mit Friedrich des Großen Krückstock, der um Friedrich's willen berühmt wurde.
Dem "Gebt Gott die Ehre" entspricht das Moderne: "Gebt dem Menschen die Ehre". Ich aber denke sie für Mich zu behalten.
Indem die Kritik an den Menschen die Aufforderung er¬ gehen läßt, "menschlich" zu sein, spricht sie die nothwendige Bedingung der Geselligkeit aus; denn nur als Mensch unter Menschen ist man umgänglich. Hiermit giebt sie ihren so¬ cialen Zweck kund, die Herstellung der "menschlichen Ge¬ sellschaft".
Unter den Socialtheorieen ist unstreitig die Kritik die voll¬ endetste, weil sie Alles entfernt und entwerthet, was den Men¬ schen vom Menschen trennt: alle Vorrechte bis auf das Vor¬ recht des Glaubens. In ihr kommt das Liebesprincip des Christenthums, das wahre Socialprincip, zum reinsten Voll¬ zug, und es wird das letzte mögliche Experiment gemacht, die Ausschließlichkeit und das Abstoßen den Menschen zu benehmen: ein Kampf gegen den Egoismus in seiner einfachsten und darum härtesten Form, in der Form der Einzigkeit, der Aus¬ schließlichkeit, selber.
"Wie könnt Ihr wahrhaft gesellschaftlich leben, so lange auch nur Eine Ausschließlichkeit zwischen Euch noch besteht?"
Ich frage umgekehrt: Wie könnt Ihr wahrhaft einzig sein, so lange auch nur Ein Zusammenhang zwischen Euch noch besteht? Hängt Ihr zusammen, so könnt Ihr nicht von einander, umschließt Euch ein "Band", so seid Ihr nur selb¬ ander etwas, und Euer Zwölf machen ein Dutzend, Euer Tausende ein Volk, Euer Millionen die Menschheit.
12
mit Friedrich des Großen Krückſtock, der um Friedrich's willen berühmt wurde.
Dem „Gebt Gott die Ehre“ entſpricht das Moderne: „Gebt dem Menſchen die Ehre“. Ich aber denke ſie für Mich zu behalten.
Indem die Kritik an den Menſchen die Aufforderung er¬ gehen läßt, „menſchlich“ zu ſein, ſpricht ſie die nothwendige Bedingung der Geſelligkeit aus; denn nur als Menſch unter Menſchen iſt man umgänglich. Hiermit giebt ſie ihren ſo¬ cialen Zweck kund, die Herſtellung der „menſchlichen Ge¬ ſellſchaft“.
Unter den Socialtheorieen iſt unſtreitig die Kritik die voll¬ endetſte, weil ſie Alles entfernt und entwerthet, was den Men¬ ſchen vom Menſchen trennt: alle Vorrechte bis auf das Vor¬ recht des Glaubens. In ihr kommt das Liebesprincip des Chriſtenthums, das wahre Socialprincip, zum reinſten Voll¬ zug, und es wird das letzte mögliche Experiment gemacht, die Ausſchließlichkeit und das Abſtoßen den Menſchen zu benehmen: ein Kampf gegen den Egoismus in ſeiner einfachſten und darum härteſten Form, in der Form der Einzigkeit, der Aus¬ ſchließlichkeit, ſelber.
„Wie könnt Ihr wahrhaft geſellſchaftlich leben, ſo lange auch nur Eine Ausſchließlichkeit zwiſchen Euch noch beſteht?“
Ich frage umgekehrt: Wie könnt Ihr wahrhaft einzig ſein, ſo lange auch nur Ein Zuſammenhang zwiſchen Euch noch beſteht? Hängt Ihr zuſammen, ſo könnt Ihr nicht von einander, umſchließt Euch ein „Band“, ſo ſeid Ihr nur ſelb¬ ander etwas, und Euer Zwölf machen ein Dutzend, Euer Tauſende ein Volk, Euer Millionen die Menſchheit.
