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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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wahrlich krankhafter Sehnsucht nach ihren Enkeln.
Die Färberin kam sehr oft nach Gschaid herüber, um
die Kinder zu sehen, ihnen Geschenke zu bringen, eine
Weile da zu bleiben, und dann mit guten Ermah¬
nungen zu scheiden. Da aber das Alter und die Ge¬
sundheitsumstände der Färberin die öfteren Fahrten
nicht mehr so möglich machten, und der Färber aus
dieser Ursache Einsprache that, wurde auf etwas ande¬
res gesonnen, die Sache wurde umgekehrt, und die
Kinder kamen jezt zur Großmutter. Die Mutter
brachte sie selber öfter in einem Wagen, öfter aber
wurden sie, da sie noch im zarten Alter waren, einge¬
mummt einer Magd mitgegeben, die sie in einem
Fuhrwerke über den Hals brachte. Als sie aber grö¬
ßer waren, gingen sie zu Fuße entweder mit der Mut¬
ter oder mit einer Magd nach Millsdorf, ja da der
Knabe geschikt stark und klug geworden war, ließ man
ihn allein den bekannten Weg über den Hals gehen,
und wenn es sehr schön war, und er bath, erlaubte
man auch, daß ihn die kleine Schwester begleite. Dies
ist bei den Gschaidern gebräuchlich, weil sie an star¬
kes Fußgehen gewöhnt sind, und die Eltern überhaupt
namentlich aber ein Mann wie der Schuster, es gerne
sehen, und eine Freude daran haben, wenn ihre Kin¬
der tüchtig werden.

wahrlich krankhafter Sehnſucht nach ihren Enkeln.
Die Färberin kam ſehr oft nach Gſchaid herüber, um
die Kinder zu ſehen, ihnen Geſchenke zu bringen, eine
Weile da zu bleiben, und dann mit guten Ermah¬
nungen zu ſcheiden. Da aber das Alter und die Ge¬
ſundheitsumſtände der Färberin die öfteren Fahrten
nicht mehr ſo möglich machten, und der Färber aus
dieſer Urſache Einſprache that, wurde auf etwas ande¬
res geſonnen, die Sache wurde umgekehrt, und die
Kinder kamen jezt zur Großmutter. Die Mutter
brachte ſie ſelber öfter in einem Wagen, öfter aber
wurden ſie, da ſie noch im zarten Alter waren, einge¬
mummt einer Magd mitgegeben, die ſie in einem
Fuhrwerke über den Hals brachte. Als ſie aber grö¬
ßer waren, gingen ſie zu Fuße entweder mit der Mut¬
ter oder mit einer Magd nach Millsdorf, ja da der
Knabe geſchikt ſtark und klug geworden war, ließ man
ihn allein den bekannten Weg über den Hals gehen,
und wenn es ſehr ſchön war, und er bath, erlaubte
man auch, daß ihn die kleine Schweſter begleite. Dies
iſt bei den Gſchaidern gebräuchlich, weil ſie an ſtar¬
kes Fußgehen gewöhnt ſind, und die Eltern überhaupt
namentlich aber ein Mann wie der Schuſter, es gerne
ſehen, und eine Freude daran haben, wenn ihre Kin¬
der tüchtig werden.

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[30/0041] wahrlich krankhafter Sehnſucht nach ihren Enkeln. Die Färberin kam ſehr oft nach Gſchaid herüber, um die Kinder zu ſehen, ihnen Geſchenke zu bringen, eine Weile da zu bleiben, und dann mit guten Ermah¬ nungen zu ſcheiden. Da aber das Alter und die Ge¬ ſundheitsumſtände der Färberin die öfteren Fahrten nicht mehr ſo möglich machten, und der Färber aus dieſer Urſache Einſprache that, wurde auf etwas ande¬ res geſonnen, die Sache wurde umgekehrt, und die Kinder kamen jezt zur Großmutter. Die Mutter brachte ſie ſelber öfter in einem Wagen, öfter aber wurden ſie, da ſie noch im zarten Alter waren, einge¬ mummt einer Magd mitgegeben, die ſie in einem Fuhrwerke über den Hals brachte. Als ſie aber grö¬ ßer waren, gingen ſie zu Fuße entweder mit der Mut¬ ter oder mit einer Magd nach Millsdorf, ja da der Knabe geſchikt ſtark und klug geworden war, ließ man ihn allein den bekannten Weg über den Hals gehen, und wenn es ſehr ſchön war, und er bath, erlaubte man auch, daß ihn die kleine Schweſter begleite. Dies iſt bei den Gſchaidern gebräuchlich, weil ſie an ſtar¬ kes Fußgehen gewöhnt ſind, und die Eltern überhaupt namentlich aber ein Mann wie der Schuſter, es gerne ſehen, und eine Freude daran haben, wenn ihre Kin¬ der tüchtig werden.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/41>, abgerufen am 21.11.2024.