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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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bin ohne Norm, ohne Gesetz, ohne Muster u. dgl. Möglich,
daß Ich aus Mir sehr wenig machen kann; dieß Wenige ist
aber Alles und ist besser, als was Ich aus Mir machen lasse
durch die Gewalt Anderer, durch die Dressur der Sitte, der
Religion, der Gesetze, des Staates u. s. w. Besser -- wenn
einmal von Besser die Rede sein soll -- besser ein ungezoge¬
nes, als ein altkluges Kind, besser ein widerwilliger als ein
zu Allem williger Mensch. Der Ungezogene und Widerwillige
befindet sich noch auf dem Wege, nach seinem eigenen Willen
sich zu bilden; der Altkluge und Willige wird durch die "Gat¬
tung", die allgemeinen Anforderungen u. s. w. bestimmt, sie
ist ihm Gesetz. Er wird dadurch bestimmt: denn, was ist
ihm die Gattung anders, als seine "Bestimmung", sein "Be¬
ruf"? Ob Ich auf die "Menschheit", die Gattung, blicke,
um diesem Ideal nachzustreben, oder auf Gott und Christus
mit gleichem Streben: wie wäre darin eine wesentliche Ver¬
schiedenheit? Höchstens ist jenes verwaschener, als dieses.
Wie der Einzelne die ganze Natur, so ist er auch die ganze
Gattung.

Durch das, was Ich bin, ist allerdings alles bedingt,
was Ich thue, denke u. s. w., kurz meine Aeußerung oder
Offenbarung. Der Jude z. B. kann nur so oder so wollen,
kann nur so "sich geben"; der Christ kann sich nur christlich
geben und offenbaren u. s. w. Wäre es möglich, daß Du
Jude oder Christ sein könntest, so brächtest Du freilich nur
Jüdisches oder Christliches zu Tage; allein es ist nicht mög¬
lich, Du bleibst beim strengsten Wandel doch ein Egoist, ein
Sünder gegen jenen Begriff, d. h. Du bist nicht -- Jude.
Weil nun immer das Egoistische wieder durchblickt, so hat man
nach einem vollkommneren Begriffe gefragt, der wirklich ganz

bin ohne Norm, ohne Geſetz, ohne Muſter u. dgl. Möglich,
daß Ich aus Mir ſehr wenig machen kann; dieß Wenige iſt
aber Alles und iſt beſſer, als was Ich aus Mir machen laſſe
durch die Gewalt Anderer, durch die Dreſſur der Sitte, der
Religion, der Geſetze, des Staates u. ſ. w. Beſſer — wenn
einmal von Beſſer die Rede ſein ſoll — beſſer ein ungezoge¬
nes, als ein altkluges Kind, beſſer ein widerwilliger als ein
zu Allem williger Menſch. Der Ungezogene und Widerwillige
befindet ſich noch auf dem Wege, nach ſeinem eigenen Willen
ſich zu bilden; der Altkluge und Willige wird durch die „Gat¬
tung“, die allgemeinen Anforderungen u. ſ. w. beſtimmt, ſie
iſt ihm Geſetz. Er wird dadurch beſtimmt: denn, was iſt
ihm die Gattung anders, als ſeine „Beſtimmung“, ſein „Be¬
ruf“? Ob Ich auf die „Menſchheit“, die Gattung, blicke,
um dieſem Ideal nachzuſtreben, oder auf Gott und Chriſtus
mit gleichem Streben: wie wäre darin eine weſentliche Ver¬
ſchiedenheit? Höchſtens iſt jenes verwaſchener, als dieſes.
Wie der Einzelne die ganze Natur, ſo iſt er auch die ganze
Gattung.

Durch das, was Ich bin, iſt allerdings alles bedingt,
was Ich thue, denke u. ſ. w., kurz meine Aeußerung oder
Offenbarung. Der Jude z. B. kann nur ſo oder ſo wollen,
kann nur ſo „ſich geben“; der Chriſt kann ſich nur chriſtlich
geben und offenbaren u. ſ. w. Wäre es möglich, daß Du
Jude oder Chriſt ſein könnteſt, ſo brächteſt Du freilich nur
Jüdiſches oder Chriſtliches zu Tage; allein es iſt nicht mög¬
lich, Du bleibſt beim ſtrengſten Wandel doch ein Egoiſt, ein
Sünder gegen jenen Begriff, d. h. Du biſt nicht — Jude.
Weil nun immer das Egoiſtiſche wieder durchblickt, ſo hat man
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[240/0248] bin ohne Norm, ohne Geſetz, ohne Muſter u. dgl. Möglich, daß Ich aus Mir ſehr wenig machen kann; dieß Wenige iſt aber Alles und iſt beſſer, als was Ich aus Mir machen laſſe durch die Gewalt Anderer, durch die Dreſſur der Sitte, der Religion, der Geſetze, des Staates u. ſ. w. Beſſer — wenn einmal von Beſſer die Rede ſein ſoll — beſſer ein ungezoge¬ nes, als ein altkluges Kind, beſſer ein widerwilliger als ein zu Allem williger Menſch. Der Ungezogene und Widerwillige befindet ſich noch auf dem Wege, nach ſeinem eigenen Willen ſich zu bilden; der Altkluge und Willige wird durch die „Gat¬ tung“, die allgemeinen Anforderungen u. ſ. w. beſtimmt, ſie iſt ihm Geſetz. Er wird dadurch beſtimmt: denn, was iſt ihm die Gattung anders, als ſeine „Beſtimmung“, ſein „Be¬ ruf“? Ob Ich auf die „Menſchheit“, die Gattung, blicke, um dieſem Ideal nachzuſtreben, oder auf Gott und Chriſtus mit gleichem Streben: wie wäre darin eine weſentliche Ver¬ ſchiedenheit? Höchſtens iſt jenes verwaſchener, als dieſes. Wie der Einzelne die ganze Natur, ſo iſt er auch die ganze Gattung. Durch das, was Ich bin, iſt allerdings alles bedingt, was Ich thue, denke u. ſ. w., kurz meine Aeußerung oder Offenbarung. Der Jude z. B. kann nur ſo oder ſo wollen, kann nur ſo „ſich geben“; der Chriſt kann ſich nur chriſtlich geben und offenbaren u. ſ. w. Wäre es möglich, daß Du Jude oder Chriſt ſein könnteſt, ſo brächteſt Du freilich nur Jüdiſches oder Chriſtliches zu Tage; allein es iſt nicht mög¬ lich, Du bleibſt beim ſtrengſten Wandel doch ein Egoiſt, ein Sünder gegen jenen Begriff, d. h. Du biſt nicht — Jude. Weil nun immer das Egoiſtiſche wieder durchblickt, ſo hat man nach einem vollkommneren Begriffe gefragt, der wirklich ganz

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/248>, abgerufen am 27.11.2024.