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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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gewesen, daß sie kaum einige Schritte von sich gesehen
hatten, und da war alles ein einziges Weiß und
Grau durch einander gewesen. Nur die Felsen hatten
sie gesehen, an denen und zwischen denen sie gegangen
waren: allein auch heute hatten sie bereits viele Fel¬
sen gesehen, die alle den nehmlichen Anschein gehabt
hatten, wie die gestern gesehenen. Heute ließen sie
frische Spuren in dem Schnee zurük; aber gestern
sind alle Spuren von dem fallenden Schnee verdekt
worden. Auch aus dem bloßen Anblike konnten sie
nicht errathen, welche Gegend auf den Hals führe,
da alle Gegenden gleich waren. Schnee lauter Schnee.
Sie gingen aber doch immer fort, und meinten, es
zu erringen. Sie wichen den steilen Abstürzen aus,
und kletterten keine steilen Anhöhen hinauf.

Auch heute blieben sie öfter stehen, um zu hor¬
chen; aber sie vernahmen auch heute nichts, nicht den
geringsten Laut. Zu sehen war auch nichts als der
Schnee, der helle weiße Schnee, aus dem hie und da
die schwarzen Hörner und die schwarzen Steinrippen
empor standen.

Endlich war es dem Knaben, als sähe er auf
einem fernen schiefen Schneefelde ein hüpfendes Feuer.
Es tauchte auf, es tauchte nieder. Jezt sahen sie es,
jezt sahen sie es nicht. Sie blieben stehen, und blikten

Stifter, Jugendschriften. II. 6

geweſen, daß ſie kaum einige Schritte von ſich geſehen
hatten, und da war alles ein einziges Weiß und
Grau durch einander geweſen. Nur die Felſen hatten
ſie geſehen, an denen und zwiſchen denen ſie gegangen
waren: allein auch heute hatten ſie bereits viele Fel¬
ſen geſehen, die alle den nehmlichen Anſchein gehabt
hatten, wie die geſtern geſehenen. Heute ließen ſie
friſche Spuren in dem Schnee zurük; aber geſtern
ſind alle Spuren von dem fallenden Schnee verdekt
worden. Auch aus dem bloßen Anblike konnten ſie
nicht errathen, welche Gegend auf den Hals führe,
da alle Gegenden gleich waren. Schnee lauter Schnee.
Sie gingen aber doch immer fort, und meinten, es
zu erringen. Sie wichen den ſteilen Abſtürzen aus,
und kletterten keine ſteilen Anhöhen hinauf.

Auch heute blieben ſie öfter ſtehen, um zu hor¬
chen; aber ſie vernahmen auch heute nichts, nicht den
geringſten Laut. Zu ſehen war auch nichts als der
Schnee, der helle weiße Schnee, aus dem hie und da
die ſchwarzen Hörner und die ſchwarzen Steinrippen
empor ſtanden.

Endlich war es dem Knaben, als ſähe er auf
einem fernen ſchiefen Schneefelde ein hüpfendes Feuer.
Es tauchte auf, es tauchte nieder. Jezt ſahen ſie es,
jezt ſahen ſie es nicht. Sie blieben ſtehen, und blikten

Stifter, Jugendſchriften. II. 6
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[81/0092] geweſen, daß ſie kaum einige Schritte von ſich geſehen hatten, und da war alles ein einziges Weiß und Grau durch einander geweſen. Nur die Felſen hatten ſie geſehen, an denen und zwiſchen denen ſie gegangen waren: allein auch heute hatten ſie bereits viele Fel¬ ſen geſehen, die alle den nehmlichen Anſchein gehabt hatten, wie die geſtern geſehenen. Heute ließen ſie friſche Spuren in dem Schnee zurük; aber geſtern ſind alle Spuren von dem fallenden Schnee verdekt worden. Auch aus dem bloßen Anblike konnten ſie nicht errathen, welche Gegend auf den Hals führe, da alle Gegenden gleich waren. Schnee lauter Schnee. Sie gingen aber doch immer fort, und meinten, es zu erringen. Sie wichen den ſteilen Abſtürzen aus, und kletterten keine ſteilen Anhöhen hinauf. Auch heute blieben ſie öfter ſtehen, um zu hor¬ chen; aber ſie vernahmen auch heute nichts, nicht den geringſten Laut. Zu ſehen war auch nichts als der Schnee, der helle weiße Schnee, aus dem hie und da die ſchwarzen Hörner und die ſchwarzen Steinrippen empor ſtanden. Endlich war es dem Knaben, als ſähe er auf einem fernen ſchiefen Schneefelde ein hüpfendes Feuer. Es tauchte auf, es tauchte nieder. Jezt ſahen ſie es, jezt ſahen ſie es nicht. Sie blieben ſtehen, und blikten Stifter, Jugendſchriften. II. 6

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/92>, abgerufen am 24.11.2024.