Aber die Arbeit muß dann auch darnach sein! Es ehrt den Menschen nur die menschliche, die selbstbewußte Arbeit, nur die Arbeit, welche keine "egoistische" Absicht, sondern den Menschen zum Zwecke hat, und die Selbstoffenbarung des Menschen ist, so daß es heißen muß: laboro, ergo sum. Ich arbeite, d. h. Ich bin Mensch. Der Humane will die alle Materie verarbeitende Arbeit des Geistes, den Geist, der kein Ding in Ruhe oder in seinem Bestande läßt, der sich bei nichts beruhigt, alles auflöst, jedes gewonnene Resultat von neuem kritisirt. Dieser ruhelose Geist ist der wahre Arbeiter, er vertilgt die Vorurtheile, zerschmettert die Schranken und Beschränktheiten, und erhebt den Menschen über Alles, was ihn beherrschen möchte, indeß der Communist nur für sich, und nicht einmal frei, sondern aus Noth arbeitet, kurz einen Zwangs¬ arbeiter vorstellt.
Der Arbeiter solchen Schlages ist nicht "egoistisch", weil er nicht für Einzelne, weder für sich noch für andere Einzelne, also nicht für private Menschen arbeitet, sondern für die Menschheit und den Fortschritt derselben: er lindert nicht ein¬ zelne Schmerzen, sorgt nicht für einzelne Bedürfnisse, sondern hebt Schranken hinweg, in denen die Menschheit eingepreßt ist, zerstreut Vorurtheile, die eine ganze Zeit beherrschen, über¬ windet Hemmnisse, die Allen den Weg verlegen, beseitigt Irr¬ thümer, in denen sich die Menschen verfangen, entdeckt Wahr¬ heiten, welche für Alle und alle Zeit durch ihn gefunden wer¬ den, kurz -- er lebt und arbeitet für die Menschheit.
Für's Erste nun weiß der Entdecker einer großen Wahr¬ heit wohl, daß sie den andern Menschen nützlich sein könne, und da ihm ein neidisches Vorenthalten keinen Genuß verschafft, so theilt er sie mit; aber wenn er auch das Bewußtsein hat,
Aber die Arbeit muß dann auch darnach ſein! Es ehrt den Menſchen nur die menſchliche, die ſelbſtbewußte Arbeit, nur die Arbeit, welche keine „egoiſtiſche“ Abſicht, ſondern den Menſchen zum Zwecke hat, und die Selbſtoffenbarung des Menſchen iſt, ſo daß es heißen muß: laboro, ergo sum. Ich arbeite, d. h. Ich bin Menſch. Der Humane will die alle Materie verarbeitende Arbeit des Geiſtes, den Geiſt, der kein Ding in Ruhe oder in ſeinem Beſtande läßt, der ſich bei nichts beruhigt, alles auflöſt, jedes gewonnene Reſultat von neuem kritiſirt. Dieſer ruheloſe Geiſt iſt der wahre Arbeiter, er vertilgt die Vorurtheile, zerſchmettert die Schranken und Beſchränktheiten, und erhebt den Menſchen über Alles, was ihn beherrſchen möchte, indeß der Communiſt nur für ſich, und nicht einmal frei, ſondern aus Noth arbeitet, kurz einen Zwangs¬ arbeiter vorſtellt.
Der Arbeiter ſolchen Schlages iſt nicht „egoiſtiſch“, weil er nicht für Einzelne, weder für ſich noch für andere Einzelne, alſo nicht für private Menſchen arbeitet, ſondern für die Menſchheit und den Fortſchritt derſelben: er lindert nicht ein¬ zelne Schmerzen, ſorgt nicht für einzelne Bedürfniſſe, ſondern hebt Schranken hinweg, in denen die Menſchheit eingepreßt iſt, zerſtreut Vorurtheile, die eine ganze Zeit beherrſchen, über¬ windet Hemmniſſe, die Allen den Weg verlegen, beſeitigt Irr¬ thümer, in denen ſich die Menſchen verfangen, entdeckt Wahr¬ heiten, welche für Alle und alle Zeit durch ihn gefunden wer¬ den, kurz — er lebt und arbeitet für die Menſchheit.
