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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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nicht Ideen beibringen könnte. Daher hält man gewöhnlich
alle Menschen für fähig, Religion zu haben. In einem ge¬
wissen Grade sind sie auch zu andern Ideen noch abzurichten,
z. B. zu einigem musikalischen Verständniß, selbst etwas Phi¬
sophie u. s. w. Hier knüpft denn das Pfaffenthum der Reli¬
gion, der Sittlichkeit, der Bildung, der Wissenschaft u. s. w.
an, und die Communisten z. B. wollen durch ihre "Volks¬
schule" Allen alles zugänglich machen. Eine gewöhnliche Be¬
hauptung wird gehört, daß diese "große Masse" ohne Religion
nicht auskommen könne; die Communisten erweitern sie zu dem
Satze, daß nicht nur die "große Masse", sondern schlechthin
Alle zu Allem berufen seien.

Nicht genug, daß man die große Masse zur Religion ab¬
gerichtet hat, nun soll sie gar mit "allem Menschlichen" sich
noch befassen müssen. Die Dressur wird immer allgemeiner
und umfassender.

Ihr armen Wesen, die Ihr so glücklich leben könntet,
wenn Ihr nach eurem Sinne Sprünge machen dürftet, Ihr
sollt nach der Pfeife der Schulmeister und Bärenführer tanzen,
um Kunststücke zu machen, zu denen Ihr selbst Euch nimmer¬
mehr gebrauchen würdet. Und Ihr schlagt nicht endlich einmal
dagegen aus, daß man Euch immer anders nimmt, als Ihr Euch
geben wollt. Nein, Ihr sprecht Euch die vorgesprochene Frage
mechanisch selber vor: "Wozu bin Ich berufen? Was soll
Ich?" So braucht Ihr nur zu fragen, um Euch sagen und
befehlen zu lassen, was Ihr sollt, euren Beruf Euch vor¬
zeichnen zu lassen, oder auch es Euch selbst nach der Vorschrift
des Geistes zu befehlen und aufzuerlegen. Da heißt es denn
in Bezug auf den Willen: Ich will, was Ich soll.

Ein Mensch ist zu nichts "berufen" und hat keine "Auf¬

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nicht Ideen beibringen könnte. Daher hält man gewöhnlich
alle Menſchen für fähig, Religion zu haben. In einem ge¬
wiſſen Grade ſind ſie auch zu andern Ideen noch abzurichten,
z. B. zu einigem muſikaliſchen Verſtändniß, ſelbſt etwas Phi¬
ſophie u. ſ. w. Hier knüpft denn das Pfaffenthum der Reli¬
gion, der Sittlichkeit, der Bildung, der Wiſſenſchaft u. ſ. w.
an, und die Communiſten z. B. wollen durch ihre „Volks¬
ſchule“ Allen alles zugänglich machen. Eine gewöhnliche Be¬
hauptung wird gehört, daß dieſe „große Maſſe“ ohne Religion
nicht auskommen könne; die Communiſten erweitern ſie zu dem
Satze, daß nicht nur die „große Maſſe“, ſondern ſchlechthin
Alle zu Allem berufen ſeien.

Nicht genug, daß man die große Maſſe zur Religion ab¬
gerichtet hat, nun ſoll ſie gar mit „allem Menſchlichen“ ſich
noch befaſſen müſſen. Die Dreſſur wird immer allgemeiner
und umfaſſender.

Ihr armen Weſen, die Ihr ſo glücklich leben könntet,
wenn Ihr nach eurem Sinne Sprünge machen dürftet, Ihr
ſollt nach der Pfeife der Schulmeiſter und Bärenführer tanzen,
um Kunſtſtücke zu machen, zu denen Ihr ſelbſt Euch nimmer¬
mehr gebrauchen würdet. Und Ihr ſchlagt nicht endlich einmal
dagegen aus, daß man Euch immer anders nimmt, als Ihr Euch
geben wollt. Nein, Ihr ſprecht Euch die vorgeſprochene Frage
mechaniſch ſelber vor: „Wozu bin Ich berufen? Was ſoll
Ich?“ So braucht Ihr nur zu fragen, um Euch ſagen und
befehlen zu laſſen, was Ihr ſollt, euren Beruf Euch vor¬
zeichnen zu laſſen, oder auch es Euch ſelbſt nach der Vorſchrift
des Geiſtes zu befehlen und aufzuerlegen. Da heißt es denn
in Bezug auf den Willen: Ich will, was Ich ſoll.

Ein Menſch iſt zu nichts „berufen“ und hat keine „Auf¬

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[435/0443] nicht Ideen beibringen könnte. Daher hält man gewöhnlich alle Menſchen für fähig, Religion zu haben. In einem ge¬ wiſſen Grade ſind ſie auch zu andern Ideen noch abzurichten, z. B. zu einigem muſikaliſchen Verſtändniß, ſelbſt etwas Phi¬ ſophie u. ſ. w. Hier knüpft denn das Pfaffenthum der Reli¬ gion, der Sittlichkeit, der Bildung, der Wiſſenſchaft u. ſ. w. an, und die Communiſten z. B. wollen durch ihre „Volks¬ ſchule“ Allen alles zugänglich machen. Eine gewöhnliche Be¬ hauptung wird gehört, daß dieſe „große Maſſe“ ohne Religion nicht auskommen könne; die Communiſten erweitern ſie zu dem Satze, daß nicht nur die „große Maſſe“, ſondern ſchlechthin Alle zu Allem berufen ſeien. Nicht genug, daß man die große Maſſe zur Religion ab¬ gerichtet hat, nun ſoll ſie gar mit „allem Menſchlichen“ ſich noch befaſſen müſſen. Die Dreſſur wird immer allgemeiner und umfaſſender. Ihr armen Weſen, die Ihr ſo glücklich leben könntet, wenn Ihr nach eurem Sinne Sprünge machen dürftet, Ihr ſollt nach der Pfeife der Schulmeiſter und Bärenführer tanzen, um Kunſtſtücke zu machen, zu denen Ihr ſelbſt Euch nimmer¬ mehr gebrauchen würdet. Und Ihr ſchlagt nicht endlich einmal dagegen aus, daß man Euch immer anders nimmt, als Ihr Euch geben wollt. Nein, Ihr ſprecht Euch die vorgeſprochene Frage mechaniſch ſelber vor: „Wozu bin Ich berufen? Was ſoll Ich?“ So braucht Ihr nur zu fragen, um Euch ſagen und befehlen zu laſſen, was Ihr ſollt, euren Beruf Euch vor¬ zeichnen zu laſſen, oder auch es Euch ſelbſt nach der Vorſchrift des Geiſtes zu befehlen und aufzuerlegen. Da heißt es denn in Bezug auf den Willen: Ich will, was Ich ſoll. Ein Menſch iſt zu nichts „berufen“ und hat keine „Auf¬ 28 *

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/443>, abgerufen am 23.11.2024.