Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

d. h. alles zu einem Gespenste macht, und sich dazu als zu
einem Gespenste verhält, welches man zwar in seiner Erschei¬
nung verscheuchen, aber nicht tödten kann. Menschlich ist es,
das Einzelne nicht als Einzelnes, sondem als ein Allgemeines
anzuschauen.

An der Natur als solcher, respectire Ich nichts mehr,
sondern weiß Mich gegen sie zu Allem berechtigt; dagegen an
dem Baume in jenem Garten muß Ich die Fremdheit re¬
spectiren (einseitiger Weise sagt man: "das Eigenthum"),
muß meine Hand von ihm lassen. Das nimmt ein Ende
nur dann, wenn Ich jenen Baum zwar einem Andern über¬
lassen kann, wie Ich meinen Stock u. s. w. einem Andern
überlasse, aber nicht von vornherein ihn als Mir fremd, d. h.
heilig, betrachte. Vielmehr mache Ich Mir kein Verbrechen
daraus, ihn zu fällen, wenn Ich will, und er bleibt mein
Eigenthum, auf so lange Ich ihn auch Andern abtrete: er ist
und bleibt mein. In dem Vermögen des Banquiers sehe
Ich so wenig etwas Fremdes, als Napoleon in den Ländern
der Könige: Wir tragen keine Scheu, es zu "erobern",
und sehen Uns auch nach den Mitteln dazu um. Wir strei¬
fen ihm also den Geist der Fremdheit ab, vor dem Wir
Uns gefürchtet hatten.

Darum ist es nothwendig, daß Ich nichts mehr als
Mensch
in Anspruch nehme, sondern alles als Ich, dieser
Ich, mithin nichts Menschliches, sondem das Meinige, d. h.
nichts, was Mir als Mensch zukommt, sondern -- was Ich
will und weil Ich's will.

Rechtliches oder rechtmäßiges Eigenthum eines Andern
wird nur dasjenige sein, wovon Dir's recht ist, daß es sein
Eigenthum sei. Hört es auf, Dir recht zu sein, so hat es

24

d. h. alles zu einem Geſpenſte macht, und ſich dazu als zu
einem Geſpenſte verhält, welches man zwar in ſeiner Erſchei¬
nung verſcheuchen, aber nicht tödten kann. Menſchlich iſt es,
das Einzelne nicht als Einzelnes, ſondem als ein Allgemeines
anzuſchauen.

An der Natur als ſolcher, reſpectire Ich nichts mehr,
ſondern weiß Mich gegen ſie zu Allem berechtigt; dagegen an
dem Baume in jenem Garten muß Ich die Fremdheit re¬
ſpectiren (einſeitiger Weiſe ſagt man: „das Eigenthum“),
muß meine Hand von ihm laſſen. Das nimmt ein Ende
nur dann, wenn Ich jenen Baum zwar einem Andern über¬
laſſen kann, wie Ich meinen Stock u. ſ. w. einem Andern
überlaſſe, aber nicht von vornherein ihn als Mir fremd, d. h.
heilig, betrachte. Vielmehr mache Ich Mir kein Verbrechen
daraus, ihn zu fällen, wenn Ich will, und er bleibt mein
Eigenthum, auf ſo lange Ich ihn auch Andern abtrete: er iſt
und bleibt mein. In dem Vermögen des Banquiers ſehe
Ich ſo wenig etwas Fremdes, als Napoleon in den Ländern
der Könige: Wir tragen keine Scheu, es zu „erobern“,
und ſehen Uns auch nach den Mitteln dazu um. Wir ſtrei¬
fen ihm alſo den Geiſt der Fremdheit ab, vor dem Wir
Uns gefürchtet hatten.

Darum iſt es nothwendig, daß Ich nichts mehr als
Menſch
in Anſpruch nehme, ſondern alles als Ich, dieſer
Ich, mithin nichts Menſchliches, ſondem das Meinige, d. h.
nichts, was Mir als Menſch zukommt, ſondern — was Ich
will und weil Ich's will.

Rechtliches oder rechtmäßiges Eigenthum eines Andern
wird nur dasjenige ſein, wovon Dir's recht iſt, daß es ſein
Eigenthum ſei. Hört es auf, Dir recht zu ſein, ſo hat es

