blühenderes Thal, als das von Gschaid ist, und es führt von der Unglüksäule der gebahnte Weg hinab. Es hat an seinem Eingange einen stattlichen Markt¬ fleken Millsdorf, der sehr groß ist, verschiedene Werke hat, und in manchen Häusern städtische Gewerbe und Nahrung treibt. Die Bewohner sind viel wohlhaben¬ der als die in Gschaid, und obwohl nur drei Weg¬ stunden zwischen den beiden Thälern liegen, was für die an große Entfernungen gewöhnten und Mühselig¬ keiten liebenden Gebirgsbewohner eine unbedeutende Kleinigkeit ist, so sind doch Sitten und Gewohnheiten in den beiden Thälern so verschieden, selbst der äußere Anblik derselben ist so ungleich, als ob eine große Anzahl Meilen zwischen ihnen läge. Das ist in Ge¬ birgen sehr oft der Fall, und hängt nicht nur von der verschiedenen Lage der Thäler gegen die Sonne ab, die sie oft mehr oder weniger begünstigt, sondern auch von dem Geiste der Bewohner, der durch gewisse Beschäftigungen nach dieser oder jener Richtung ge¬ zogen wird. Darin stimmen aber alle überein, daß sie an Herkömmlichkeiten und Väterweise hängen, großen Verkehr leicht entbehren, ihr Thal außerordent¬ lich lieben, und ohne demselben kaum leben können.
Es vergehen oft Monate oft fast ein Jahr, ehe ein Bewohner von Gschaid in das jenseitige Thal
blühenderes Thal, als das von Gſchaid iſt, und es führt von der Unglükſäule der gebahnte Weg hinab. Es hat an ſeinem Eingange einen ſtattlichen Markt¬ fleken Millsdorf, der ſehr groß iſt, verſchiedene Werke hat, und in manchen Häuſern ſtädtiſche Gewerbe und Nahrung treibt. Die Bewohner ſind viel wohlhaben¬ der als die in Gſchaid, und obwohl nur drei Weg¬ ſtunden zwiſchen den beiden Thälern liegen, was für die an große Entfernungen gewöhnten und Mühſelig¬ keiten liebenden Gebirgsbewohner eine unbedeutende Kleinigkeit iſt, ſo ſind doch Sitten und Gewohnheiten in den beiden Thälern ſo verſchieden, ſelbſt der äußere Anblik derſelben iſt ſo ungleich, als ob eine große Anzahl Meilen zwiſchen ihnen läge. Das iſt in Ge¬ birgen ſehr oft der Fall, und hängt nicht nur von der verſchiedenen Lage der Thäler gegen die Sonne ab, die ſie oft mehr oder weniger begünſtigt, ſondern auch von dem Geiſte der Bewohner, der durch gewiſſe Beſchäftigungen nach dieſer oder jener Richtung ge¬ zogen wird. Darin ſtimmen aber alle überein, daß ſie an Herkömmlichkeiten und Väterweiſe hängen, großen Verkehr leicht entbehren, ihr Thal außerordent¬ lich lieben, und ohne demſelben kaum leben können.
Es vergehen oft Monate oft faſt ein Jahr, ehe ein Bewohner von Gſchaid in das jenſeitige Thal
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blühenderes Thal, als das von Gſchaid iſt, und es
führt von der Unglükſäule der gebahnte Weg hinab.
Es hat an ſeinem Eingange einen ſtattlichen Markt¬
fleken Millsdorf, der ſehr groß iſt, verſchiedene Werke
hat, und in manchen Häuſern ſtädtiſche Gewerbe und
Nahrung treibt. Die Bewohner ſind viel wohlhaben¬
der als die in Gſchaid, und obwohl nur drei Weg¬
ſtunden zwiſchen den beiden Thälern liegen, was für
die an große Entfernungen gewöhnten und Mühſelig¬
keiten liebenden Gebirgsbewohner eine unbedeutende
Kleinigkeit iſt, ſo ſind doch Sitten und Gewohnheiten
in den beiden Thälern ſo verſchieden, ſelbſt der äußere
Anblik derſelben iſt ſo ungleich, als ob eine große
Anzahl Meilen zwiſchen ihnen läge. Das iſt in Ge¬
birgen ſehr oft der Fall, und hängt nicht nur von der
verſchiedenen Lage der Thäler gegen die Sonne ab,
die ſie oft mehr oder weniger begünſtigt, ſondern auch
von dem Geiſte der Bewohner, der durch gewiſſe
Beſchäftigungen nach dieſer oder jener Richtung ge¬
zogen wird. Darin ſtimmen aber alle überein, daß
ſie an Herkömmlichkeiten und Väterweiſe hängen,
großen Verkehr leicht entbehren, ihr Thal außerordent¬
lich lieben, und ohne demſelben kaum leben können.
Es vergehen oft Monate oft faſt ein Jahr, ehe
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/29>, abgerufen am 16.02.2025.
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