hinüber kömmt, und den großen Marktfleken Mills¬ dorf besucht. Die Millsdorfer halten es eben so, obwohl sie ihrerseits doch Verkehr mit dem Lande draußen pflegen, und daher nicht so abgeschieden sind wie die Gschaider. Es geht sogar ein Weg, der eine Straße heißen könnte, längs ihres Thales, und mancher Reisende und mancher Wanderer geht hindurch, ohne nur im Geringsten zu ahnen, daß mitternachtwärts sei¬ nes Weges jenseits des hohen herabblikenden Schnee¬ bergs noch ein Thal sei, in dem viele Häuser zer¬ streut sind, und in dem das Dörflein mit dem spizigen Kirchthurme steht.
Unter den Gewerben des Dorfes, welche bestimmt sind, den Bedarf des Thales zu deken, ist auch das eines Schusters, das nirgends entbehrt werden kann, wo die Menschen nicht in ihrem Urzustande sind. Die Gschaider aber sind so weit über diesem Stande, daß sie recht gute und tüchtige Gebirgsfußbekleidung brauchen. Der Schuster ist mit einer kleinen Aus¬ nahme der einzige im Thale. Sein Haus steht auf dem Plaze in Gschaid, wo überhaupt die besseren stehen, und schaut mit seinen grauen Mauern, weißen Fenstersimsen und grün angestrichenen Fensterläden auf die vier Linden hinaus. Es hat im Erdgeschosse die Arbeitsstube die Gesellenstube eine größere und
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hinüber kömmt, und den großen Marktfleken Mills¬ dorf beſucht. Die Millsdorfer halten es eben ſo, obwohl ſie ihrerſeits doch Verkehr mit dem Lande draußen pflegen, und daher nicht ſo abgeſchieden ſind wie die Gſchaider. Es geht ſogar ein Weg, der eine Straße heißen könnte, längs ihres Thales, und mancher Reiſende und mancher Wanderer geht hindurch, ohne nur im Geringſten zu ahnen, daß mitternachtwärts ſei¬ nes Weges jenſeits des hohen herabblikenden Schnee¬ bergs noch ein Thal ſei, in dem viele Häuſer zer¬ ſtreut ſind, und in dem das Dörflein mit dem ſpizigen Kirchthurme ſteht.
Unter den Gewerben des Dorfes, welche beſtimmt ſind, den Bedarf des Thales zu deken, iſt auch das eines Schuſters, das nirgends entbehrt werden kann, wo die Menſchen nicht in ihrem Urzuſtande ſind. Die Gſchaider aber ſind ſo weit über dieſem Stande, daß ſie recht gute und tüchtige Gebirgsfußbekleidung brauchen. Der Schuſter iſt mit einer kleinen Aus¬ nahme der einzige im Thale. Sein Haus ſteht auf dem Plaze in Gſchaid, wo überhaupt die beſſeren ſtehen, und ſchaut mit ſeinen grauen Mauern, weißen Fenſterſimſen und grün angeſtrichenen Fenſterläden auf die vier Linden hinaus. Es hat im Erdgeſchoſſe die Arbeitsſtube die Geſellenſtube eine größere und
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hinüber kömmt, und den großen Marktfleken Mills¬
dorf beſucht. Die Millsdorfer halten es eben ſo,
obwohl ſie ihrerſeits doch Verkehr mit dem Lande
draußen pflegen, und daher nicht ſo abgeſchieden ſind
wie die Gſchaider. Es geht ſogar ein Weg, der eine
Straße heißen könnte, längs ihres Thales, und mancher
Reiſende und mancher Wanderer geht hindurch, ohne
nur im Geringſten zu ahnen, daß mitternachtwärts ſei¬
nes Weges jenſeits des hohen herabblikenden Schnee¬
bergs noch ein Thal ſei, in dem viele Häuſer zer¬
ſtreut ſind, und in dem das Dörflein mit dem ſpizigen
Kirchthurme ſteht.
Unter den Gewerben des Dorfes, welche beſtimmt
ſind, den Bedarf des Thales zu deken, iſt auch das
eines Schuſters, das nirgends entbehrt werden kann,
wo die Menſchen nicht in ihrem Urzuſtande ſind.
Die Gſchaider aber ſind ſo weit über dieſem Stande,
daß ſie recht gute und tüchtige Gebirgsfußbekleidung
brauchen. Der Schuſter iſt mit einer kleinen Aus¬
nahme der einzige im Thale. Sein Haus ſteht auf
dem Plaze in Gſchaid, wo überhaupt die beſſeren
ſtehen, und ſchaut mit ſeinen grauen Mauern, weißen
Fenſterſimſen und grün angeſtrichenen Fenſterläden
auf die vier Linden hinaus. Es hat im Erdgeſchoſſe
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/30>, abgerufen am 16.07.2024.
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