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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Wozu? Um seiner als des Einzigen froh zu werden,
nachdem er als Mensch das Seinige gethan hat!

In der ersten Freude darüber, nach allem Menschlichen
die Hand ausstrecken zu dürfen, vergaß man, noch sonst etwas
zu wollen, und concurrirte frisch drauf los, als wäre der Be¬
sitz des Menschlichen das Ziel aller unserer Wünsche.

Man hat sich aber müde gerannt und merkt nachgerade,
daß "der Besitz nicht glücklich macht". Darum denkt man
darauf, das Nöthige leichteren Kaufes zu erhalten und nur so
viel Zeit und Mühe darauf zu verwenden, als seine Unent¬
behrlichkeit erheischt. Der Reichthum sinkt im Preise und die
zufriedene Armuth, der sorglose Lump, wird zum verführerischen
Ideal.

Solche menschliche Thätigkeiten, die sich Jeder zutraut,
sollten theuer honorirt und mit Mühe und Aufwand aller Le¬
benskräfte gesucht werden? Schon in der alltäglichen Redens¬
art: "Wenn Ich nur Minister oder gar der . . . . wäre, da
sollte es ganz anders hergehen" drückt sich jene Zuversicht aus,
daß man sich für fähig halte, einen solchen Würdenträger vor¬
zustellen; man spürt wohl, daß zu dergleichen nicht die Einzig¬
keit, sondern nur eine, wenn auch nicht gerade Allen, so doch
Vielen erreichbare Bildung gehöre, d.h. daß man zu so etwas
nur ein gewöhnlicher Mensch zu sein brauche.

Nehmen Wir an, daß, wie die Ordnung zum Wesen
des Staates gehört, so auch die Unterordnung in seiner
Natur gegründet ist, so sehen Wir, daß von den Untergeord¬
neten oder Bevorzugten die Zurückgesetzten unverhältnißmäßig
übertheuert und übervortheilt werden. Doch die Letz¬
tern ermannen sich, zunächst vom socialistischen Standpunkte
aus, später aber gewiß mit egoistischem Bewußtsein, von dem

Wozu? Um ſeiner als des Einzigen froh zu werden,
nachdem er als Menſch das Seinige gethan hat!

In der erſten Freude darüber, nach allem Menſchlichen
die Hand ausſtrecken zu dürfen, vergaß man, noch ſonſt etwas
zu wollen, und concurrirte friſch drauf los, als wäre der Be¬
ſitz des Menſchlichen das Ziel aller unſerer Wünſche.

Man hat ſich aber müde gerannt und merkt nachgerade,
daß „der Beſitz nicht glücklich macht“. Darum denkt man
darauf, das Nöthige leichteren Kaufes zu erhalten und nur ſo
viel Zeit und Mühe darauf zu verwenden, als ſeine Unent¬
behrlichkeit erheiſcht. Der Reichthum ſinkt im Preiſe und die
zufriedene Armuth, der ſorgloſe Lump, wird zum verführeriſchen
Ideal.

Solche menſchliche Thätigkeiten, die ſich Jeder zutraut,
ſollten theuer honorirt und mit Mühe und Aufwand aller Le¬
benskräfte geſucht werden? Schon in der alltäglichen Redens¬
art: „Wenn Ich nur Miniſter oder gar der . . . . wäre, da
ſollte es ganz anders hergehen“ drückt ſich jene Zuverſicht aus,
daß man ſich für fähig halte, einen ſolchen Würdenträger vor¬
zuſtellen; man ſpürt wohl, daß zu dergleichen nicht die Einzig¬
keit, ſondern nur eine, wenn auch nicht gerade Allen, ſo doch
Vielen erreichbare Bildung gehöre, d.h. daß man zu ſo etwas
nur ein gewöhnlicher Menſch zu ſein brauche.

Nehmen Wir an, daß, wie die Ordnung zum Weſen
des Staates gehört, ſo auch die Unterordnung in ſeiner
Natur gegründet iſt, ſo ſehen Wir, daß von den Untergeord¬
neten oder Bevorzugten die Zurückgeſetzten unverhältnißmäßig
übertheuert und übervortheilt werden. Doch die Letz¬
tern ermannen ſich, zunächſt vom ſocialiſtiſchen Standpunkte
aus, ſpäter aber gewiß mit egoiſtiſchem Bewußtſein, von dem

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[357/0365] Wozu? Um ſeiner als des Einzigen froh zu werden, nachdem er als Menſch das Seinige gethan hat! In der erſten Freude darüber, nach allem Menſchlichen die Hand ausſtrecken zu dürfen, vergaß man, noch ſonſt etwas zu wollen, und concurrirte friſch drauf los, als wäre der Be¬ ſitz des Menſchlichen das Ziel aller unſerer Wünſche. Man hat ſich aber müde gerannt und merkt nachgerade, daß „der Beſitz nicht glücklich macht“. Darum denkt man darauf, das Nöthige leichteren Kaufes zu erhalten und nur ſo viel Zeit und Mühe darauf zu verwenden, als ſeine Unent¬ behrlichkeit erheiſcht. Der Reichthum ſinkt im Preiſe und die zufriedene Armuth, der ſorgloſe Lump, wird zum verführeriſchen Ideal. Solche menſchliche Thätigkeiten, die ſich Jeder zutraut, ſollten theuer honorirt und mit Mühe und Aufwand aller Le¬ benskräfte geſucht werden? Schon in der alltäglichen Redens¬ art: „Wenn Ich nur Miniſter oder gar der . . . . wäre, da ſollte es ganz anders hergehen“ drückt ſich jene Zuverſicht aus, daß man ſich für fähig halte, einen ſolchen Würdenträger vor¬ zuſtellen; man ſpürt wohl, daß zu dergleichen nicht die Einzig¬ keit, ſondern nur eine, wenn auch nicht gerade Allen, ſo doch Vielen erreichbare Bildung gehöre, d.h. daß man zu ſo etwas nur ein gewöhnlicher Menſch zu ſein brauche. Nehmen Wir an, daß, wie die Ordnung zum Weſen des Staates gehört, ſo auch die Unterordnung in ſeiner Natur gegründet iſt, ſo ſehen Wir, daß von den Untergeord¬ neten oder Bevorzugten die Zurückgeſetzten unverhältnißmäßig übertheuert und übervortheilt werden. Doch die Letz¬ tern ermannen ſich, zunächſt vom ſocialiſtiſchen Standpunkte aus, ſpäter aber gewiß mit egoiſtiſchem Bewußtſein, von dem

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/365>, abgerufen am 23.11.2024.