und ihre Empörung nicht aufkommen. Jetzt genügt nicht mehr die Beschwichtigung der Begierden, sondern es wird ihre Sättigung gefordert. Die Bourgeoisie hat das Evangelium des Weltgenusses, des materiellen Genusses verkündet und wundert sich nun, daß diese Lehre unter Uns Armen Anhänger findet; sie hat gezeigt, daß nicht Glaube und Armuth, sondern Bildung und Besitz selig macht: das begreifen Wir Proleta¬ rier auch.
Von Befehl und Willkühr Einzelner befreite das Bürger¬ thum. Allein jene Willkühr blieb übrig, welche aus der Con¬ junctur der Verhältnisse entspringt und die Zufälligkeit der Um¬ stände genannt werden kann; es blieben das begünstigende Glück und die "vom Glück Begünstigten" übrig.
Wenn z. B. ein Gewerbszweig zu Grunde geht und Tausende von Arbeitern brodlos werden, so denkt man billig genug, um zu bekennen, daß nicht der Einzelne die Schuld trägt, sondern "das Uebel in den Verhältnissen liegt."
Aendern Wir denn die Verhältnisse, aber ändern Wir sie durchgreifend und so, daß ihre Zufälligkeit ohnmächtig wird und ein Gesetz! Seien Wir nicht länger Sklaven des Zu¬ falls! Schaffen Wir eine neue Ordnung, die den Schwan¬ kungen ein Ende macht. Diese Ordnung sei dann heilig!
Früher mußte man es den Herren recht machen, um zu etwas zu kommen; nach der Revolution hieß es: Hasche das Glück! Glücksjagd oder Hazardspiel, darin ging das bürger¬ liche Leben auf. Daneben dann die Forderung, daß, wer et¬ was erlangt hat, dieß nicht leichtsinnig wieder aufs Spiel setze.
Seltsamer und doch höchst natürlicher Widerspruch. Die Concurrenz, in der allein das bürgerliche oder politische Leben sich abwickelt, ist durch und durch ein Glücksspiel, von den
und ihre Empörung nicht aufkommen. Jetzt genügt nicht mehr die Beſchwichtigung der Begierden, ſondern es wird ihre Sättigung gefordert. Die Bourgeoiſie hat das Evangelium des Weltgenuſſes, des materiellen Genuſſes verkündet und wundert ſich nun, daß dieſe Lehre unter Uns Armen Anhänger findet; ſie hat gezeigt, daß nicht Glaube und Armuth, ſondern Bildung und Beſitz ſelig macht: das begreifen Wir Proleta¬ rier auch.
Von Befehl und Willkühr Einzelner befreite das Bürger¬ thum. Allein jene Willkühr blieb übrig, welche aus der Con¬ junctur der Verhältniſſe entſpringt und die Zufälligkeit der Um¬ ſtände genannt werden kann; es blieben das begünſtigende Glück und die „vom Glück Begünſtigten“ übrig.
Wenn z. B. ein Gewerbszweig zu Grunde geht und Tauſende von Arbeitern brodlos werden, ſo denkt man billig genug, um zu bekennen, daß nicht der Einzelne die Schuld trägt, ſondern „das Uebel in den Verhältniſſen liegt.“
Aendern Wir denn die Verhältniſſe, aber ändern Wir ſie durchgreifend und ſo, daß ihre Zufälligkeit ohnmächtig wird und ein Geſetz! Seien Wir nicht länger Sklaven des Zu¬ falls! Schaffen Wir eine neue Ordnung, die den Schwan¬ kungen ein Ende macht. Dieſe Ordnung ſei dann heilig!
Früher mußte man es den Herren recht machen, um zu etwas zu kommen; nach der Revolution hieß es: Haſche das Glück! Glücksjagd oder Hazardſpiel, darin ging das bürger¬ liche Leben auf. Daneben dann die Forderung, daß, wer et¬ was erlangt hat, dieß nicht leichtſinnig wieder aufs Spiel ſetze.
Seltſamer und doch höchſt natürlicher Widerſpruch. Die Concurrenz, in der allein das bürgerliche oder politiſche Leben ſich abwickelt, iſt durch und durch ein Glücksſpiel, von den
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und ihre Empörung nicht aufkommen. Jetzt genügt nicht mehr
die Beſchwichtigung der Begierden, ſondern es wird ihre
Sättigung gefordert. Die Bourgeoiſie hat das Evangelium
des Weltgenuſſes, des materiellen Genuſſes verkündet und
wundert ſich nun, daß dieſe Lehre unter Uns Armen Anhänger
findet; ſie hat gezeigt, daß nicht Glaube und Armuth, ſondern
Bildung und Beſitz ſelig macht: das begreifen Wir Proleta¬
rier auch.
Von Befehl und Willkühr Einzelner befreite das Bürger¬
thum. Allein jene Willkühr blieb übrig, welche aus der Con¬
junctur der Verhältniſſe entſpringt und die Zufälligkeit der Um¬
ſtände genannt werden kann; es blieben das begünſtigende
Glück und die „vom Glück Begünſtigten“ übrig.
Wenn z. B. ein Gewerbszweig zu Grunde geht und
Tauſende von Arbeitern brodlos werden, ſo denkt man billig
genug, um zu bekennen, daß nicht der Einzelne die Schuld
trägt, ſondern „das Uebel in den Verhältniſſen liegt.“
Aendern Wir denn die Verhältniſſe, aber ändern Wir ſie
durchgreifend und ſo, daß ihre Zufälligkeit ohnmächtig wird
und ein Geſetz! Seien Wir nicht länger Sklaven des Zu¬
falls! Schaffen Wir eine neue Ordnung, die den Schwan¬
kungen ein Ende macht. Dieſe Ordnung ſei dann heilig!
Früher mußte man es den Herren recht machen, um zu
etwas zu kommen; nach der Revolution hieß es: Haſche das
Glück! Glücksjagd oder Hazardſpiel, darin ging das bürger¬
liche Leben auf. Daneben dann die Forderung, daß, wer et¬
was erlangt hat, dieß nicht leichtſinnig wieder aufs Spiel ſetze.
Seltſamer und doch höchſt natürlicher Widerſpruch. Die
Concurrenz, in der allein das bürgerliche oder politiſche Leben
ſich abwickelt, iſt durch und durch ein Glücksſpiel, von den
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/167>, abgerufen am 25.11.2024.
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