24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0377" n="369"/>
d. h. alles zu einem Ge&#x017F;pen&#x017F;te macht, und &#x017F;ich dazu als zu<lb/>
einem Ge&#x017F;pen&#x017F;te verhält, welches man zwar in &#x017F;einer Er&#x017F;chei¬<lb/>
nung ver&#x017F;cheuchen, aber nicht tödten kann. Men&#x017F;chlich i&#x017F;t es,<lb/>
das Einzelne nicht als Einzelnes, &#x017F;ondem als ein Allgemeines<lb/>
anzu&#x017F;chauen.</p><lb/>
            <p>An der Natur als &#x017F;olcher, re&#x017F;pectire Ich nichts mehr,<lb/>
&#x017F;ondern weiß Mich gegen &#x017F;ie zu Allem berechtigt; dagegen an<lb/>
dem Baume in jenem Garten muß Ich die <hi rendition="#g">Fremdheit</hi> re¬<lb/>
&#x017F;pectiren (ein&#x017F;eitiger Wei&#x017F;e &#x017F;agt man: &#x201E;das Eigenthum&#x201C;),<lb/>
muß meine Hand von ihm la&#x017F;&#x017F;en. Das nimmt ein Ende<lb/>
nur dann, wenn Ich jenen Baum zwar einem Andern über¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en kann, wie Ich meinen Stock u. &#x017F;. w. einem Andern<lb/>
überla&#x017F;&#x017F;e, aber nicht von vornherein ihn als Mir fremd, d. h.<lb/>
heilig, betrachte. Vielmehr mache Ich Mir kein <hi rendition="#g">Verbrechen</hi><lb/>
daraus, ihn zu fällen, wenn Ich will, und er bleibt mein<lb/>
Eigenthum, auf &#x017F;o lange Ich ihn auch Andern abtrete: er i&#x017F;t<lb/>
und bleibt <hi rendition="#g">mein</hi>. In dem Vermögen des Banquiers &#x017F;ehe<lb/>
Ich &#x017F;o wenig etwas Fremdes, als Napoleon in den Ländern<lb/>
der Könige: Wir tragen keine <hi rendition="#g">Scheu</hi>, es zu &#x201E;<hi rendition="#g">erobern</hi>&#x201C;,<lb/>
und &#x017F;ehen Uns auch nach den Mitteln dazu um. Wir &#x017F;trei¬<lb/>
fen ihm al&#x017F;o den <hi rendition="#g">Gei&#x017F;t</hi> der <hi rendition="#g">Fremdheit</hi> ab, vor dem Wir<lb/>
Uns gefürchtet hatten.</p><lb/>
            <p>Darum i&#x017F;t es nothwendig, daß Ich nichts mehr <hi rendition="#g">als<lb/>
Men&#x017F;ch</hi> in An&#x017F;pruch nehme, &#x017F;ondern alles als Ich, die&#x017F;er<lb/>
Ich, mithin nichts Men&#x017F;chliches, &#x017F;ondem das Meinige, d. h.<lb/>
nichts, was Mir als Men&#x017F;ch zukommt, &#x017F;ondern &#x2014; was Ich<lb/>
will und weil Ich's will.</p><lb/>
            <p>Rechtliches oder rechtmäßiges Eigenthum eines Andern<lb/>
wird nur dasjenige &#x017F;ein, wovon <hi rendition="#g">Dir's</hi> recht i&#x017F;t, daß es &#x017F;ein<lb/>
Eigenthum &#x017F;ei. Hört es auf, Dir recht zu &#x017F;ein, &#x017F;o hat es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">24<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0377] d. h. alles zu einem Geſpenſte macht, und ſich dazu als zu einem Geſpenſte verhält, welches man zwar in ſeiner Erſchei¬ nung verſcheuchen, aber nicht tödten kann. Menſchlich iſt es, das Einzelne nicht als Einzelnes, ſondem als ein Allgemeines anzuſchauen. An der Natur als ſolcher, reſpectire Ich nichts mehr, ſondern weiß Mich gegen ſie zu Allem berechtigt; dagegen an dem Baume in jenem Garten muß Ich die Fremdheit re¬ ſpectiren (einſeitiger Weiſe ſagt man: „das Eigenthum“), muß meine Hand von ihm laſſen. Das nimmt ein Ende nur dann, wenn Ich jenen Baum zwar einem Andern über¬ laſſen kann, wie Ich meinen Stock u. ſ. w. einem Andern überlaſſe, aber nicht von vornherein ihn als Mir fremd, d. h. heilig, betrachte. Vielmehr mache Ich Mir kein Verbrechen daraus, ihn zu fällen, wenn Ich will, und er bleibt mein Eigenthum, auf ſo lange Ich ihn auch Andern abtrete: er iſt und bleibt mein. In dem Vermögen des Banquiers ſehe Ich ſo wenig etwas Fremdes, als Napoleon in den Ländern der Könige: Wir tragen keine Scheu, es zu „erobern“, und ſehen Uns auch nach den Mitteln dazu um. Wir ſtrei¬ fen ihm alſo den Geiſt der Fremdheit ab, vor dem Wir Uns gefürchtet hatten. Darum iſt es nothwendig, daß Ich nichts mehr als Menſch in Anſpruch nehme, ſondern alles als Ich, dieſer Ich, mithin nichts Menſchliches, ſondem das Meinige, d. h. nichts, was Mir als Menſch zukommt, ſondern — was Ich will und weil Ich's will. Rechtliches oder rechtmäßiges Eigenthum eines Andern wird nur dasjenige ſein, wovon Dir's recht iſt, daß es ſein Eigenthum ſei. Hört es auf, Dir recht zu ſein, ſo hat es 24

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/377
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/377>, abgerufen am 23.11.2024.