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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Das thue Ich aber nicht um meines "menschlichen Be¬
rufes" willen, sondern weil Ich Mich dazu berufe. Ich spreize
Mich nicht, Alles aufzulösen, was einem Menschen aufzulösen
möglich ist, und so lange Ich z. B. noch keine zehn Jahre
alt bin, kritisire Ich den Unsinn der Gebote nicht, bin aber
gleichwohl Mensch und handle gerade darin menschlich, daß Ich
sie noch unkritisirt lasse. Kurz, Ich habe keinen Beruf, und folge
keinem, auch nicht dem, Mensch zu sein.

Weise Ich nun zurück, was der Liberalismus in seinen
verschiedenen Anstrengungen errungen hat? Es sei ferne, daß
etwas Errungenes verloren gehe! Nur wende Ich, nachdem
durch den Liberalismus "der Mensch" frei geworden, den Blick
wieder auf Mich zurück und gestehe Mir's offen: Was der
Mensch gewonnen zu haben scheint, das habe nur Ich ge¬
wonnen.

Der Mensch ist frei, wenn "der Mensch dem Menschen
das höchste Wesen ist". Also gehört es zur Vollendung des
Liberalismus, daß jedes andere höchste Wesen vernichtet, die
Theologie durch die Anthropologie umgeworfen, der Gott und
seine Gnaden verlacht, der "Atheismus" allgemein werde.

Der Egoismus des Eigenthums hat sein Letztes einge¬
büßt, wenn auch das "Mein Gott" sinnlos geworden ist; denn
Gott ist nur, wenn ihm das Heil des Einzelnen am Herzen
liegt, wie dieser in ihm sein Heil sucht.

Der politische Liberalismus hob die Ungleichheit der Herren
und Diener auf, er machte herrenlos, anarchisch. Der
Herr wurde nun vom Einzelnen, dem "Egoisten" entfernt, um
ein Gespenst zu werden: das Gesetz oder der Staat. Der
sociale Liberalismus hebt die Ungleichheit des Besitzes, der
Armen und Reichen auf, und macht besitzlos oder eigen¬

Das thue Ich aber nicht um meines „menſchlichen Be¬
rufes“ willen, ſondern weil Ich Mich dazu berufe. Ich ſpreize
Mich nicht, Alles aufzulöſen, was einem Menſchen aufzulöſen
möglich iſt, und ſo lange Ich z. B. noch keine zehn Jahre
alt bin, kritiſire Ich den Unſinn der Gebote nicht, bin aber
gleichwohl Menſch und handle gerade darin menſchlich, daß Ich
ſie noch unkritiſirt laſſe. Kurz, Ich habe keinen Beruf, und folge
keinem, auch nicht dem, Menſch zu ſein.

Weiſe Ich nun zurück, was der Liberalismus in ſeinen
verſchiedenen Anſtrengungen errungen hat? Es ſei ferne, daß
etwas Errungenes verloren gehe! Nur wende Ich, nachdem
durch den Liberalismus „der Menſch“ frei geworden, den Blick
wieder auf Mich zurück und geſtehe Mir's offen: Was der
Menſch gewonnen zu haben ſcheint, das habe nur Ich ge¬
wonnen.

Der Menſch iſt frei, wenn „der Menſch dem Menſchen
das höchſte Weſen iſt“. Alſo gehört es zur Vollendung des
Liberalismus, daß jedes andere höchſte Weſen vernichtet, die
Theologie durch die Anthropologie umgeworfen, der Gott und
ſeine Gnaden verlacht, der „Atheismus“ allgemein werde.

Der Egoismus des Eigenthums hat ſein Letztes einge¬
büßt, wenn auch das „Mein Gott“ ſinnlos geworden iſt; denn
Gott iſt nur, wenn ihm das Heil des Einzelnen am Herzen
liegt, wie dieſer in ihm ſein Heil ſucht.

Der politiſche Liberalismus hob die Ungleichheit der Herren
und Diener auf, er machte herrenlos, anarchiſch. Der
Herr wurde nun vom Einzelnen, dem „Egoiſten“ entfernt, um
ein Geſpenſt zu werden: das Geſetz oder der Staat. Der
ſociale Liberalismus hebt die Ungleichheit des Beſitzes, der
Armen und Reichen auf, und macht beſitzlos oder eigen¬

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[189/0197] Das thue Ich aber nicht um meines „menſchlichen Be¬ rufes“ willen, ſondern weil Ich Mich dazu berufe. Ich ſpreize Mich nicht, Alles aufzulöſen, was einem Menſchen aufzulöſen möglich iſt, und ſo lange Ich z. B. noch keine zehn Jahre alt bin, kritiſire Ich den Unſinn der Gebote nicht, bin aber gleichwohl Menſch und handle gerade darin menſchlich, daß Ich ſie noch unkritiſirt laſſe. Kurz, Ich habe keinen Beruf, und folge keinem, auch nicht dem, Menſch zu ſein. Weiſe Ich nun zurück, was der Liberalismus in ſeinen verſchiedenen Anſtrengungen errungen hat? Es ſei ferne, daß etwas Errungenes verloren gehe! Nur wende Ich, nachdem durch den Liberalismus „der Menſch“ frei geworden, den Blick wieder auf Mich zurück und geſtehe Mir's offen: Was der Menſch gewonnen zu haben ſcheint, das habe nur Ich ge¬ wonnen. Der Menſch iſt frei, wenn „der Menſch dem Menſchen das höchſte Weſen iſt“. Alſo gehört es zur Vollendung des Liberalismus, daß jedes andere höchſte Weſen vernichtet, die Theologie durch die Anthropologie umgeworfen, der Gott und ſeine Gnaden verlacht, der „Atheismus“ allgemein werde. Der Egoismus des Eigenthums hat ſein Letztes einge¬ büßt, wenn auch das „Mein Gott“ ſinnlos geworden iſt; denn Gott iſt nur, wenn ihm das Heil des Einzelnen am Herzen liegt, wie dieſer in ihm ſein Heil ſucht. Der politiſche Liberalismus hob die Ungleichheit der Herren und Diener auf, er machte herrenlos, anarchiſch. Der Herr wurde nun vom Einzelnen, dem „Egoiſten“ entfernt, um ein Geſpenſt zu werden: das Geſetz oder der Staat. Der ſociale Liberalismus hebt die Ungleichheit des Beſitzes, der Armen und Reichen auf, und macht beſitzlos oder eigen¬

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/197>, abgerufen am 24.11.2024.