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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Das bisher betrachtete Verhältniß Meiner zur Men¬
schenwelt
bietet einen solchen Reichthum an Erscheinungen
dar, daß es bei anderen Gelegenheiten wieder und wieder auf¬
genommen, hier aber, wo es nur im Großen anschaulich ge¬
macht werden sollte, abgebrochen werden muß, um einer Auf¬
fassung zweier andern Seiten, nach denen hin es ausstrahlt,
Platz zu machen. Da Ich Mich nämlich nicht bloß zu den
Menschen, so weit sie den Begriff "Mensch" in sich darstellen
oder Menschenkinder sind (Kinder des Menschen, wie von
Kindern Gottes geredet wird), in Beziehung finde, sondern
auch zu dem, was sie von dem Menschen haben und ihr Eige¬
nes nennen, also Mich nicht allein auf das, was sie durch
den Menschen sind, sondern auch auf ihre menschliche Habe
beziehe: so wird außer der Menschenwelt auch die Sinnen- und
Ideenwelt in den Kreis der Besprechung zu ziehen und sowohl
von dem, was die Menschen an sinnlichen, als dem, was sie
an geistigen Gütern ihr eigen nennen, einiges zu sagen sein.

Je nachdem man den Begriff des Menschen entwickelt
und sich vorstellig gemacht hatte, gab man Uns denselben als
diese oder jene Respectsperson zu achten, und aus dem
weitesten Verständniß dieses Begriffes ging endlich das Gebot
hervor: "in Jedem den Menschen zu respectiren". Respectire
Ich aber den Menschen, so muß mein Respect sich gleichfalls
auf das Menschliche oder das, was des Menschen ist, erstrecken.

Es haben die Menschen Eigenes, und Ich soll dieß
Eigene anerkennen und heilig halten. Ihr Eigenes besteht theils
in äußerlicher, theils in innerlicher Habe. Jenes sind Dinge,
dieses Geistigkeiten, Gedanken, Ueberzeugungen, edle Gefühle
u.s.w. Aber immer nur die rechtliche oder menschliche Habe
soll Ich respectiren; die unrechtliche und unmenschliche brauche

Das bisher betrachtete Verhältniß Meiner zur Men¬
ſchenwelt
bietet einen ſolchen Reichthum an Erſcheinungen
dar, daß es bei anderen Gelegenheiten wieder und wieder auf¬
genommen, hier aber, wo es nur im Großen anſchaulich ge¬
macht werden ſollte, abgebrochen werden muß, um einer Auf¬
faſſung zweier andern Seiten, nach denen hin es ausſtrahlt,
Platz zu machen. Da Ich Mich nämlich nicht bloß zu den
Menſchen, ſo weit ſie den Begriff „Menſch“ in ſich darſtellen
oder Menſchenkinder ſind (Kinder des Menſchen, wie von
Kindern Gottes geredet wird), in Beziehung finde, ſondern
auch zu dem, was ſie von dem Menſchen haben und ihr Eige¬
nes nennen, alſo Mich nicht allein auf das, was ſie durch
den Menſchen ſind, ſondern auch auf ihre menſchliche Habe
beziehe: ſo wird außer der Menſchenwelt auch die Sinnen- und
Ideenwelt in den Kreis der Beſprechung zu ziehen und ſowohl
von dem, was die Menſchen an ſinnlichen, als dem, was ſie
an geiſtigen Gütern ihr eigen nennen, einiges zu ſagen ſein.

Je nachdem man den Begriff des Menſchen entwickelt
und ſich vorſtellig gemacht hatte, gab man Uns denſelben als
dieſe oder jene Reſpectsperſon zu achten, und aus dem
weiteſten Verſtändniß dieſes Begriffes ging endlich das Gebot
hervor: „in Jedem den Menſchen zu reſpectiren“. Reſpectire
Ich aber den Menſchen, ſo muß mein Reſpect ſich gleichfalls
auf das Menſchliche oder das, was des Menſchen iſt, erſtrecken.

Es haben die Menſchen Eigenes, und Ich ſoll dieß
Eigene anerkennen und heilig halten. Ihr Eigenes beſteht theils
in äußerlicher, theils in innerlicher Habe. Jenes ſind Dinge,
dieſes Geiſtigkeiten, Gedanken, Ueberzeugungen, edle Gefühle
u.ſ.w. Aber immer nur die rechtliche oder menſchliche Habe
ſoll Ich reſpectiren; die unrechtliche und unmenſchliche brauche

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[324/0332] Das bisher betrachtete Verhältniß Meiner zur Men¬ ſchenwelt bietet einen ſolchen Reichthum an Erſcheinungen dar, daß es bei anderen Gelegenheiten wieder und wieder auf¬ genommen, hier aber, wo es nur im Großen anſchaulich ge¬ macht werden ſollte, abgebrochen werden muß, um einer Auf¬ faſſung zweier andern Seiten, nach denen hin es ausſtrahlt, Platz zu machen. Da Ich Mich nämlich nicht bloß zu den Menſchen, ſo weit ſie den Begriff „Menſch“ in ſich darſtellen oder Menſchenkinder ſind (Kinder des Menſchen, wie von Kindern Gottes geredet wird), in Beziehung finde, ſondern auch zu dem, was ſie von dem Menſchen haben und ihr Eige¬ nes nennen, alſo Mich nicht allein auf das, was ſie durch den Menſchen ſind, ſondern auch auf ihre menſchliche Habe beziehe: ſo wird außer der Menſchenwelt auch die Sinnen- und Ideenwelt in den Kreis der Beſprechung zu ziehen und ſowohl von dem, was die Menſchen an ſinnlichen, als dem, was ſie an geiſtigen Gütern ihr eigen nennen, einiges zu ſagen ſein. Je nachdem man den Begriff des Menſchen entwickelt und ſich vorſtellig gemacht hatte, gab man Uns denſelben als dieſe oder jene Reſpectsperſon zu achten, und aus dem weiteſten Verſtändniß dieſes Begriffes ging endlich das Gebot hervor: „in Jedem den Menſchen zu reſpectiren“. Reſpectire Ich aber den Menſchen, ſo muß mein Reſpect ſich gleichfalls auf das Menſchliche oder das, was des Menſchen iſt, erſtrecken. Es haben die Menſchen Eigenes, und Ich ſoll dieß Eigene anerkennen und heilig halten. Ihr Eigenes beſteht theils in äußerlicher, theils in innerlicher Habe. Jenes ſind Dinge, dieſes Geiſtigkeiten, Gedanken, Ueberzeugungen, edle Gefühle u.ſ.w. Aber immer nur die rechtliche oder menſchliche Habe ſoll Ich reſpectiren; die unrechtliche und unmenſchliche brauche

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/332>, abgerufen am 25.11.2024.