Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

selbst zu verwerthen. Ich bin der Todfeind des Staates,
der stets in der Alternative schwebt: Er oder Ich. Darum
hält er strenge darauf, nicht nur Mich nicht gelten zu lassen,
sondern auch das Meinige zu hintertreiben. Im Staate
giebt es kein -- Eigenthum, d. h. kein Eigenthum des Ein¬
zelnen, sondern nur Staatseigenthum. Nur durch den Staat
habe Ich, was Ich habe, wie Ich nur durch ihn bin, was Ich
bin. Mein Privateigenthum ist nur dasjenige, was der Staat
Mir von dem Seinigen überläßt, indem er andere Staats¬
glieder darum verkürzt (privirt): es ist Staatseigenthum.

Im Gegensatze aber zum Staate, fühle Ich immer deut¬
licher, daß Mir noch eine große Gewalt übrig bleibt, die Ge¬
walt über Mich selbst, d. h. über alles, was nur Mir eignet
und nur ist, indem es mein eigen ist.

Was fange Ich an, wenn meine Wege nicht mehr seine
Wege, meine Gedanken nicht mehr seine Gedanken sind? Ich
halte auf Mich, und frage nichts nach ihm! An meinen
Gedanken, die Ich durch keine Beistimmung, Gewährung oder
Gnade sanctioniren lasse, habe Ich mein wirkliches Eigenthum,
ein Eigenthum, mit dem Ich Handel treiben kann. Denn als
das Meine sind sie meine Geschöpfe, und Ich bin im Stande,
sie wegzugeben gegen andere Gedanken: Ich gebe sie auf
und tausche andere für sie ein, die dann mein neues erkauftes
Eigenthum sind.

Was ist also mein Eigenthum? Nichts als was in
meiner Gewalt ist! Zu welchem Eigenthum bin Ich be¬
rechtigt? Zu jedem, zu welchem Ich Mich -- ermächtige.
Das Eigenthums-Recht gebe Ich Mir, indem Ich Mir Eigen¬
thum nehme, oder Mir die Macht des Eigenthümers, die Voll¬
macht, die Ermächtigung gebe.

22 *

ſelbſt zu verwerthen. Ich bin der Todfeind des Staates,
der ſtets in der Alternative ſchwebt: Er oder Ich. Darum
hält er ſtrenge darauf, nicht nur Mich nicht gelten zu laſſen,
ſondern auch das Meinige zu hintertreiben. Im Staate
giebt es kein — Eigenthum, d. h. kein Eigenthum des Ein¬
zelnen, ſondern nur Staatseigenthum. Nur durch den Staat
habe Ich, was Ich habe, wie Ich nur durch ihn bin, was Ich
bin. Mein Privateigenthum iſt nur dasjenige, was der Staat
Mir von dem Seinigen überläßt, indem er andere Staats¬
glieder darum verkürzt (privirt): es iſt Staatseigenthum.

Im Gegenſatze aber zum Staate, fühle Ich immer deut¬
licher, daß Mir noch eine große Gewalt übrig bleibt, die Ge¬
walt über Mich ſelbſt, d. h. über alles, was nur Mir eignet
und nur iſt, indem es mein eigen iſt.

Was fange Ich an, wenn meine Wege nicht mehr ſeine
Wege, meine Gedanken nicht mehr ſeine Gedanken ſind? Ich
halte auf Mich, und frage nichts nach ihm! An meinen
Gedanken, die Ich durch keine Beiſtimmung, Gewährung oder
Gnade ſanctioniren laſſe, habe Ich mein wirkliches Eigenthum,
ein Eigenthum, mit dem Ich Handel treiben kann. Denn als
das Meine ſind ſie meine Geſchöpfe, und Ich bin im Stande,
ſie wegzugeben gegen andere Gedanken: Ich gebe ſie auf
und tauſche andere für ſie ein, die dann mein neues erkauftes
Eigenthum ſind.

Was iſt alſo mein Eigenthum? Nichts als was in
meiner Gewalt iſt! Zu welchem Eigenthum bin Ich be¬
rechtigt? Zu jedem, zu welchem Ich Mich — ermächtige.
Das Eigenthums-Recht gebe Ich Mir, indem Ich Mir Eigen¬
thum nehme, oder Mir die Macht des Eigenthümers, die Voll¬
macht, die Ermächtigung gebe.

