daß seine Mittheilung für die Andern höchst werthvoll sei, so hat er doch seine Wahrheit keinesfalls um der Andern willen gesucht und gefunden, sondern um seinetwillen, weil ihn selbst danach verlangte, weil ihm das Dunkel und der Wahn keine Ruhe ließ, bis er nach seinen besten Kräften sich Licht und Aufklärung verschafft hatte.
Er arbeitete also um seinetwillen und zur Befriedigung seines Bedürfnisses. Daß er damit auch Andern, ja der Nachwelt nützlich war, nimmt seiner Arbeit den egoistischen Charakter nicht.
Für's Andere, wenn doch auch er nur seinetwegen arbei¬ tete, warum wäre seine That menschlich, die der Andern un¬ menschlich, d. h. egoistisch? Etwa darum, weil dieses Buch, Gemälde, Symphonie u. s. w. die Arbeit seines ganzen We¬ sens ist, weil er sein Bestes dabei gethan, sich ganz hingelegt hat und ganz daraus zu erkennen ist, während das Werk eines Handwerkers nur den Handwerker, d. h. die Handwerksfertig¬ keit, nicht "den Menschen" abspiegelt? In seinen Dichtungen haben Wir den ganzen Schiller, in so und so viel hundert Oefen haben Wir dagegen nur den Ofensetzer vor Uns, nicht "den Menschen".
Heißt dieß aber mehr als: in dem einen Werke seht Ihr Mich möglichst vollständig, in dem andern nur meine Fertig¬ keit? Bin Ich es nicht wiederum, den die That ausdrückt? Und ist es nicht egoistischer, sich der Welt in einem Werke darzubieten, sich auszuarbeiten und zu gestalten, als hinter seiner Arbeit versteckt zu bleiben? Du sagst freilich, Du offen¬ barest den Menschen. Allein der Mensch, den Du offenbarst, bist Du; Du offenbarst nur Dich, jedoch mit dem Unterschiede vom Handwerker, daß dieser sich nicht in Eine Arbeit zusam¬
daß ſeine Mittheilung für die Andern höchſt werthvoll ſei, ſo hat er doch ſeine Wahrheit keinesfalls um der Andern willen geſucht und gefunden, ſondern um ſeinetwillen, weil ihn ſelbſt danach verlangte, weil ihm das Dunkel und der Wahn keine Ruhe ließ, bis er nach ſeinen beſten Kräften ſich Licht und Aufklärung verſchafft hatte.
Er arbeitete alſo um ſeinetwillen und zur Befriedigung ſeines Bedürfniſſes. Daß er damit auch Andern, ja der Nachwelt nützlich war, nimmt ſeiner Arbeit den egoiſtiſchen Charakter nicht.
Für's Andere, wenn doch auch er nur ſeinetwegen arbei¬ tete, warum wäre ſeine That menſchlich, die der Andern un¬ menſchlich, d. h. egoiſtiſch? Etwa darum, weil dieſes Buch, Gemälde, Symphonie u. ſ. w. die Arbeit ſeines ganzen We¬ ſens iſt, weil er ſein Beſtes dabei gethan, ſich ganz hingelegt hat und ganz daraus zu erkennen iſt, während das Werk eines Handwerkers nur den Handwerker, d. h. die Handwerksfertig¬ keit, nicht „den Menſchen“ abſpiegelt? In ſeinen Dichtungen haben Wir den ganzen Schiller, in ſo und ſo viel hundert Oefen haben Wir dagegen nur den Ofenſetzer vor Uns, nicht „den Menſchen“.
Heißt dieß aber mehr als: in dem einen Werke ſeht Ihr Mich möglichſt vollſtändig, in dem andern nur meine Fertig¬ keit? Bin Ich es nicht wiederum, den die That ausdrückt? Und iſt es nicht egoiſtiſcher, ſich der Welt in einem Werke darzubieten, ſich auszuarbeiten und zu geſtalten, als hinter ſeiner Arbeit verſteckt zu bleiben? Du ſagſt freilich, Du offen¬ bareſt den Menſchen. Allein der Menſch, den Du offenbarſt, biſt Du; Du offenbarſt nur Dich, jedoch mit dem Unterſchiede vom Handwerker, daß dieſer ſich nicht in Eine Arbeit zuſam¬
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daß ſeine Mittheilung für die Andern höchſt werthvoll ſei, ſo
hat er doch ſeine Wahrheit keinesfalls um der Andern willen
geſucht und gefunden, ſondern um ſeinetwillen, weil ihn ſelbſt
danach verlangte, weil ihm das Dunkel und der Wahn keine
Ruhe ließ, bis er nach ſeinen beſten Kräften ſich Licht und
Aufklärung verſchafft hatte.
Er arbeitete alſo um ſeinetwillen und zur Befriedigung
ſeines Bedürfniſſes. Daß er damit auch Andern, ja der
Nachwelt nützlich war, nimmt ſeiner Arbeit den egoiſtiſchen
Charakter nicht.
Für's Andere, wenn doch auch er nur ſeinetwegen arbei¬
tete, warum wäre ſeine That menſchlich, die der Andern un¬
menſchlich, d. h. egoiſtiſch? Etwa darum, weil dieſes Buch,
Gemälde, Symphonie u. ſ. w. die Arbeit ſeines ganzen We¬
ſens iſt, weil er ſein Beſtes dabei gethan, ſich ganz hingelegt
hat und ganz daraus zu erkennen iſt, während das Werk eines
Handwerkers nur den Handwerker, d. h. die Handwerksfertig¬
keit, nicht „den Menſchen“ abſpiegelt? In ſeinen Dichtungen
haben Wir den ganzen Schiller, in ſo und ſo viel hundert
Oefen haben Wir dagegen nur den Ofenſetzer vor Uns, nicht
„den Menſchen“.
Heißt dieß aber mehr als: in dem einen Werke ſeht Ihr
Mich möglichſt vollſtändig, in dem andern nur meine Fertig¬
keit? Bin Ich es nicht wiederum, den die That ausdrückt?
Und iſt es nicht egoiſtiſcher, ſich der Welt in einem Werke
darzubieten, ſich auszuarbeiten und zu geſtalten, als hinter
ſeiner Arbeit verſteckt zu bleiben? Du ſagſt freilich, Du offen¬
bareſt den Menſchen. Allein der Menſch, den Du offenbarſt,
biſt Du; Du offenbarſt nur Dich, jedoch mit dem Unterſchiede
vom Handwerker, daß dieſer ſich nicht in Eine Arbeit zuſam¬
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/183>, abgerufen am 25.11.2024.
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