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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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den homerischen Kämpfen, als Göttin an ihrer Seite helfend
mitzufechten scheint. Was thut Ihr? Werft Ihr den Speer?
Nein, Ihr schleicht umher, um den Spuk für Euch zu gewin¬
nen, damit er auf eurer Seite mitfechte: Ihr buhlt um die
Gunst des Gespenstes. Ein Anderer früge einfach so: Will
Ich, was der Gegner will? "Nein!" Nun, so mögen tau¬
send Teufel oder Götter für ihn kämpfen. Ich schlage doch
drauf los!

Der "Rechtsstaat", wie ihn unter Andern die Vossische
Zeitung vertritt, verlangt, daß die Beamten nur durch den
Richter ihres Amtes sollen entsetzt werden können, nicht durch
die Administration. Eitle Illusion. Wenn gesetzlich be¬
stimmt würde, ein Beamter, der einmal trunken gesehen wird,
soll sein Amt verlieren, so müßte der Richter auf Aussage der
Zeugen ihn verurtheilen u.s.w. Kurz, der Gesetzgeber dürfte
nur alle möglichen Gründe genau angeben, welche den Verlust
des Amtes nach sich ziehen, möchten sie auch noch so lächerlich
sein (z.B. wer seinen Vorgesetzten ins Gesicht lacht, wer nicht
sonntäglich in die Kirche geht, wer nicht alle vier Wochen zum
Abendmahl geht, wer Schulden macht, wer unanständigen
Umgang hat, wer keine Entschlossenheit zeigt u.s.w., soll
entsetzt werden. Diese Dinge könnte der Gesetzgeber z.B. bei
einem Ehrengerichte aufzustellen sich einfallen lassen), so hätte
der Richter lediglich zu untersuchen, ob Beklagter sich jene
"Vergehen" habe "zu Schulden kommen lassen", und müßte
nach erfolgtem Beweis gegen ihn "von Rechtswegen" die Ab¬
setzung aussprechen.

Der Richter ist verloren, wenn er aufhört, mechanisch
zu sein, wenn er "von den Beweisregeln verlassen wird".
Dann hat er nur noch eine Meinung, wie jeder Andere, und

den homeriſchen Kämpfen, als Göttin an ihrer Seite helfend
mitzufechten ſcheint. Was thut Ihr? Werft Ihr den Speer?
Nein, Ihr ſchleicht umher, um den Spuk für Euch zu gewin¬
nen, damit er auf eurer Seite mitfechte: Ihr buhlt um die
Gunſt des Geſpenſtes. Ein Anderer früge einfach ſo: Will
Ich, was der Gegner will? „Nein!“ Nun, ſo mögen tau¬
ſend Teufel oder Götter für ihn kämpfen. Ich ſchlage doch
drauf los!

Der „Rechtsſtaat“, wie ihn unter Andern die Voſſiſche
Zeitung vertritt, verlangt, daß die Beamten nur durch den
Richter ihres Amtes ſollen entſetzt werden können, nicht durch
die Adminiſtration. Eitle Illuſion. Wenn geſetzlich be¬
ſtimmt würde, ein Beamter, der einmal trunken geſehen wird,
ſoll ſein Amt verlieren, ſo müßte der Richter auf Ausſage der
Zeugen ihn verurtheilen u.ſ.w. Kurz, der Geſetzgeber dürfte
nur alle möglichen Gründe genau angeben, welche den Verluſt
des Amtes nach ſich ziehen, möchten ſie auch noch ſo lächerlich
ſein (z.B. wer ſeinen Vorgeſetzten ins Geſicht lacht, wer nicht
ſonntäglich in die Kirche geht, wer nicht alle vier Wochen zum
Abendmahl geht, wer Schulden macht, wer unanſtändigen
Umgang hat, wer keine Entſchloſſenheit zeigt u.ſ.w., ſoll
entſetzt werden. Dieſe Dinge könnte der Geſetzgeber z.B. bei
einem Ehrengerichte aufzuſtellen ſich einfallen laſſen), ſo hätte
der Richter lediglich zu unterſuchen, ob Beklagter ſich jene
„Vergehen“ habe „zu Schulden kommen laſſen“, und müßte
nach erfolgtem Beweis gegen ihn „von Rechtswegen“ die Ab¬
ſetzung ausſprechen.

Der Richter iſt verloren, wenn er aufhört, mechaniſch
zu ſein, wenn er „von den Beweisregeln verlaſſen wird“.
Dann hat er nur noch eine Meinung, wie jeder Andere, und

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[254/0262] den homeriſchen Kämpfen, als Göttin an ihrer Seite helfend mitzufechten ſcheint. Was thut Ihr? Werft Ihr den Speer? Nein, Ihr ſchleicht umher, um den Spuk für Euch zu gewin¬ nen, damit er auf eurer Seite mitfechte: Ihr buhlt um die Gunſt des Geſpenſtes. Ein Anderer früge einfach ſo: Will Ich, was der Gegner will? „Nein!“ Nun, ſo mögen tau¬ ſend Teufel oder Götter für ihn kämpfen. Ich ſchlage doch drauf los! Der „Rechtsſtaat“, wie ihn unter Andern die Voſſiſche Zeitung vertritt, verlangt, daß die Beamten nur durch den Richter ihres Amtes ſollen entſetzt werden können, nicht durch die Adminiſtration. Eitle Illuſion. Wenn geſetzlich be¬ ſtimmt würde, ein Beamter, der einmal trunken geſehen wird, ſoll ſein Amt verlieren, ſo müßte der Richter auf Ausſage der Zeugen ihn verurtheilen u.ſ.w. Kurz, der Geſetzgeber dürfte nur alle möglichen Gründe genau angeben, welche den Verluſt des Amtes nach ſich ziehen, möchten ſie auch noch ſo lächerlich ſein (z.B. wer ſeinen Vorgeſetzten ins Geſicht lacht, wer nicht ſonntäglich in die Kirche geht, wer nicht alle vier Wochen zum Abendmahl geht, wer Schulden macht, wer unanſtändigen Umgang hat, wer keine Entſchloſſenheit zeigt u.ſ.w., ſoll entſetzt werden. Dieſe Dinge könnte der Geſetzgeber z.B. bei einem Ehrengerichte aufzuſtellen ſich einfallen laſſen), ſo hätte der Richter lediglich zu unterſuchen, ob Beklagter ſich jene „Vergehen“ habe „zu Schulden kommen laſſen“, und müßte nach erfolgtem Beweis gegen ihn „von Rechtswegen“ die Ab¬ ſetzung ausſprechen. Der Richter iſt verloren, wenn er aufhört, mechaniſch zu ſein, wenn er „von den Beweisregeln verlaſſen wird“. Dann hat er nur noch eine Meinung, wie jeder Andere, und

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/262>, abgerufen am 23.11.2024.