12
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0185"n="177"/>
mit Friedrich des Großen Krückſtock, der um Friedrich's willen<lb/>
berühmt wurde.</p><lb/><p>Dem „Gebt Gott die Ehre“ entſpricht das Moderne:<lb/>„Gebt dem Menſchen die Ehre“. Ich aber denke ſie für Mich<lb/>
zu behalten.</p><lb/><p>Indem die Kritik an den Menſchen die Aufforderung er¬<lb/>
gehen läßt, „menſchlich“ zu ſein, ſpricht ſie die nothwendige<lb/>
Bedingung der Geſelligkeit aus; denn nur als Menſch unter<lb/>
Menſchen iſt man <hirendition="#g">umgänglich</hi>. Hiermit giebt ſie ihren <hirendition="#g">ſo¬<lb/>
cialen</hi> Zweck kund, die Herſtellung der „menſchlichen Ge¬<lb/>ſellſchaft“.</p><lb/><p>Unter den Socialtheorieen iſt unſtreitig die Kritik die voll¬<lb/>
endetſte, weil ſie Alles entfernt und entwerthet, was den Men¬<lb/>ſchen vom Menſchen <hirendition="#g">trennt</hi>: alle Vorrechte bis auf das Vor¬<lb/>
recht des Glaubens. In ihr kommt das Liebesprincip des<lb/>
Chriſtenthums, das wahre Socialprincip, zum reinſten Voll¬<lb/>
zug, und es wird das letzte mögliche Experiment gemacht, die<lb/>
Ausſchließlichkeit und das Abſtoßen den Menſchen zu benehmen:<lb/>
ein Kampf gegen den Egoismus in ſeiner einfachſten und<lb/>
darum härteſten Form, in der Form der Einzigkeit, der Aus¬<lb/>ſchließlichkeit, ſelber.</p><lb/><p>„Wie könnt Ihr wahrhaft geſellſchaftlich leben, ſo lange<lb/>
auch nur Eine Ausſchließlichkeit zwiſchen Euch noch beſteht?“</p><lb/><p>Ich frage umgekehrt: Wie könnt Ihr wahrhaft einzig<lb/>ſein, ſo lange auch nur Ein Zuſammenhang zwiſchen Euch<lb/>
noch beſteht? Hängt Ihr zuſammen, ſo könnt Ihr nicht von<lb/>
einander, umſchließt Euch ein „Band“, ſo ſeid Ihr nur <hirendition="#g">ſelb¬<lb/>
ander</hi> etwas, und Euer Zwölf machen ein Dutzend, Euer<lb/>
Tauſende ein Volk, Euer Millionen die Menſchheit.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">12<lb/></fw></div></div></div></div></body></text></TEI>
[177/0185]
mit Friedrich des Großen Krückſtock, der um Friedrich's willen
berühmt wurde.
Dem „Gebt Gott die Ehre“ entſpricht das Moderne:
„Gebt dem Menſchen die Ehre“. Ich aber denke ſie für Mich
zu behalten.
Indem die Kritik an den Menſchen die Aufforderung er¬
gehen läßt, „menſchlich“ zu ſein, ſpricht ſie die nothwendige
Bedingung der Geſelligkeit aus; denn nur als Menſch unter
Menſchen iſt man umgänglich. Hiermit giebt ſie ihren ſo¬
cialen Zweck kund, die Herſtellung der „menſchlichen Ge¬
ſellſchaft“.
Unter den Socialtheorieen iſt unſtreitig die Kritik die voll¬
endetſte, weil ſie Alles entfernt und entwerthet, was den Men¬
ſchen vom Menſchen trennt: alle Vorrechte bis auf das Vor¬
recht des Glaubens. In ihr kommt das Liebesprincip des
Chriſtenthums, das wahre Socialprincip, zum reinſten Voll¬
zug, und es wird das letzte mögliche Experiment gemacht, die
Ausſchließlichkeit und das Abſtoßen den Menſchen zu benehmen:
ein Kampf gegen den Egoismus in ſeiner einfachſten und
darum härteſten Form, in der Form der Einzigkeit, der Aus¬
ſchließlichkeit, ſelber.
„Wie könnt Ihr wahrhaft geſellſchaftlich leben, ſo lange
auch nur Eine Ausſchließlichkeit zwiſchen Euch noch beſteht?“
Ich frage umgekehrt: Wie könnt Ihr wahrhaft einzig
ſein, ſo lange auch nur Ein Zuſammenhang zwiſchen Euch
noch beſteht? Hängt Ihr zuſammen, ſo könnt Ihr nicht von
einander, umſchließt Euch ein „Band“, ſo ſeid Ihr nur ſelb¬
ander etwas, und Euer Zwölf machen ein Dutzend, Euer
Tauſende ein Volk, Euer Millionen die Menſchheit.
12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/185>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.