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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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rigkeit der heutigen Zeit ist die Leitung und Beherrschung
des Geistes
. Ehemals erfüllte die Kirche diese Mission,
jetzt ist sie dazu nicht hinreichend. Die Universität ist es, von
der dieser große Dienst erwartet werden muß, und sie wird
nicht ermangeln, ihn zu leisten. Wir, die Regierung, ha¬
ben die Pflicht, sie darin zu unterstützen. Die Charte will
die Freiheit des Gedankens und die des Gewissens." Zu
Gunsten also der Gedanken- und Gewissensfreiheit fordert der
Minister "die Leitung und Beherrschung des Geistes".

Der Katholicismus zog den Examinanden vor das Forum
der Kirchlichkeit, der Protestantismus vor das der biblischen
Christlichkeit. Es wäre nur wenig gebessert, wenn man ihn
vor das der Vernunft zöge, wie z. B. Ruge will*). Ob die
Kirche, die Bibel oder die Vernunft (auf die sich übrigens
schon Luther und Huß beriefen) die heilige Autorität ist,
macht im Wesentlichen keinen Unterschied.

Lösbar wird die "Frage unserer Zeit" noch nicht einmal
dann, wenn man sie so stellt: Ist irgend ein Allgemeines berech¬
tigt oder nur das Einzelne? Ist die Allgemeinheit (wie Staat,
Gesetz, Sitte, Sittlichkeit u. s. w.) berechtigt oder die Einzel¬
heit? Lösbar wird sie erst, wenn man überhaupt nicht mehr
nach einer "Berechtigung" fragt und keinen bloßen Kampf
gegen "Privilegien" führt. -- Eine "vernünftige" Lehrfreiheit,
die "nur das Gewissen der Vernunft anerkennt"**), bringt
Uns nicht zum Ziele; Wir brauchen vielmehr eine egoisti¬
sche
, eine Lehrfreiheit für alle Eigenheit, worin Ich zu einem
Vernehmbaren werde und mich ungehemmt kund geben

*) Anecdota 1, 120.
**) Anecdota 1, 127.

rigkeit der heutigen Zeit iſt die Leitung und Beherrſchung
des Geiſtes
. Ehemals erfüllte die Kirche dieſe Miſſion,
jetzt iſt ſie dazu nicht hinreichend. Die Univerſität iſt es, von
der dieſer große Dienſt erwartet werden muß, und ſie wird
nicht ermangeln, ihn zu leiſten. Wir, die Regierung, ha¬
ben die Pflicht, ſie darin zu unterſtützen. Die Charte will
die Freiheit des Gedankens und die des Gewiſſens.“ Zu
Gunſten alſo der Gedanken- und Gewiſſensfreiheit fordert der
Miniſter „die Leitung und Beherrſchung des Geiſtes“.

Der Katholicismus zog den Examinanden vor das Forum
der Kirchlichkeit, der Proteſtantismus vor das der bibliſchen
Chriſtlichkeit. Es wäre nur wenig gebeſſert, wenn man ihn
vor das der Vernunft zöge, wie z. B. Ruge will*). Ob die
Kirche, die Bibel oder die Vernunft (auf die ſich übrigens
ſchon Luther und Huß beriefen) die heilige Autorität iſt,
macht im Weſentlichen keinen Unterſchied.

Lösbar wird die „Frage unſerer Zeit“ noch nicht einmal
dann, wenn man ſie ſo ſtellt: Iſt irgend ein Allgemeines berech¬
tigt oder nur das Einzelne? Iſt die Allgemeinheit (wie Staat,
Geſetz, Sitte, Sittlichkeit u. ſ. w.) berechtigt oder die Einzel¬
heit? Lösbar wird ſie erſt, wenn man überhaupt nicht mehr
nach einer „Berechtigung“ fragt und keinen bloßen Kampf
gegen „Privilegien“ führt. — Eine „vernünftige“ Lehrfreiheit,
die „nur das Gewiſſen der Vernunft anerkennt“**), bringt
Uns nicht zum Ziele; Wir brauchen vielmehr eine egoiſti¬
ſche
, eine Lehrfreiheit für alle Eigenheit, worin Ich zu einem
Vernehmbaren werde und mich ungehemmt kund geben

*) Anecdota 1, 120.
**) Anecdota 1, 127.
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[461/0469] rigkeit der heutigen Zeit iſt die Leitung und Beherrſchung des Geiſtes. Ehemals erfüllte die Kirche dieſe Miſſion, jetzt iſt ſie dazu nicht hinreichend. Die Univerſität iſt es, von der dieſer große Dienſt erwartet werden muß, und ſie wird nicht ermangeln, ihn zu leiſten. Wir, die Regierung, ha¬ ben die Pflicht, ſie darin zu unterſtützen. Die Charte will die Freiheit des Gedankens und die des Gewiſſens.“ Zu Gunſten alſo der Gedanken- und Gewiſſensfreiheit fordert der Miniſter „die Leitung und Beherrſchung des Geiſtes“. Der Katholicismus zog den Examinanden vor das Forum der Kirchlichkeit, der Proteſtantismus vor das der bibliſchen Chriſtlichkeit. Es wäre nur wenig gebeſſert, wenn man ihn vor das der Vernunft zöge, wie z. B. Ruge will *). Ob die Kirche, die Bibel oder die Vernunft (auf die ſich übrigens ſchon Luther und Huß beriefen) die heilige Autorität iſt, macht im Weſentlichen keinen Unterſchied. Lösbar wird die „Frage unſerer Zeit“ noch nicht einmal dann, wenn man ſie ſo ſtellt: Iſt irgend ein Allgemeines berech¬ tigt oder nur das Einzelne? Iſt die Allgemeinheit (wie Staat, Geſetz, Sitte, Sittlichkeit u. ſ. w.) berechtigt oder die Einzel¬ heit? Lösbar wird ſie erſt, wenn man überhaupt nicht mehr nach einer „Berechtigung“ fragt und keinen bloßen Kampf gegen „Privilegien“ führt. — Eine „vernünftige“ Lehrfreiheit, die „nur das Gewiſſen der Vernunft anerkennt“ **), bringt Uns nicht zum Ziele; Wir brauchen vielmehr eine egoiſti¬ ſche, eine Lehrfreiheit für alle Eigenheit, worin Ich zu einem Vernehmbaren werde und mich ungehemmt kund geben *) Anecdota 1, 120. **) Anecdota 1, 127.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/469>, abgerufen am 23.11.2024.