Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich nicht zu schonen, denn der Menschen wirklich Eigenes ist
nur das Eigene des Menschen. Innerliche Habe dieser Art ist
z. B. die Religion; weil die Religion frei, d. h. des Men¬
schen ist, darum darf Ich sie nicht antasten. Ebenso ist eine
innerliche Habe die Ehre; sie ist frei und darf von Mir nicht
angetastet werden. (Injurienklage, Carricaturen u. s. w.) Re¬
ligion und Ehre sind "geistiges Eigenthum". Im dinglichen
Eigenthum steht obenan die Person: meine Person ist mein
erstes Eigenthum. Daher Freiheit der Person; aber nur die
rechtliche oder menschliche Person ist frei, die andere wird
eingesperrt. Dein Leben ist Dein Eigenthum; es ist aber den
Menschen nur heilig, wenn es nicht das eines Unmenschen ist.

Was der Mensch als solcher an körperlichen Gütern nicht
behaupten kann, dürfen Wir ihm nehmen: dieß der Sinn der
Concurrenz, der Gewerbefreiheit. Was er an geistigen Gütern
nicht behaupten kann, verfällt Uns gleichfalls: so weit geht die
Freiheit der Discussion, der Wissenschaft, der Kritik.

Aber unantastbar sind die geheiligten Güter. Gehei¬
ligt und garantirt durch wen? Zunächst durch den Staat, die
Gesellschaft, eigentlich aber durch den Menschen oder den "Be¬
griff", den "Begriff der Sache": denn der Begriff der gehei¬
ligten Güter ist der, daß sie wahrhaft menschliche seien, oder
vielmehr, daß sie der Inhaber als Mensch und nicht als Un¬
mensch besitze.

Geistiger Seits ist ein solches Gut der Glaube des Men¬
schen, seine Ehre, sein sittliches, ja sein Anstands-, Scham¬
gefühl u. s. w. Ehrenrührige Handlungen (Reden, Schriften)
sind strafbar; Angriffe auf "den Grund aller Religion"; An¬
griffe auf den politischen Glauben, kurz Angriffe auf Alles,
was ein Mensch "mit Recht" hat.

Ich nicht zu ſchonen, denn der Menſchen wirklich Eigenes iſt
nur das Eigene des Menſchen. Innerliche Habe dieſer Art iſt
z. B. die Religion; weil die Religion frei, d. h. des Men¬
ſchen iſt, darum darf Ich ſie nicht antaſten. Ebenſo iſt eine
innerliche Habe die Ehre; ſie iſt frei und darf von Mir nicht
angetaſtet werden. (Injurienklage, Carricaturen u. ſ. w.) Re¬
ligion und Ehre ſind „geiſtiges Eigenthum“. Im dinglichen
Eigenthum ſteht obenan die Perſon: meine Perſon iſt mein
erſtes Eigenthum. Daher Freiheit der Perſon; aber nur die
rechtliche oder menſchliche Perſon iſt frei, die andere wird
eingeſperrt. Dein Leben iſt Dein Eigenthum; es iſt aber den
Menſchen nur heilig, wenn es nicht das eines Unmenſchen iſt.

Was der Menſch als ſolcher an körperlichen Gütern nicht
behaupten kann, dürfen Wir ihm nehmen: dieß der Sinn der
Concurrenz, der Gewerbefreiheit. Was er an geiſtigen Gütern
nicht behaupten kann, verfällt Uns gleichfalls: ſo weit geht die
Freiheit der Discuſſion, der Wiſſenſchaft, der Kritik.

Aber unantaſtbar ſind die geheiligten Güter. Gehei¬
ligt und garantirt durch wen? Zunächſt durch den Staat, die
Geſellſchaft, eigentlich aber durch den Menſchen oder den „Be¬
griff“, den „Begriff der Sache“: denn der Begriff der gehei¬
ligten Güter iſt der, daß ſie wahrhaft menſchliche ſeien, oder
vielmehr, daß ſie der Inhaber als Menſch und nicht als Un¬
menſch beſitze.

