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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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ihre Anwendung vermißt, da kann man auch ihrer Abwesenheit
gewiß sein. Man kann aus einem Steine Feuer schlagen,
aber ohne den Schlag kommt keines heraus; in gleicher Art
bedarf auch ein Mensch des "Anstoßes".

Darum nun, weil Kräfte sich stets von selbst werkthätig
erweisen, wäre das Gebot, sie zu gebrauchen, überflüssig und
sinnlos. Seine Kräfte zu gebrauchen ist nicht der Beruf und
die Aufgabe des Menschen, sondern es ist seine allezeit wirk¬
liche, vorhandene That. Kraft ist nur ein einfacheres Wort
für Kraftäußerung.

Wie nun diese Rose von vorn herein wahre Rose, diese
Nachtigall stets wahre Nachtigall ist, so bin Ich nicht erst
wahrer Mensch, wenn Ich meinen Beruf erfülle, meiner Be¬
stimmung nachlebe, sondern Ich bin von Haus "wahrer
Mensch". Mein erstes Lallen ist das Lebenszeichen eines
"wahren Menschen", meine Lebenskämpfe seine Kraftergüsse,
mein letzter Athemzug das letzte Kraftaushauchen "des Menschen".

Nicht in der Zukunft, ein Gegenstand der Sehnsucht, liegt
der wahre Mensch, sondern daseiend und wirklich liegt er in
der Gegenwart. Wie und wer Ich auch sei, freudvoll und
leidvoll, ein Kind oder ein Greis, in Zuversicht oder Zweifel,
im Schlaf oder im Wachen, Ich bin es, Ich bin der wahre
Mensch.

Bin Ich aber der Mensch und habe Ich ihn, den die
religiöse Menschheit als fernes Ziel bezeichnete, wirklich in
Mir gefunden, so ist auch alles "wahrhaft Menschliche" mein
eigen
. Was man der Idee der Menschheit zuschrieb, das
gehört Mir. Jene Handelsfreiheit z. B., welche die Mensch¬
heit erst erreichen soll, und die man wie einen bezaubernden
Traum in ihre goldene Zukunft versetzt, Ich nehme sie Mir

ihre Anwendung vermißt, da kann man auch ihrer Abweſenheit
gewiß ſein. Man kann aus einem Steine Feuer ſchlagen,
aber ohne den Schlag kommt keines heraus; in gleicher Art
bedarf auch ein Menſch des „Anſtoßes“.

Darum nun, weil Kräfte ſich ſtets von ſelbſt werkthätig
erweiſen, wäre das Gebot, ſie zu gebrauchen, überflüſſig und
ſinnlos. Seine Kräfte zu gebrauchen iſt nicht der Beruf und
die Aufgabe des Menſchen, ſondern es iſt ſeine allezeit wirk¬
liche, vorhandene That. Kraft iſt nur ein einfacheres Wort
für Kraftäußerung.

Wie nun dieſe Roſe von vorn herein wahre Roſe, dieſe
Nachtigall ſtets wahre Nachtigall iſt, ſo bin Ich nicht erſt
wahrer Menſch, wenn Ich meinen Beruf erfülle, meiner Be¬
ſtimmung nachlebe, ſondern Ich bin von Haus „wahrer
Menſch“. Mein erſtes Lallen iſt das Lebenszeichen eines
„wahren Menſchen“, meine Lebenskämpfe ſeine Kraftergüſſe,
mein letzter Athemzug das letzte Kraftaushauchen „des Menſchen“.

Nicht in der Zukunft, ein Gegenſtand der Sehnſucht, liegt
der wahre Menſch, ſondern daſeiend und wirklich liegt er in
der Gegenwart. Wie und wer Ich auch ſei, freudvoll und
leidvoll, ein Kind oder ein Greis, in Zuverſicht oder Zweifel,
im Schlaf oder im Wachen, Ich bin es, Ich bin der wahre
Menſch.

Bin Ich aber der Menſch und habe Ich ihn, den die
religiöſe Menſchheit als fernes Ziel bezeichnete, wirklich in
Mir gefunden, ſo iſt auch alles „wahrhaft Menſchliche“ mein
eigen
. Was man der Idee der Menſchheit zuſchrieb, das
gehört Mir. Jene Handelsfreiheit z. B., welche die Menſch¬
heit erſt erreichen ſoll, und die man wie einen bezaubernden
Traum in ihre goldene Zukunft verſetzt, Ich nehme ſie Mir

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[437/0445] ihre Anwendung vermißt, da kann man auch ihrer Abweſenheit gewiß ſein. Man kann aus einem Steine Feuer ſchlagen, aber ohne den Schlag kommt keines heraus; in gleicher Art bedarf auch ein Menſch des „Anſtoßes“. Darum nun, weil Kräfte ſich ſtets von ſelbſt werkthätig erweiſen, wäre das Gebot, ſie zu gebrauchen, überflüſſig und ſinnlos. Seine Kräfte zu gebrauchen iſt nicht der Beruf und die Aufgabe des Menſchen, ſondern es iſt ſeine allezeit wirk¬ liche, vorhandene That. Kraft iſt nur ein einfacheres Wort für Kraftäußerung. Wie nun dieſe Roſe von vorn herein wahre Roſe, dieſe Nachtigall ſtets wahre Nachtigall iſt, ſo bin Ich nicht erſt wahrer Menſch, wenn Ich meinen Beruf erfülle, meiner Be¬ ſtimmung nachlebe, ſondern Ich bin von Haus „wahrer Menſch“. Mein erſtes Lallen iſt das Lebenszeichen eines „wahren Menſchen“, meine Lebenskämpfe ſeine Kraftergüſſe, mein letzter Athemzug das letzte Kraftaushauchen „des Menſchen“. Nicht in der Zukunft, ein Gegenſtand der Sehnſucht, liegt der wahre Menſch, ſondern daſeiend und wirklich liegt er in der Gegenwart. Wie und wer Ich auch ſei, freudvoll und leidvoll, ein Kind oder ein Greis, in Zuverſicht oder Zweifel, im Schlaf oder im Wachen, Ich bin es, Ich bin der wahre Menſch. Bin Ich aber der Menſch und habe Ich ihn, den die religiöſe Menſchheit als fernes Ziel bezeichnete, wirklich in Mir gefunden, ſo iſt auch alles „wahrhaft Menſchliche“ mein eigen. Was man der Idee der Menſchheit zuſchrieb, das gehört Mir. Jene Handelsfreiheit z. B., welche die Menſch¬ heit erſt erreichen ſoll, und die man wie einen bezaubernden Traum in ihre goldene Zukunft verſetzt, Ich nehme ſie Mir

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/445>, abgerufen am 23.11.2024.