"Vielleicht ist nur der Weg so breit, daß wir sie wegen des Schneiens nicht sehen können," antwortete der Knabe.
"Ja, Konrad," sagte das Mädchen.
Nach einer Weile blieb der Knabe stehen, und sagte: "Ich sehe selber keine Bäume mehr, wir müs¬ sen aus dem Walde gekommen sein, auch geht der Weg immer bergan. Wir wollen ein wenig stehen bleiben, und herum sehen, vielleicht erbliken wir etwas."
Aber sie erblikten nichts. Sie sahen durch einen trüben Raum in den Himmel. Wie bei dem Hagel über die weißen oder grünlich gedunsenen Wolken die finsteren fransenartigen Streifen herabstarren, so war es hier, und das stumme Schütten dauerte fort. Auf der Erde sahen sie nur einen runden Flek Weiß und dann nichts mehr.
"Weißt du Sanna," sagte der Knabe, "wir sind auf dem dürren Grase, auf welches ich dich oft im Sommer herauf geführt habe, wo wir saßen, und wo wir den Rasen betrachteten, der nach einander hinauf geht, und wo die schönen Kräuterbüschel wachsen. Wir werden da jezt gleich rechts hinab gehen!"
"Ja Konrad."
„Ich ſehe keine Bäume mehr,“ ſagte Sanna.
„Vielleicht iſt nur der Weg ſo breit, daß wir ſie wegen des Schneiens nicht ſehen können,“ antwortete der Knabe.
„Ja, Konrad,“ ſagte das Mädchen.
Nach einer Weile blieb der Knabe ſtehen, und ſagte: „Ich ſehe ſelber keine Bäume mehr, wir müſ¬ ſen aus dem Walde gekommen ſein, auch geht der Weg immer bergan. Wir wollen ein wenig ſtehen bleiben, und herum ſehen, vielleicht erbliken wir etwas.“
Aber ſie erblikten nichts. Sie ſahen durch einen trüben Raum in den Himmel. Wie bei dem Hagel über die weißen oder grünlich gedunſenen Wolken die finſteren franſenartigen Streifen herabſtarren, ſo war es hier, und das ſtumme Schütten dauerte fort. Auf der Erde ſahen ſie nur einen runden Flek Weiß und dann nichts mehr.
„Weißt du Sanna,“ ſagte der Knabe, „wir ſind auf dem dürren Graſe, auf welches ich dich oft im Sommer herauf geführt habe, wo wir ſaßen, und wo wir den Raſen betrachteten, der nach einander hinauf geht, und wo die ſchönen Kräuterbüſchel wachſen. Wir werden da jezt gleich rechts hinab gehen!“
„Ja Konrad.“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0061"n="50"/><p>„Ich ſehe keine Bäume mehr,“ſagte Sanna.</p><lb/><p>„Vielleicht iſt nur der Weg ſo breit, daß wir ſie<lb/>
wegen des Schneiens nicht ſehen können,“ antwortete<lb/>
der Knabe.</p><lb/><p>„Ja, Konrad,“ſagte das Mädchen.</p><lb/><p>Nach einer Weile blieb der Knabe ſtehen, und<lb/>ſagte: „Ich ſehe ſelber keine Bäume mehr, wir müſ¬<lb/>ſen aus dem Walde gekommen ſein, auch geht der<lb/>
Weg immer bergan. Wir wollen ein wenig ſtehen<lb/>
bleiben, und herum ſehen, vielleicht erbliken wir<lb/>
etwas.“</p><lb/><p>Aber ſie erblikten nichts. Sie ſahen durch einen<lb/>
trüben Raum in den Himmel. Wie bei dem Hagel<lb/>
über die weißen oder grünlich gedunſenen Wolken die<lb/>
finſteren franſenartigen Streifen herabſtarren, ſo war<lb/>
es hier, und das ſtumme Schütten dauerte fort. Auf<lb/>
der Erde ſahen ſie nur einen runden Flek Weiß und<lb/>
dann nichts mehr.</p><lb/><p>„Weißt du Sanna,“ſagte der Knabe, „wir ſind<lb/>
auf dem dürren Graſe, auf welches ich dich oft im<lb/>
Sommer herauf geführt habe, wo wir ſaßen, und wo<lb/>
wir den Raſen betrachteten, der nach einander hinauf<lb/>
geht, und wo die ſchönen Kräuterbüſchel wachſen.<lb/>
Wir werden da jezt gleich rechts hinab gehen!“</p><lb/><p>„Ja Konrad.“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[50/0061]
„Ich ſehe keine Bäume mehr,“ ſagte Sanna.
„Vielleicht iſt nur der Weg ſo breit, daß wir ſie
wegen des Schneiens nicht ſehen können,“ antwortete
der Knabe.
„Ja, Konrad,“ ſagte das Mädchen.
Nach einer Weile blieb der Knabe ſtehen, und
ſagte: „Ich ſehe ſelber keine Bäume mehr, wir müſ¬
ſen aus dem Walde gekommen ſein, auch geht der
Weg immer bergan. Wir wollen ein wenig ſtehen
bleiben, und herum ſehen, vielleicht erbliken wir
etwas.“
Aber ſie erblikten nichts. Sie ſahen durch einen
trüben Raum in den Himmel. Wie bei dem Hagel
über die weißen oder grünlich gedunſenen Wolken die
finſteren franſenartigen Streifen herabſtarren, ſo war
es hier, und das ſtumme Schütten dauerte fort. Auf
der Erde ſahen ſie nur einen runden Flek Weiß und
dann nichts mehr.
„Weißt du Sanna,“ ſagte der Knabe, „wir ſind
auf dem dürren Graſe, auf welches ich dich oft im
Sommer herauf geführt habe, wo wir ſaßen, und wo
wir den Raſen betrachteten, der nach einander hinauf
geht, und wo die ſchönen Kräuterbüſchel wachſen.
Wir werden da jezt gleich rechts hinab gehen!“
„Ja Konrad.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/61>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.