorhergeht,
oder daß mein Denken ohne eine „Vorausſetzung“ iſt. Denn
die Vorausſetzung, welche Ich für mein Denken bin, iſt
keine vom Denken gemachte, keine gedachte, ſondern iſt
das geſetzte Denken ſelbſt, iſt der Eigner des Denkens,
und beweiſt nur, daß das Denken nichts weiter iſt, als —
Eigenthum, d. h. daß ein „ſelbſtändiges“ Denken, ein
„denkender Geiſt“ gar nicht exiſtirt.

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könnte einem leeren Spiel mit Abſtractionen ſo ähnlich ſehen,

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[470/0478] gilt die Kritik dafür, ſo muß gleichfalls ein Gedanke voran¬ ſtehen. Denken und Kritik könnten nur von ſich aus thätig, müßten ſelbſt die Vorausſetzung ihrer Thätigkeit ſein, da ſie, ohne zu ſein, nicht thätig ſein könnten. Das Denken aber, als Vorausgeſetztes, iſt ein fixer Gedanke, ein Dogma: Den¬ ken und Kritik könnten alſo nur von einem Dogma ausge¬ hen, d. h. von einem Gedanken, einer fixen Idee, einer Vor¬ ausſetzung. Wir kommen damit wieder auf das oben Ausgeſprochene zurück, daß das Chriſtenthum in der Entwicklung einer Ge¬ dankenwelt beſtehe, oder daß es die eigentliche „Gedankenfrei¬ heit“ ſei, der „freie Gedanke“, der „freie Geiſt“. Die „wahre“ Kritik, die Ich die „dienſtbare“ nannte, iſt daher ebenſo die „freie“ Kritik, denn ſie iſt nicht mein eigen. Anders verhält es ſich, wenn das Deinige nicht zu einem Fürſichſeienden gemacht, nicht perſonificirt, nicht als ein eige¬ ner „Geiſt“ verſelbſtändigt wird. Dein Denken hat nicht „das Denken“ zur Vorausſetzung, ſondern Dich. Aber ſo ſetzeſt Du Dich doch voraus? Ja, aber nicht Mir, ſondern meinem Denken. Vor meinem Denken bin — Ich. Daraus folgt, daß meinem Denken nicht ein Gedanke vorhergeht, oder daß mein Denken ohne eine „Vorausſetzung“ iſt. Denn die Vorausſetzung, welche Ich für mein Denken bin, iſt keine vom Denken gemachte, keine gedachte, ſondern iſt das geſetzte Denken ſelbſt, iſt der Eigner des Denkens, und beweiſt nur, daß das Denken nichts weiter iſt, als — Eigenthum, d. h. daß ein „ſelbſtändiges“ Denken, ein „denkender Geiſt“ gar nicht exiſtirt. Dieſe Umkehrung der gewöhnlichen Betrachtungsweiſe könnte einem leeren Spiel mit Abſtractionen ſo ähnlich ſehen,

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/478>, abgerufen am 23.11.2024.