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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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die Freiheit, die Humanität, die Gerechtigkeit etwas anderes,
als daß Ihr Euch enthusiasmirt und ihnen dient?

Sie stehen sich alle ausnehmend gut dabei, wenn ihnen
pflichteifrigst gehuldigt wird. Betrachtet einmal das Volk, das
von ergebenen Patrioten geschützt wird. Die Patrioten fal¬
len im blutigen Kampfe oder im Kampfe mit Hunger und
Noth; was fragt das Volk darnach? Das Volk wird durch
den Dünger ihrer Leichen ein "blühendes Volk"! Die Indi¬
viduen sind "für die große Sache des Volks" gestorben, und
das Volk schickt ihnen einige Worte des Dankes nach und --
hat den Prosit davon. Das nenn' Ich Mir einen einträglichen
Egoismus.

Aber seht doch jenen Sultan an, der für "die Seinen"
so liebreich sorgt. Ist er nicht die pure Uneigennützigkeit sel¬
ber und opfert er sich nicht stündlich für die Seinen? Ja wohl,
für "die Seinen". Versuch' es einmal und zeige Dich nicht
als der Seine, sondern als der Deine: Du wirst dafür, daß
Du seinem Egoismus Dich entzogst, in den Kerker wandern.
Der Sultan hat seine Sache auf Nichts, als auf sich gestellt:
er ist sich Alles in Allem, ist sich der einzige und duldet keinen,
der es wagte, nicht einer der "Seinen" zu sein.

Und an diesen glänzenden Beispielen wollt Ihr nicht ler¬
nen, daß der Egoist am besten fährt? Ich Meinestheils nehme
Mir eine Lehre daran und will, statt jenen großen Egoisten
ferner uneigennützig zu dienen, lieber selber der Egoist sein.

Gott und die Menschheit haben ihre Sache aus Nichts
gestellt, auf nichts als auf Sich. Stelle Ich denn meine
Sache gleichfalls auf Mich, der Ich so gut wie Gott das
Nichts von allem Andern, der Ich mein Alles, der Ich der
Einzige bin.

die Freiheit, die Humanität, die Gerechtigkeit etwas anderes,
als daß Ihr Euch enthuſiasmirt und ihnen dient?

Sie ſtehen ſich alle ausnehmend gut dabei, wenn ihnen
pflichteifrigſt gehuldigt wird. Betrachtet einmal das Volk, das
von ergebenen Patrioten geſchützt wird. Die Patrioten fal¬
len im blutigen Kampfe oder im Kampfe mit Hunger und
Noth; was fragt das Volk darnach? Das Volk wird durch
den Dünger ihrer Leichen ein „blühendes Volk“! Die Indi¬
viduen ſind „für die große Sache des Volks“ geſtorben, und
das Volk ſchickt ihnen einige Worte des Dankes nach und —
hat den Proſit davon. Das nenn' Ich Mir einen einträglichen
Egoismus.

Aber ſeht doch jenen Sultan an, der für „die Seinen“
ſo liebreich ſorgt. Iſt er nicht die pure Uneigennützigkeit ſel¬
ber und opfert er ſich nicht ſtündlich für die Seinen? Ja wohl,
für „die Seinen“. Verſuch' es einmal und zeige Dich nicht
als der Seine, ſondern als der Deine: Du wirſt dafür, daß
Du ſeinem Egoismus Dich entzogſt, in den Kerker wandern.
Der Sultan hat ſeine Sache auf Nichts, als auf ſich geſtellt:
er iſt ſich Alles in Allem, iſt ſich der einzige und duldet keinen,
der es wagte, nicht einer der „Seinen“ zu ſein.

Und an dieſen glänzenden Beiſpielen wollt Ihr nicht ler¬
nen, daß der Egoiſt am beſten fährt? Ich Meinestheils nehme
Mir eine Lehre daran und will, ſtatt jenen großen Egoiſten
ferner uneigennützig zu dienen, lieber ſelber der Egoiſt ſein.

Gott und die Menſchheit haben ihre Sache aus Nichts
geſtellt, auf nichts als auf Sich. Stelle Ich denn meine
Sache gleichfalls auf Mich, der Ich ſo gut wie Gott das
Nichts von allem Andern, der Ich mein Alles, der Ich der
Einzige bin.

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[7/0015] die Freiheit, die Humanität, die Gerechtigkeit etwas anderes, als daß Ihr Euch enthuſiasmirt und ihnen dient? Sie ſtehen ſich alle ausnehmend gut dabei, wenn ihnen pflichteifrigſt gehuldigt wird. Betrachtet einmal das Volk, das von ergebenen Patrioten geſchützt wird. Die Patrioten fal¬ len im blutigen Kampfe oder im Kampfe mit Hunger und Noth; was fragt das Volk darnach? Das Volk wird durch den Dünger ihrer Leichen ein „blühendes Volk“! Die Indi¬ viduen ſind „für die große Sache des Volks“ geſtorben, und das Volk ſchickt ihnen einige Worte des Dankes nach und — hat den Proſit davon. Das nenn' Ich Mir einen einträglichen Egoismus. Aber ſeht doch jenen Sultan an, der für „die Seinen“ ſo liebreich ſorgt. Iſt er nicht die pure Uneigennützigkeit ſel¬ ber und opfert er ſich nicht ſtündlich für die Seinen? Ja wohl, für „die Seinen“. Verſuch' es einmal und zeige Dich nicht als der Seine, ſondern als der Deine: Du wirſt dafür, daß Du ſeinem Egoismus Dich entzogſt, in den Kerker wandern. Der Sultan hat ſeine Sache auf Nichts, als auf ſich geſtellt: er iſt ſich Alles in Allem, iſt ſich der einzige und duldet keinen, der es wagte, nicht einer der „Seinen“ zu ſein. Und an dieſen glänzenden Beiſpielen wollt Ihr nicht ler¬ nen, daß der Egoiſt am beſten fährt? Ich Meinestheils nehme Mir eine Lehre daran und will, ſtatt jenen großen Egoiſten ferner uneigennützig zu dienen, lieber ſelber der Egoiſt ſein. Gott und die Menſchheit haben ihre Sache aus Nichts geſtellt, auf nichts als auf Sich. Stelle Ich denn meine Sache gleichfalls auf Mich, der Ich ſo gut wie Gott das Nichts von allem Andern, der Ich mein Alles, der Ich der Einzige bin.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/15>, abgerufen am 24.11.2024.