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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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kendes Leben heißt: "geistiges Leben"! Es lebt nur der Geist,
sein Leben ist das wahre Leben. Ebenso sind dann in der
Natur nur die "ewigen Gesetze", der Geist oder die Vernunft
der Natur das wahre Leben derselben. Nur der Gedanke, im
Menschen, wie in der Natur, lebt; alles Andere ist todt! Zu
dieser Abstraction, zum Leben der Allgemeinheiten oder des
Leblosen muß es mit der Geschichte des Geistes kommen.
Gott, welcher Geist ist, lebt allein. Es lebt nichts als das
Gespenst.

Wie kann man von der neueren Philosophie oder Zeit
behaupten wollen, sie habe es zur Freiheit gebracht, da sie
Uns von der Gewalt der Gegenständlichkeit nicht befreite?
Oder bin Ich etwa frei vom Despoten, wenn Ich mich zwar
vor dem persönlichen Machthaber nicht fürchte, aber vor jeder
Verletzung der Pietät, welche Ich ihm zu schulden wähne?
Nicht anders verhält es sich mit der neueren Zeit. Sie ver¬
wandelte nur die existirenden Objecte, den wirklichen Ge¬
walthaber u. s. w. in vorgestellte, d.h. in Begriffe, vor
denen der alte Respect sich nicht nur nicht verlor, sondern an
Intensität zunahm. Schlug man auch Gott und dem Teufel
in ihrer vormaligen crassen Wirklichkeit ein Schnippchen, so
widmete man nur um so größere Aufmerksamkeit ihren Begrif¬
fen. "Den Bösen sind sie los, das Böse ist geblieben." Den
bestehenden Staat zu revoltiren, die bestehenden Gesetze umzu¬
stürzen, trug man wenig Bedenken, da man einmal entschlossen
war, sich von dem Vorhandenen und Handgreiflichen nicht
länger imponiren zu lassen; allein gegen den Begriff des
Staates zu sündigen, dem Begriffe des Gesetzes sich nicht
zu unterwerfen, wer hätte das gewagt? So blieb man "Staats¬
bürger" und ein "gesetzlicher", loyaler Mensch; ja man dünkte

kendes Leben heißt: „geiſtiges Leben“! Es lebt nur der Geiſt,
ſein Leben iſt das wahre Leben. Ebenſo ſind dann in der
Natur nur die „ewigen Geſetze“, der Geiſt oder die Vernunft
der Natur das wahre Leben derſelben. Nur der Gedanke, im
Menſchen, wie in der Natur, lebt; alles Andere iſt todt! Zu
dieſer Abſtraction, zum Leben der Allgemeinheiten oder des
Lebloſen muß es mit der Geſchichte des Geiſtes kommen.
Gott, welcher Geiſt iſt, lebt allein. Es lebt nichts als das
Geſpenſt.

Wie kann man von der neueren Philoſophie oder Zeit
behaupten wollen, ſie habe es zur Freiheit gebracht, da ſie
Uns von der Gewalt der Gegenſtändlichkeit nicht befreite?
Oder bin Ich etwa frei vom Despoten, wenn Ich mich zwar
vor dem perſönlichen Machthaber nicht fürchte, aber vor jeder
Verletzung der Pietät, welche Ich ihm zu ſchulden wähne?
Nicht anders verhält es ſich mit der neueren Zeit. Sie ver¬
wandelte nur die exiſtirenden Objecte, den wirklichen Ge¬
walthaber u. ſ. w. in vorgeſtellte, d.h. in Begriffe, vor
denen der alte Reſpect ſich nicht nur nicht verlor, ſondern an
Intenſität zunahm. Schlug man auch Gott und dem Teufel
in ihrer vormaligen craſſen Wirklichkeit ein Schnippchen, ſo
widmete man nur um ſo größere Aufmerkſamkeit ihren Begrif¬
fen. „Den Böſen ſind ſie los, das Böſe iſt geblieben.“ Den
beſtehenden Staat zu revoltiren, die beſtehenden Geſetze umzu¬
ſtürzen, trug man wenig Bedenken, da man einmal entſchloſſen
war, ſich von dem Vorhandenen und Handgreiflichen nicht
länger imponiren zu laſſen; allein gegen den Begriff des
Staates zu ſündigen, dem Begriffe des Geſetzes ſich nicht
zu unterwerfen, wer hätte das gewagt? So blieb man „Staats¬
bürger“ und ein „geſetzlicher“, loyaler Menſch; ja man dünkte

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[114/0122] kendes Leben heißt: „geiſtiges Leben“! Es lebt nur der Geiſt, ſein Leben iſt das wahre Leben. Ebenſo ſind dann in der Natur nur die „ewigen Geſetze“, der Geiſt oder die Vernunft der Natur das wahre Leben derſelben. Nur der Gedanke, im Menſchen, wie in der Natur, lebt; alles Andere iſt todt! Zu dieſer Abſtraction, zum Leben der Allgemeinheiten oder des Lebloſen muß es mit der Geſchichte des Geiſtes kommen. Gott, welcher Geiſt iſt, lebt allein. Es lebt nichts als das Geſpenſt. Wie kann man von der neueren Philoſophie oder Zeit behaupten wollen, ſie habe es zur Freiheit gebracht, da ſie Uns von der Gewalt der Gegenſtändlichkeit nicht befreite? Oder bin Ich etwa frei vom Despoten, wenn Ich mich zwar vor dem perſönlichen Machthaber nicht fürchte, aber vor jeder Verletzung der Pietät, welche Ich ihm zu ſchulden wähne? Nicht anders verhält es ſich mit der neueren Zeit. Sie ver¬ wandelte nur die exiſtirenden Objecte, den wirklichen Ge¬ walthaber u. ſ. w. in vorgeſtellte, d.h. in Begriffe, vor denen der alte Reſpect ſich nicht nur nicht verlor, ſondern an Intenſität zunahm. Schlug man auch Gott und dem Teufel in ihrer vormaligen craſſen Wirklichkeit ein Schnippchen, ſo widmete man nur um ſo größere Aufmerkſamkeit ihren Begrif¬ fen. „Den Böſen ſind ſie los, das Böſe iſt geblieben.“ Den beſtehenden Staat zu revoltiren, die beſtehenden Geſetze umzu¬ ſtürzen, trug man wenig Bedenken, da man einmal entſchloſſen war, ſich von dem Vorhandenen und Handgreiflichen nicht länger imponiren zu laſſen; allein gegen den Begriff des Staates zu ſündigen, dem Begriffe des Geſetzes ſich nicht zu unterwerfen, wer hätte das gewagt? So blieb man „Staats¬ bürger“ und ein „geſetzlicher“, loyaler Menſch; ja man dünkte

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/122>, abgerufen am 27.11.2024.