Geiſtiger Seits iſt ein ſolches Gut der Glaube des Men¬
ſchen, ſeine Ehre, ſein ſittliches, ja ſein Anſtands-, Scham¬
gefühl u. ſ. w. Ehrenrührige Handlungen (Reden, Schriften)
ſind ſtrafbar; Angriffe auf „den Grund aller Religion“; An¬
griffe auf den politiſchen Glauben, kurz Angriffe auf Alles,
was ein Menſch „mit Recht“ hat.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0333" n="325"/>
Ich nicht zu &#x017F;chonen, denn der Men&#x017F;chen wirklich Eigenes i&#x017F;t<lb/>
nur das Eigene <hi rendition="#g">des</hi> Men&#x017F;chen. Innerliche Habe die&#x017F;er Art i&#x017F;t<lb/>
z. B. die Religion; weil die <hi rendition="#g">Religion</hi> frei, d. h. des Men¬<lb/>
&#x017F;chen i&#x017F;t, darum darf <hi rendition="#g">Ich</hi> &#x017F;ie nicht anta&#x017F;ten. Eben&#x017F;o i&#x017F;t eine<lb/>
innerliche Habe die <hi rendition="#g">Ehre</hi>; &#x017F;ie i&#x017F;t frei und darf von Mir nicht<lb/>
angeta&#x017F;tet werden. (Injurienklage, Carricaturen u. &#x017F;. w.) Re¬<lb/>
ligion und Ehre &#x017F;ind &#x201E;gei&#x017F;tiges Eigenthum&#x201C;. Im dinglichen<lb/>
Eigenthum &#x017F;teht obenan die Per&#x017F;on: meine Per&#x017F;on i&#x017F;t mein<lb/>
er&#x017F;tes Eigenthum. Daher Freiheit der Per&#x017F;on; aber nur die<lb/><hi rendition="#g">rechtliche</hi> oder men&#x017F;chliche Per&#x017F;on i&#x017F;t frei, die andere wird<lb/>
einge&#x017F;perrt. Dein Leben i&#x017F;t Dein Eigenthum; es i&#x017F;t aber den<lb/>
Men&#x017F;chen nur heilig, wenn es nicht das eines Unmen&#x017F;chen i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Was der Men&#x017F;ch als &#x017F;olcher an körperlichen Gütern nicht<lb/>
behaupten kann, dürfen Wir ihm nehmen: dieß der Sinn der<lb/>
Concurrenz, der Gewerbefreiheit. Was er an gei&#x017F;tigen Gütern<lb/>
nicht behaupten kann, verfällt Uns gleichfalls: &#x017F;o weit geht die<lb/>
Freiheit der Discu&#x017F;&#x017F;ion, der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, der Kritik.</p><lb/>
            <p>Aber unanta&#x017F;tbar &#x017F;ind die <hi rendition="#g">geheiligten</hi> Güter. Gehei¬<lb/>
ligt und garantirt durch wen? Zunäch&#x017F;t durch den Staat, die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, eigentlich aber durch den Men&#x017F;chen oder den &#x201E;Be¬<lb/>
griff&#x201C;, den &#x201E;Begriff der Sache&#x201C;: denn der Begriff der gehei¬<lb/>
ligten Güter i&#x017F;t der, daß &#x017F;ie wahrhaft men&#x017F;chliche &#x017F;eien, oder<lb/>
vielmehr, daß &#x017F;ie der Inhaber als Men&#x017F;ch und nicht als Un¬<lb/>
men&#x017F;ch be&#x017F;itze.</p><lb/>
            <p>Gei&#x017F;tiger Seits i&#x017F;t ein &#x017F;olches Gut der Glaube des Men¬<lb/>
&#x017F;chen, &#x017F;eine Ehre, &#x017F;ein &#x017F;ittliches, ja &#x017F;ein An&#x017F;tands-, Scham¬<lb/>
gefühl u. &#x017F;. w. Ehrenrührige Handlungen (Reden, Schriften)<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;trafbar; Angriffe auf &#x201E;den Grund aller Religion&#x201C;; An¬<lb/>
griffe auf den politi&#x017F;chen Glauben, kurz Angriffe auf Alles,<lb/>
was ein Men&#x017F;ch &#x201E;mit Recht&#x201C; hat.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0333] Ich nicht zu ſchonen, denn der Menſchen wirklich Eigenes iſt nur das Eigene des Menſchen. Innerliche Habe dieſer Art iſt z. B. die Religion; weil die Religion frei, d. h. des Men¬ ſchen iſt, darum darf Ich ſie nicht antaſten. Ebenſo iſt eine innerliche Habe die Ehre; ſie iſt frei und darf von Mir nicht angetaſtet werden. (Injurienklage, Carricaturen u. ſ. w.) Re¬ ligion und Ehre ſind „geiſtiges Eigenthum“. Im dinglichen Eigenthum ſteht obenan die Perſon: meine Perſon iſt mein erſtes Eigenthum. Daher Freiheit der Perſon; aber nur die rechtliche oder menſchliche Perſon iſt frei, die andere wird eingeſperrt. Dein Leben iſt Dein Eigenthum; es iſt aber den Menſchen nur heilig, wenn es nicht das eines Unmenſchen iſt. Was der Menſch als ſolcher an körperlichen Gütern nicht behaupten kann, dürfen Wir ihm nehmen: dieß der Sinn der Concurrenz, der Gewerbefreiheit. Was er an geiſtigen Gütern nicht behaupten kann, verfällt Uns gleichfalls: ſo weit geht die Freiheit der Discuſſion, der Wiſſenſchaft, der Kritik. Aber unantaſtbar ſind die geheiligten Güter. Gehei¬ ligt und garantirt durch wen? Zunächſt durch den Staat, die Geſellſchaft, eigentlich aber durch den Menſchen oder den „Be¬ griff“, den „Begriff der Sache“: denn der Begriff der gehei¬ ligten Güter iſt der, daß ſie wahrhaft menſchliche ſeien, oder vielmehr, daß ſie der Inhaber als Menſch und nicht als Un¬ menſch beſitze. Geiſtiger Seits iſt ein ſolches Gut der Glaube des Men¬ ſchen, ſeine Ehre, ſein ſittliches, ja ſein Anſtands-, Scham¬ gefühl u. ſ. w. Ehrenrührige Handlungen (Reden, Schriften) ſind ſtrafbar; Angriffe auf „den Grund aller Religion“; An¬ griffe auf den politiſchen Glauben, kurz Angriffe auf Alles, was ein Menſch „mit Recht“ hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/333
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/333>, abgerufen am 25.11.2024.