22 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0347" n="339"/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu <hi rendition="#g">verwerthen</hi>. <hi rendition="#g">Ich</hi> bin der Todfeind des Staates,<lb/>
der &#x017F;tets in der Alternative &#x017F;chwebt: Er oder Ich. Darum<lb/>
hält er &#x017F;trenge darauf, nicht nur <hi rendition="#g">Mich</hi> nicht gelten zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ondern auch das <hi rendition="#g">Meinige</hi> zu hintertreiben. Im Staate<lb/>
giebt es kein &#x2014; Eigenthum, d. h. kein Eigenthum des Ein¬<lb/>
zelnen, &#x017F;ondern nur Staatseigenthum. Nur durch den Staat<lb/>
habe Ich, was Ich habe, wie Ich nur durch ihn bin, was Ich<lb/>
bin. Mein Privateigenthum i&#x017F;t nur dasjenige, was der Staat<lb/>
Mir von dem <hi rendition="#g">Seinigen</hi> überläßt, indem er andere Staats¬<lb/>
glieder darum <hi rendition="#g">verkürzt</hi> (privirt): es i&#x017F;t Staatseigenthum.</p><lb/>
            <p>Im Gegen&#x017F;atze aber zum Staate, fühle Ich immer deut¬<lb/>
licher, daß Mir noch eine große Gewalt übrig bleibt, die Ge¬<lb/>
walt über Mich &#x017F;elb&#x017F;t, d. h. über alles, was nur Mir eignet<lb/>
und nur <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi>, indem es mein eigen i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Was fange Ich an, wenn meine Wege nicht mehr &#x017F;eine<lb/>
Wege, meine Gedanken nicht mehr &#x017F;eine Gedanken &#x017F;ind? Ich<lb/>
halte auf Mich, und frage nichts nach ihm! An <hi rendition="#g">meinen</hi><lb/>
Gedanken, die Ich durch keine Bei&#x017F;timmung, Gewährung oder<lb/>
Gnade &#x017F;anctioniren la&#x017F;&#x017F;e, habe Ich mein wirkliches Eigenthum,<lb/>
ein Eigenthum, mit dem Ich Handel treiben kann. Denn als<lb/>
das Meine &#x017F;ind &#x017F;ie meine <hi rendition="#g">Ge&#x017F;chöpfe</hi>, und Ich bin im Stande,<lb/>
&#x017F;ie wegzugeben gegen <hi rendition="#g">andere</hi> Gedanken: Ich gebe &#x017F;ie auf<lb/>
und tau&#x017F;che andere für &#x017F;ie ein, die dann mein neues erkauftes<lb/>
Eigenthum &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Was i&#x017F;t al&#x017F;o <hi rendition="#g">mein</hi> Eigenthum? Nichts als was in<lb/>
meiner <hi rendition="#g">Gewalt</hi> i&#x017F;t! Zu welchem Eigenthum bin Ich be¬<lb/>
rechtigt? Zu jedem, zu welchem Ich Mich &#x2014; <hi rendition="#g">ermächtige</hi>.<lb/>
Das Eigenthums-Recht gebe Ich Mir, indem Ich Mir Eigen¬<lb/>
thum nehme, oder Mir die <hi rendition="#g">Macht</hi> des Eigenthümers, die Voll¬<lb/>
macht, die Ermächtigung gebe.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">22 *<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0347] ſelbſt zu verwerthen. Ich bin der Todfeind des Staates, der ſtets in der Alternative ſchwebt: Er oder Ich. Darum hält er ſtrenge darauf, nicht nur Mich nicht gelten zu laſſen, ſondern auch das Meinige zu hintertreiben. Im Staate giebt es kein — Eigenthum, d. h. kein Eigenthum des Ein¬ zelnen, ſondern nur Staatseigenthum. Nur durch den Staat habe Ich, was Ich habe, wie Ich nur durch ihn bin, was Ich bin. Mein Privateigenthum iſt nur dasjenige, was der Staat Mir von dem Seinigen überläßt, indem er andere Staats¬ glieder darum verkürzt (privirt): es iſt Staatseigenthum. Im Gegenſatze aber zum Staate, fühle Ich immer deut¬ licher, daß Mir noch eine große Gewalt übrig bleibt, die Ge¬ walt über Mich ſelbſt, d. h. über alles, was nur Mir eignet und nur iſt, indem es mein eigen iſt. Was fange Ich an, wenn meine Wege nicht mehr ſeine Wege, meine Gedanken nicht mehr ſeine Gedanken ſind? Ich halte auf Mich, und frage nichts nach ihm! An meinen Gedanken, die Ich durch keine Beiſtimmung, Gewährung oder Gnade ſanctioniren laſſe, habe Ich mein wirkliches Eigenthum, ein Eigenthum, mit dem Ich Handel treiben kann. Denn als das Meine ſind ſie meine Geſchöpfe, und Ich bin im Stande, ſie wegzugeben gegen andere Gedanken: Ich gebe ſie auf und tauſche andere für ſie ein, die dann mein neues erkauftes Eigenthum ſind. Was iſt alſo mein Eigenthum? Nichts als was in meiner Gewalt iſt! Zu welchem Eigenthum bin Ich be¬ rechtigt? Zu jedem, zu welchem Ich Mich — ermächtige. Das Eigenthums-Recht gebe Ich Mir, indem Ich Mir Eigen¬ thum nehme, oder Mir die Macht des Eigenthümers, die Voll¬ macht, die Ermächtigung gebe. 22 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/347
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/347>, abgerufen am 23.11.2024.