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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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frei werden? Du, Ich, Wir. Wovon frei? Von Allem,
was nicht Du, nicht Ich, nicht Wir ist. Ich also bin der
Kern, der aus allen Verhüllungen erlöst, von allen beengenden
Schalen -- befreit werden soll. Was bleibt übrig, wenn
Ich von Allem, was Ich nicht bin, befreit worden? Nur Ich
und nichts als Ich. Diesem Ich selber aber hat die Freiheit
nichts zu bieten. Was nun weiter geschehen soll, nachdem
Ich frei geworden, darüber schweigt die Freiheit, wie unsere
Regierungen den Gefangenen nach abgelaufener Haftzeit nur
entlassen und in die Verlassenheit hinausstoßen.

Warum nun, wenn die Freiheit doch dem Ich zu Liebe
erstrebt wird, warum nun nicht das Ich selber zu Anfang,
Mitte und Ende wählen? Bin Ich nicht mehr werth als die
Freiheit? Bin Ich es nicht, der Ich Mich frei mache, bin
Ich nicht das Erste? Auch unfrei, auch in tausend Fesseln
geschlagen, bin Ich doch, und Ich bin nicht etwa erst zu¬
künftig und auf Hoffnung vorhanden, wie die Freiheit, son¬
dern Ich bin auch als Verworfenster der Sklaven -- gegen¬
wärtig.

Bedenkt das wohl und entscheidet Euch, ob Ihr auf eure
Fahne den Traum der "Freiheit" oder den Entschluß des
"Egoismus", der "Eigenheit" stecken wollt. Die "Freiheit"
weckt euren Grimm gegen Alles, was Ihr nicht seid; der
"Egoismus" ruft Euch zur Freude über Euch selbst, zum
Selbstgenusse; die "Freiheit" ist und bleibt eine Sehnsucht,
ein romantischer Klagelaut, eine christliche Hoffnung auf Jen¬
seitigkeit und Zukunft; die "Eigenheit" ist eine Wirklichkeit,
die von selbst gerade so viel Unfreiheit beseitigt, als Euch
hinderlich den eigenen Weg versperrt. Von dem, was Euch
nicht stört, weidet Ihr Euch nicht lossagen wollen, und wenn

frei werden? Du, Ich, Wir. Wovon frei? Von Allem,
was nicht Du, nicht Ich, nicht Wir iſt. Ich alſo bin der
Kern, der aus allen Verhüllungen erlöſt, von allen beengenden
Schalen — befreit werden ſoll. Was bleibt übrig, wenn
Ich von Allem, was Ich nicht bin, befreit worden? Nur Ich
und nichts als Ich. Dieſem Ich ſelber aber hat die Freiheit
nichts zu bieten. Was nun weiter geſchehen ſoll, nachdem
Ich frei geworden, darüber ſchweigt die Freiheit, wie unſere
Regierungen den Gefangenen nach abgelaufener Haftzeit nur
entlaſſen und in die Verlaſſenheit hinausſtoßen.

Warum nun, wenn die Freiheit doch dem Ich zu Liebe
erſtrebt wird, warum nun nicht das Ich ſelber zu Anfang,
Mitte und Ende wählen? Bin Ich nicht mehr werth als die
Freiheit? Bin Ich es nicht, der Ich Mich frei mache, bin
Ich nicht das Erſte? Auch unfrei, auch in tauſend Feſſeln
geſchlagen, bin Ich doch, und Ich bin nicht etwa erſt zu¬
künftig und auf Hoffnung vorhanden, wie die Freiheit, ſon¬
dern Ich bin auch als Verworfenſter der Sklaven — gegen¬
wärtig.

Bedenkt das wohl und entſcheidet Euch, ob Ihr auf eure
Fahne den Traum der „Freiheit“ oder den Entſchluß des
„Egoismus“, der „Eigenheit“ ſtecken wollt. Die „Freiheit“
weckt euren Grimm gegen Alles, was Ihr nicht ſeid; der
„Egoismus“ ruft Euch zur Freude über Euch ſelbſt, zum
Selbſtgenuſſe; die „Freiheit“ iſt und bleibt eine Sehnſucht,
ein romantiſcher Klagelaut, eine chriſtliche Hoffnung auf Jen¬
ſeitigkeit und Zukunft; die „Eigenheit“ iſt eine Wirklichkeit,
die von ſelbſt gerade ſo viel Unfreiheit beſeitigt, als Euch
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[215/0223] frei werden? Du, Ich, Wir. Wovon frei? Von Allem, was nicht Du, nicht Ich, nicht Wir iſt. Ich alſo bin der Kern, der aus allen Verhüllungen erlöſt, von allen beengenden Schalen — befreit werden ſoll. Was bleibt übrig, wenn Ich von Allem, was Ich nicht bin, befreit worden? Nur Ich und nichts als Ich. Dieſem Ich ſelber aber hat die Freiheit nichts zu bieten. Was nun weiter geſchehen ſoll, nachdem Ich frei geworden, darüber ſchweigt die Freiheit, wie unſere Regierungen den Gefangenen nach abgelaufener Haftzeit nur entlaſſen und in die Verlaſſenheit hinausſtoßen. Warum nun, wenn die Freiheit doch dem Ich zu Liebe erſtrebt wird, warum nun nicht das Ich ſelber zu Anfang, Mitte und Ende wählen? Bin Ich nicht mehr werth als die Freiheit? Bin Ich es nicht, der Ich Mich frei mache, bin Ich nicht das Erſte? Auch unfrei, auch in tauſend Feſſeln geſchlagen, bin Ich doch, und Ich bin nicht etwa erſt zu¬ künftig und auf Hoffnung vorhanden, wie die Freiheit, ſon¬ dern Ich bin auch als Verworfenſter der Sklaven — gegen¬ wärtig. Bedenkt das wohl und entſcheidet Euch, ob Ihr auf eure Fahne den Traum der „Freiheit“ oder den Entſchluß des „Egoismus“, der „Eigenheit“ ſtecken wollt. Die „Freiheit“ weckt euren Grimm gegen Alles, was Ihr nicht ſeid; der „Egoismus“ ruft Euch zur Freude über Euch ſelbſt, zum Selbſtgenuſſe; die „Freiheit“ iſt und bleibt eine Sehnſucht, ein romantiſcher Klagelaut, eine chriſtliche Hoffnung auf Jen¬ ſeitigkeit und Zukunft; die „Eigenheit“ iſt eine Wirklichkeit, die von ſelbſt gerade ſo viel Unfreiheit beſeitigt, als Euch hinderlich den eigenen Weg verſperrt. Von dem, was Euch nicht ſtört, weidet Ihr Euch nicht losſagen wollen, und wenn

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/223>, abgerufen am 23.11.2024.