Für's Erſte nun weiß der Entdecker einer großen Wahr¬ heit wohl, daß ſie den andern Menſchen nützlich ſein könne, und da ihm ein neidiſches Vorenthalten keinen Genuß verſchafft, ſo theilt er ſie mit; aber wenn er auch das Bewußtſein hat,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0182"n="174"/><p>Aber die Arbeit muß dann auch darnach ſein! Es ehrt<lb/>
den Menſchen nur die menſchliche, die ſelbſtbewußte Arbeit,<lb/>
nur die Arbeit, welche keine „egoiſtiſche“ Abſicht, ſondern den<lb/>
Menſchen zum Zwecke hat, und die Selbſtoffenbarung des<lb/>
Menſchen iſt, ſo daß es heißen muß: <hirendition="#aq">laboro, ergo sum</hi>. Ich<lb/>
arbeite, d. h. Ich bin Menſch. Der Humane will die alle<lb/>
Materie <hirendition="#g">verarbeitende</hi> Arbeit des <hirendition="#g">Geiſtes</hi>, den Geiſt, der<lb/>
kein Ding in Ruhe oder in ſeinem Beſtande läßt, der ſich bei<lb/>
nichts beruhigt, alles auflöſt, jedes gewonnene Reſultat von<lb/>
neuem kritiſirt. Dieſer ruheloſe Geiſt iſt der wahre Arbeiter,<lb/>
er vertilgt die Vorurtheile, zerſchmettert die Schranken und<lb/>
Beſchränktheiten, und erhebt den Menſchen über Alles, was<lb/>
ihn beherrſchen möchte, indeß der Communiſt nur für ſich, und<lb/>
nicht einmal frei, ſondern aus Noth arbeitet, kurz einen Zwangs¬<lb/>
arbeiter vorſtellt.</p><lb/><p>Der Arbeiter ſolchen Schlages iſt nicht „egoiſtiſch“, weil<lb/>
er nicht für Einzelne, weder für ſich noch für andere Einzelne,<lb/>
alſo nicht für <hirendition="#g">private</hi> Menſchen arbeitet, ſondern für die<lb/>
Menſchheit und den Fortſchritt derſelben: er lindert nicht ein¬<lb/>
zelne Schmerzen, ſorgt nicht für einzelne Bedürfniſſe, ſondern<lb/>
hebt Schranken hinweg, in denen die Menſchheit eingepreßt<lb/>
iſt, zerſtreut Vorurtheile, die eine ganze Zeit beherrſchen, über¬<lb/>
windet Hemmniſſe, die Allen den Weg verlegen, beſeitigt Irr¬<lb/>
thümer, in denen ſich die Menſchen verfangen, entdeckt Wahr¬<lb/>
heiten, welche für Alle und alle Zeit durch ihn gefunden wer¬<lb/>
den, kurz — er lebt und arbeitet für die Menſchheit.</p><lb/><p>Für's Erſte nun weiß der Entdecker einer großen Wahr¬<lb/>
heit wohl, daß ſie den andern Menſchen nützlich ſein könne,<lb/>
und da ihm ein neidiſches Vorenthalten keinen Genuß verſchafft,<lb/>ſo theilt er ſie mit; aber wenn er auch das Bewußtſein hat,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[174/0182]
Aber die Arbeit muß dann auch darnach ſein! Es ehrt
den Menſchen nur die menſchliche, die ſelbſtbewußte Arbeit,
nur die Arbeit, welche keine „egoiſtiſche“ Abſicht, ſondern den
Menſchen zum Zwecke hat, und die Selbſtoffenbarung des
Menſchen iſt, ſo daß es heißen muß: laboro, ergo sum. Ich
arbeite, d. h. Ich bin Menſch. Der Humane will die alle
Materie verarbeitende Arbeit des Geiſtes, den Geiſt, der
kein Ding in Ruhe oder in ſeinem Beſtande läßt, der ſich bei
nichts beruhigt, alles auflöſt, jedes gewonnene Reſultat von
neuem kritiſirt. Dieſer ruheloſe Geiſt iſt der wahre Arbeiter,
er vertilgt die Vorurtheile, zerſchmettert die Schranken und
Beſchränktheiten, und erhebt den Menſchen über Alles, was
ihn beherrſchen möchte, indeß der Communiſt nur für ſich, und
nicht einmal frei, ſondern aus Noth arbeitet, kurz einen Zwangs¬
arbeiter vorſtellt.
Der Arbeiter ſolchen Schlages iſt nicht „egoiſtiſch“, weil
er nicht für Einzelne, weder für ſich noch für andere Einzelne,
alſo nicht für private Menſchen arbeitet, ſondern für die
Menſchheit und den Fortſchritt derſelben: er lindert nicht ein¬
zelne Schmerzen, ſorgt nicht für einzelne Bedürfniſſe, ſondern
hebt Schranken hinweg, in denen die Menſchheit eingepreßt
iſt, zerſtreut Vorurtheile, die eine ganze Zeit beherrſchen, über¬
windet Hemmniſſe, die Allen den Weg verlegen, beſeitigt Irr¬
thümer, in denen ſich die Menſchen verfangen, entdeckt Wahr¬
heiten, welche für Alle und alle Zeit durch ihn gefunden wer¬
den, kurz — er lebt und arbeitet für die Menſchheit.
Für's Erſte nun weiß der Entdecker einer großen Wahr¬
heit wohl, daß ſie den andern Menſchen nützlich ſein könne,
und da ihm ein neidiſches Vorenthalten keinen Genuß verſchafft,
ſo theilt er ſie mit; aber wenn er auch das Bewußtſein hat,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/182>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.