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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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selbst Geistlicher. Das eben ist der Fortschritt über das
Mittelalter und zugleich der Fluch der Reformationsperiode,
daß das Geistliche vollständig wurde.

Was war die jesuitische Moral anders, als eine Fort¬
setzung des Ablaßkrames, nur daß der seiner Sünden Entlastete
nunmehr auch eine Einsicht in den Sündenerlaß gewann
und sich überzeugte, wie wirklich seine Sünde von ihm genom¬
men werde, da es ja in diesem oder jenem bestimmten Falle
(Casuisten) gar keine Sünde sei, was er begehe. Der Abla߬
kram hatte alle Sünden und Vergehen zulässig gemacht und
jede Gewissensregung zum Schweigen gebracht. Die ganze
Sinnlichkeit durfte walten, wenn sie nur der Kirche abgekauft
wurde. Diese Begünstigung der Sinnlichkeit wurde von den
Jesuiten fortgesetzt, während die sittenstrengen, finstern, fanati¬
schen, bußfertigen, zerknirschten, betenden Protestanten allerdings
als die wahren Vollender des Christenthums, den geistigen
und geistlichen Menschen allein gelten ließen. Der Katholi¬
cismus, besonders die Jesuiten leisteten auf diese Weise dem
Egoismus Vorschub, fanden innerhalb des Protestantismus
selbst einen unfreiwilligen und unbewußten Anhang und rette¬
ten Uns vor dem Verkommen und Untergang der Sinnlich¬
keit. Gleichwohl breitet der protestantische Geist seine Herr¬
schaft immer weiter aus, und da das Jesuitische neben ihm,
dem "Göttlichen", nur das von allem Göttlichen untrennbare
"Teuflische" darstellt, so kann es nirgends sich allein behaup¬
ten, sondern muß zusehen, wie z. B. in Frankreich endlich das
Philisterthum des Protestantismus siegt und der Geist oben¬
auf ist.

Dem Protestantismus pflegt das Compliment gemacht zu
werden, daß er das Weltliche wieder zu Ehren gebracht habe,

ſelbſt Geiſtlicher. Das eben iſt der Fortſchritt über das
Mittelalter und zugleich der Fluch der Reformationsperiode,
daß das Geiſtliche vollſtändig wurde.

Was war die jeſuitiſche Moral anders, als eine Fort¬
ſetzung des Ablaßkrames, nur daß der ſeiner Sünden Entlaſtete
nunmehr auch eine Einſicht in den Sündenerlaß gewann
und ſich überzeugte, wie wirklich ſeine Sünde von ihm genom¬
men werde, da es ja in dieſem oder jenem beſtimmten Falle
(Caſuiſten) gar keine Sünde ſei, was er begehe. Der Abla߬
kram hatte alle Sünden und Vergehen zuläſſig gemacht und
jede Gewiſſensregung zum Schweigen gebracht. Die ganze
Sinnlichkeit durfte walten, wenn ſie nur der Kirche abgekauft
wurde. Dieſe Begünſtigung der Sinnlichkeit wurde von den
Jeſuiten fortgeſetzt, während die ſittenſtrengen, finſtern, fanati¬
ſchen, bußfertigen, zerknirſchten, betenden Proteſtanten allerdings
als die wahren Vollender des Chriſtenthums, den geiſtigen
und geiſtlichen Menſchen allein gelten ließen. Der Katholi¬
cismus, beſonders die Jeſuiten leiſteten auf dieſe Weiſe dem
Egoismus Vorſchub, fanden innerhalb des Proteſtantismus
ſelbſt einen unfreiwilligen und unbewußten Anhang und rette¬
ten Uns vor dem Verkommen und Untergang der Sinnlich¬
keit. Gleichwohl breitet der proteſtantiſche Geiſt ſeine Herr¬
ſchaft immer weiter aus, und da das Jeſuitiſche neben ihm,
dem „Göttlichen“, nur das von allem Göttlichen untrennbare
„Teufliſche“ darſtellt, ſo kann es nirgends ſich allein behaup¬
ten, ſondern muß zuſehen, wie z. B. in Frankreich endlich das
Philiſterthum des Proteſtantismus ſiegt und der Geiſt oben¬
auf iſt.

Dem Proteſtantismus pflegt das Compliment gemacht zu
werden, daß er das Weltliche wieder zu Ehren gebracht habe,

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[118/0126] ſelbſt Geiſtlicher. Das eben iſt der Fortſchritt über das Mittelalter und zugleich der Fluch der Reformationsperiode, daß das Geiſtliche vollſtändig wurde. Was war die jeſuitiſche Moral anders, als eine Fort¬ ſetzung des Ablaßkrames, nur daß der ſeiner Sünden Entlaſtete nunmehr auch eine Einſicht in den Sündenerlaß gewann und ſich überzeugte, wie wirklich ſeine Sünde von ihm genom¬ men werde, da es ja in dieſem oder jenem beſtimmten Falle (Caſuiſten) gar keine Sünde ſei, was er begehe. Der Abla߬ kram hatte alle Sünden und Vergehen zuläſſig gemacht und jede Gewiſſensregung zum Schweigen gebracht. Die ganze Sinnlichkeit durfte walten, wenn ſie nur der Kirche abgekauft wurde. Dieſe Begünſtigung der Sinnlichkeit wurde von den Jeſuiten fortgeſetzt, während die ſittenſtrengen, finſtern, fanati¬ ſchen, bußfertigen, zerknirſchten, betenden Proteſtanten allerdings als die wahren Vollender des Chriſtenthums, den geiſtigen und geiſtlichen Menſchen allein gelten ließen. Der Katholi¬ cismus, beſonders die Jeſuiten leiſteten auf dieſe Weiſe dem Egoismus Vorſchub, fanden innerhalb des Proteſtantismus ſelbſt einen unfreiwilligen und unbewußten Anhang und rette¬ ten Uns vor dem Verkommen und Untergang der Sinnlich¬ keit. Gleichwohl breitet der proteſtantiſche Geiſt ſeine Herr¬ ſchaft immer weiter aus, und da das Jeſuitiſche neben ihm, dem „Göttlichen“, nur das von allem Göttlichen untrennbare „Teufliſche“ darſtellt, ſo kann es nirgends ſich allein behaup¬ ten, ſondern muß zuſehen, wie z. B. in Frankreich endlich das Philiſterthum des Proteſtantismus ſiegt und der Geiſt oben¬ auf iſt. Dem Proteſtantismus pflegt das Compliment gemacht zu werden, daß er das Weltliche wieder zu Ehren gebracht habe,

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/126>, abgerufen am 23.11.2024.