hänge sind so; selbst die steilrechten Wände, die die Bewohner Mauern heißen, sind mit einem angefloge¬ nen weißen Reife bedekt, und mit zartem Eise wie mit einem Firnisse belegt, so daß die ganze Masse wie ein Zauberpallast aus dem bereiften Grau der Wäl¬ derlast emporragt, welche schwer um ihre Füsse herum ausgebreitet ist. Im Sommer, wo Sonne und war¬ mer Wind den Schnee von den Steilseiten wegnimmt, ragen die Hörner nach dem Ausdruke der Bewohner schwarz in den Himmel, und haben nur schöne weiße Äderchen und Sprenkeln auf ihrem Rüken, in der That aber sind sie zart fernblau, und was sie Äderchen und Sprenkeln heißen, das ist nicht weiß, sondern hat das schöne Milchblau des fernen Schnees gegen das dunklere der Felsen. Die Bergfelder um die Hörner aber verlieren, wenn es recht heiß ist, an ihren höhe¬ ren Theilen wohl den Firn nicht, der gerade dann recht weiß auf das Grün der Thalbäume herab sieht, aber es weicht von ihren unteren Theilen der Win¬ terschnee, der nur einen Flaum machte, und es wird das unbestimmte Schillern von Bläulich und Grün¬ lich sichtbar, das das Geschiebe von Eis ist, das dann blos liegt, und auf die Bewohner unten hinab grüßt. Am Rande dieses Schillerns, wo es von ferne wie ein Saum von Edelsteinsplittem aussieht, ist es in
hänge ſind ſo; ſelbſt die ſteilrechten Wände, die die Bewohner Mauern heißen, ſind mit einem angefloge¬ nen weißen Reife bedekt, und mit zartem Eiſe wie mit einem Firniſſe belegt, ſo daß die ganze Maſſe wie ein Zauberpallaſt aus dem bereiften Grau der Wäl¬ derlaſt emporragt, welche ſchwer um ihre Füſſe herum ausgebreitet iſt. Im Sommer, wo Sonne und war¬ mer Wind den Schnee von den Steilſeiten wegnimmt, ragen die Hörner nach dem Ausdruke der Bewohner ſchwarz in den Himmel, und haben nur ſchöne weiße Äderchen und Sprenkeln auf ihrem Rüken, in der That aber ſind ſie zart fernblau, und was ſie Äderchen und Sprenkeln heißen, das iſt nicht weiß, ſondern hat das ſchöne Milchblau des fernen Schnees gegen das dunklere der Felſen. Die Bergfelder um die Hörner aber verlieren, wenn es recht heiß iſt, an ihren höhe¬ ren Theilen wohl den Firn nicht, der gerade dann recht weiß auf das Grün der Thalbäume herab ſieht, aber es weicht von ihren unteren Theilen der Win¬ terſchnee, der nur einen Flaum machte, und es wird das unbeſtimmte Schillern von Bläulich und Grün¬ lich ſichtbar, das das Geſchiebe von Eis iſt, das dann blos liegt, und auf die Bewohner unten hinab grüßt. Am Rande dieſes Schillerns, wo es von ferne wie ein Saum von Edelſteinſplittem ausſieht, iſt es in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0023"n="12"/>
hänge ſind ſo; ſelbſt die ſteilrechten Wände, die die<lb/>
Bewohner Mauern heißen, ſind mit einem angefloge¬<lb/>
nen weißen Reife bedekt, und mit zartem Eiſe wie<lb/>
mit einem Firniſſe belegt, ſo daß die ganze Maſſe wie<lb/>
ein Zauberpallaſt aus dem bereiften Grau der Wäl¬<lb/>
derlaſt emporragt, welche ſchwer um ihre Füſſe herum<lb/>
ausgebreitet iſt. Im Sommer, wo Sonne und war¬<lb/>
mer Wind den Schnee von den Steilſeiten wegnimmt,<lb/>
ragen die Hörner nach dem Ausdruke der Bewohner<lb/>ſchwarz in den Himmel, und haben nur ſchöne weiße<lb/>
Äderchen und Sprenkeln auf ihrem Rüken, in der<lb/>
That aber ſind ſie zart fernblau, und was ſie Äderchen<lb/>
und Sprenkeln heißen, das iſt nicht weiß, ſondern hat<lb/>
das ſchöne Milchblau des fernen Schnees gegen das<lb/>
dunklere der Felſen. Die Bergfelder um die Hörner<lb/>
aber verlieren, wenn es recht heiß iſt, an ihren höhe¬<lb/>
ren Theilen wohl den Firn nicht, der gerade dann<lb/>
recht weiß auf das Grün der Thalbäume herab ſieht,<lb/>
aber es weicht von ihren unteren Theilen der Win¬<lb/>
terſchnee, der nur einen Flaum machte, und es wird<lb/>
das unbeſtimmte Schillern von Bläulich und Grün¬<lb/>
lich ſichtbar, das das Geſchiebe von Eis iſt, das dann<lb/>
blos liegt, und auf die Bewohner unten hinab grüßt.<lb/>
Am Rande dieſes Schillerns, wo es von ferne wie<lb/>
ein Saum von Edelſteinſplittem ausſieht, iſt es in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[12/0023]
hänge ſind ſo; ſelbſt die ſteilrechten Wände, die die
Bewohner Mauern heißen, ſind mit einem angefloge¬
nen weißen Reife bedekt, und mit zartem Eiſe wie
mit einem Firniſſe belegt, ſo daß die ganze Maſſe wie
ein Zauberpallaſt aus dem bereiften Grau der Wäl¬
derlaſt emporragt, welche ſchwer um ihre Füſſe herum
ausgebreitet iſt. Im Sommer, wo Sonne und war¬
mer Wind den Schnee von den Steilſeiten wegnimmt,
ragen die Hörner nach dem Ausdruke der Bewohner
ſchwarz in den Himmel, und haben nur ſchöne weiße
Äderchen und Sprenkeln auf ihrem Rüken, in der
That aber ſind ſie zart fernblau, und was ſie Äderchen
und Sprenkeln heißen, das iſt nicht weiß, ſondern hat
das ſchöne Milchblau des fernen Schnees gegen das
dunklere der Felſen. Die Bergfelder um die Hörner
aber verlieren, wenn es recht heiß iſt, an ihren höhe¬
ren Theilen wohl den Firn nicht, der gerade dann
recht weiß auf das Grün der Thalbäume herab ſieht,
aber es weicht von ihren unteren Theilen der Win¬
terſchnee, der nur einen Flaum machte, und es wird
das unbeſtimmte Schillern von Bläulich und Grün¬
lich ſichtbar, das das Geſchiebe von Eis iſt, das dann
blos liegt, und auf die Bewohner unten hinab grüßt.
Am Rande dieſes Schillerns, wo es von ferne wie
ein Saum von Edelſteinſplittem ausſieht, iſt es in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/23>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.