deren Dauer mit dem Bestande jenes Volkes ein gleiches Maaß behalten wird: es sind dieß die Gesellschaften: Staat und Kirche. Können sie ein Verein von Egoisten genannt werden? Verfolgen Wir in ihnen ein egoistisches, persönliches, eigenes, oder verfolgen Wir ein volksthümliches (volkliches, d.h. ein Interesse des Christen-Volkes), nämlich ein staat¬ liches und kirchliches Interesse? Kann und darf Ich in ihnen Ich selbst sein? Darf Ich denken und handeln wie Ich will, darf Ich Mich offenbaren, ausleben, bethätigen? Muß Ich nicht die Majestät des Staates, die Heiligkeit der Kirche un¬ angetastet lassen?
Wohl, Ich darf nicht, wie Ich will. Aber werde Ich in irgend einer Gesellschaft eine so ungemessene Freiheit des Dürfens finden? Allerdings nein! Mithin könnten Wir ja wohl zufrieden sein? Mit nichten! Es ist ein Anderes, ob Ich an einem Ich abpralle, oder an einem Volke, einem All¬ gemeinen. Dort bin Ich der ebenbürtige Gegner meines Geg¬ ners, hier ein verachteter, gebundener, bevormundeter; dort steh' Ich Mann gegen Mann, hier bin Ich ein Schulbube, der gegen seinen Cameraden nichts ausrichten kann, weil dieser Vater und Mutter zu Hülfe gerufen und sich unter die Schürze verkrochen hat, während Ich als ungezogener Junge ausge¬ scholten werde und nicht "raisonniren" darf; dort kämpfe Ich gegen einen leibhaftigen Feind, hier gegen die Menschheit, gegen ein Allgemeines, gegen eine "Majestät", gegen einen Spuk. Mir aber ist keine Majestät, nichts Heiliges eine Schranke, nichts, was Ich zu bewältigen weiß. Nur was Ich nicht bewältigen kann, das beschränkt noch meine Gewalt, und Ich von beschränkter Gewalt bin zeitweilig ein beschränk¬ tes Ich, nicht beschränkt durch die Gewalt außer Mir, son¬
deren Dauer mit dem Beſtande jenes Volkes ein gleiches Maaß behalten wird: es ſind dieß die Geſellſchaften: Staat und Kirche. Können ſie ein Verein von Egoiſten genannt werden? Verfolgen Wir in ihnen ein egoiſtiſches, perſönliches, eigenes, oder verfolgen Wir ein volksthümliches (volkliches, d.h. ein Intereſſe des Chriſten-Volkes), nämlich ein ſtaat¬ liches und kirchliches Intereſſe? Kann und darf Ich in ihnen Ich ſelbſt ſein? Darf Ich denken und handeln wie Ich will, darf Ich Mich offenbaren, ausleben, bethätigen? Muß Ich nicht die Majeſtät des Staates, die Heiligkeit der Kirche un¬ angetaſtet laſſen?
Wohl, Ich darf nicht, wie Ich will. Aber werde Ich in irgend einer Geſellſchaft eine ſo ungemeſſene Freiheit des Dürfens finden? Allerdings nein! Mithin könnten Wir ja wohl zufrieden ſein? Mit nichten! Es iſt ein Anderes, ob Ich an einem Ich abpralle, oder an einem Volke, einem All¬ gemeinen. Dort bin Ich der ebenbürtige Gegner meines Geg¬ ners, hier ein verachteter, gebundener, bevormundeter; dort ſteh' Ich Mann gegen Mann, hier bin Ich ein Schulbube, der gegen ſeinen Cameraden nichts ausrichten kann, weil dieſer Vater und Mutter zu Hülfe gerufen und ſich unter die Schürze verkrochen hat, während Ich als ungezogener Junge ausge¬ ſcholten werde und nicht „raiſonniren“ darf; dort kämpfe Ich gegen einen leibhaftigen Feind, hier gegen die Menſchheit, gegen ein Allgemeines, gegen eine „Majeſtät“, gegen einen Spuk. Mir aber iſt keine Majeſtät, nichts Heiliges eine Schranke, nichts, was Ich zu bewältigen weiß. Nur was Ich nicht bewältigen kann, das beſchränkt noch meine Gewalt, und Ich von beſchränkter Gewalt bin zeitweilig ein beſchränk¬ tes Ich, nicht beſchränkt durch die Gewalt außer Mir, ſon¬
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deren Dauer mit dem Beſtande jenes Volkes ein gleiches
Maaß behalten wird: es ſind dieß die Geſellſchaften: Staat
und Kirche. Können ſie ein Verein von Egoiſten genannt
werden? Verfolgen Wir in ihnen ein egoiſtiſches, perſönliches,
eigenes, oder verfolgen Wir ein volksthümliches (volkliches,
d.h. ein Intereſſe des Chriſten-Volkes), nämlich ein ſtaat¬
liches und kirchliches Intereſſe? Kann und darf Ich in ihnen
Ich ſelbſt ſein? Darf Ich denken und handeln wie Ich will,
darf Ich Mich offenbaren, ausleben, bethätigen? Muß Ich
nicht die Majeſtät des Staates, die Heiligkeit der Kirche un¬
angetaſtet laſſen?
Wohl, Ich darf nicht, wie Ich will. Aber werde Ich
in irgend einer Geſellſchaft eine ſo ungemeſſene Freiheit des
Dürfens finden? Allerdings nein! Mithin könnten Wir ja
wohl zufrieden ſein? Mit nichten! Es iſt ein Anderes, ob
Ich an einem Ich abpralle, oder an einem Volke, einem All¬
gemeinen. Dort bin Ich der ebenbürtige Gegner meines Geg¬
ners, hier ein verachteter, gebundener, bevormundeter; dort
ſteh' Ich Mann gegen Mann, hier bin Ich ein Schulbube,
der gegen ſeinen Cameraden nichts ausrichten kann, weil dieſer
Vater und Mutter zu Hülfe gerufen und ſich unter die Schürze
verkrochen hat, während Ich als ungezogener Junge ausge¬
ſcholten werde und nicht „raiſonniren“ darf; dort kämpfe Ich
gegen einen leibhaftigen Feind, hier gegen die Menſchheit,
gegen ein Allgemeines, gegen eine „Majeſtät“, gegen einen
Spuk. Mir aber iſt keine Majeſtät, nichts Heiliges eine
Schranke, nichts, was Ich zu bewältigen weiß. Nur was
Ich nicht bewältigen kann, das beſchränkt noch meine Gewalt,
und Ich von beſchränkter Gewalt bin zeitweilig ein beſchränk¬
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/287>, abgerufen am 23.11.2024.
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