dem beschränkt durch die noch mangelnde eigene Gewalt, durch die eigene Ohnmacht. Allein "die Garde stirbt, doch sie ergiebt sich nicht!" Vor Allem nur einen leibhaftigen Gegner!
Mit jedem Gegner wag' ich's, Den ich kann sehen und ins Auge fassen, Der, selbst voll Muth, auch mir den Muth entflammt u. s. w.
Viele Privilegien sind freilich mit der Zeit vertilgt wor¬ den, allein lediglich um des Gemeinwohls, um des Staates und Staatswohls willen, keineswegs zur Stärkung Meiner. Die Erbunterthänigkeit z. B. wurde nur aufgehoben, damit ein einziger Erbherr, der Herr des Volkes, die monarchische Macht, gestärkt werde: die Erbunterthänigkeit unter dem Einen wurde dadurch noch straffer. Nur zu Gunsten des Monarchen, er heiße: "Fürst" oder "Gesetz", sind die Privilegien gefallen. In Frankreich sind die Bürger zwar nicht Erbunterthanen des Königs, dafür aber Erbunterthanen des "Gesetzes" (der Charte). Unterordnung wurde beibehalten, nur erkannte der christ¬ liche Staat, daß der Mensch nicht zweien Herren dienen könne (dem Gutsherrn und dem Fürsten u. s. w.); darum erhielt Einer alle Vorrechte; er kann nun wieder einen über den andern stellen, kann "Hochgestellte" machen.
Was aber kümmert Mich das Gemeinwohl? Das Ge¬ meinwohl als solches ist nicht mein Wohl, sondern nur die äußerste Spitze der Selbstverleugnung. Das Ge¬ meinwohl kann laut jubeln, während Ich "kuschen" muß, der Staat glänzen, indeß Ich darbe. Worin anders liegt die Thorheit der politischen Liberalen, als darin, daß sie das Volk der Regierung entgegensetzen und von Volksrechten sprechen? Da soll denn das Volk mündig sein u. s. w. Als könnte
dem beſchränkt durch die noch mangelnde eigene Gewalt, durch die eigene Ohnmacht. Allein „die Garde ſtirbt, doch ſie ergiebt ſich nicht!“ Vor Allem nur einen leibhaftigen Gegner!
Mit jedem Gegner wag' ich's, Den ich kann ſehen und ins Auge faſſen, Der, ſelbſt voll Muth, auch mir den Muth entflammt u. ſ. w.
Viele Privilegien ſind freilich mit der Zeit vertilgt wor¬ den, allein lediglich um des Gemeinwohls, um des Staates und Staatswohls willen, keineswegs zur Stärkung Meiner. Die Erbunterthänigkeit z. B. wurde nur aufgehoben, damit ein einziger Erbherr, der Herr des Volkes, die monarchiſche Macht, geſtärkt werde: die Erbunterthänigkeit unter dem Einen wurde dadurch noch ſtraffer. Nur zu Gunſten des Monarchen, er heiße: „Fürſt“ oder „Geſetz“, ſind die Privilegien gefallen. In Frankreich ſind die Bürger zwar nicht Erbunterthanen des Königs, dafür aber Erbunterthanen des „Geſetzes“ (der Charte). Unterordnung wurde beibehalten, nur erkannte der chriſt¬ liche Staat, daß der Menſch nicht zweien Herren dienen könne (dem Gutsherrn und dem Fürſten u. ſ. w.); darum erhielt Einer alle Vorrechte; er kann nun wieder einen über den andern ſtellen, kann „Hochgeſtellte“ machen.
Was aber kümmert Mich das Gemeinwohl? Das Ge¬ meinwohl als ſolches iſt nicht mein Wohl, ſondern nur die äußerſte Spitze der Selbſtverleugnung. Das Ge¬ meinwohl kann laut jubeln, während Ich „kuſchen“ muß, der Staat glänzen, indeß Ich darbe. Worin anders liegt die Thorheit der politiſchen Liberalen, als darin, daß ſie das Volk der Regierung entgegenſetzen und von Volksrechten ſprechen? Da ſoll denn das Volk mündig ſein u. ſ. w. Als könnte
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dem beſchränkt durch die noch mangelnde eigene Gewalt,
durch die eigene Ohnmacht. Allein „die Garde ſtirbt,
doch ſie ergiebt ſich nicht!“ Vor Allem nur einen leibhaftigen
Gegner!
Mit jedem Gegner wag' ich's,
Den ich kann ſehen und ins Auge faſſen,
Der, ſelbſt voll Muth, auch mir den Muth entflammt u. ſ. w.
Viele Privilegien ſind freilich mit der Zeit vertilgt wor¬
den, allein lediglich um des Gemeinwohls, um des Staates
und Staatswohls willen, keineswegs zur Stärkung Meiner.
Die Erbunterthänigkeit z. B. wurde nur aufgehoben, damit
ein einziger Erbherr, der Herr des Volkes, die monarchiſche
Macht, geſtärkt werde: die Erbunterthänigkeit unter dem Einen
wurde dadurch noch ſtraffer. Nur zu Gunſten des Monarchen,
er heiße: „Fürſt“ oder „Geſetz“, ſind die Privilegien gefallen.
In Frankreich ſind die Bürger zwar nicht Erbunterthanen des
Königs, dafür aber Erbunterthanen des „Geſetzes“ (der Charte).
Unterordnung wurde beibehalten, nur erkannte der chriſt¬
liche Staat, daß der Menſch nicht zweien Herren dienen könne
(dem Gutsherrn und dem Fürſten u. ſ. w.); darum erhielt
Einer alle Vorrechte; er kann nun wieder einen über den
andern ſtellen, kann „Hochgeſtellte“ machen.
Was aber kümmert Mich das Gemeinwohl? Das Ge¬
meinwohl als ſolches iſt nicht mein Wohl, ſondern nur
die äußerſte Spitze der Selbſtverleugnung. Das Ge¬
meinwohl kann laut jubeln, während Ich „kuſchen“ muß, der
Staat glänzen, indeß Ich darbe. Worin anders liegt die
Thorheit der politiſchen Liberalen, als darin, daß ſie das Volk
der Regierung entgegenſetzen und von Volksrechten ſprechen?
Da ſoll denn das Volk mündig ſein u. ſ. w. Als könnte
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/288>, abgerufen am 23.11.2024.
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