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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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hänge sind so; selbst die steilrechten Wände, die die
Bewohner Mauern heißen, sind mit einem angefloge¬
nen weißen Reife bedekt, und mit zartem Eise wie
mit einem Firnisse belegt, so daß die ganze Masse wie
ein Zauberpallast aus dem bereiften Grau der Wäl¬
derlast emporragt, welche schwer um ihre Füsse herum
ausgebreitet ist. Im Sommer, wo Sonne und war¬
mer Wind den Schnee von den Steilseiten wegnimmt,
ragen die Hörner nach dem Ausdruke der Bewohner
schwarz in den Himmel, und haben nur schöne weiße
Äderchen und Sprenkeln auf ihrem Rüken, in der
That aber sind sie zart fernblau, und was sie Äderchen
und Sprenkeln heißen, das ist nicht weiß, sondern hat
das schöne Milchblau des fernen Schnees gegen das
dunklere der Felsen. Die Bergfelder um die Hörner
aber verlieren, wenn es recht heiß ist, an ihren höhe¬
ren Theilen wohl den Firn nicht, der gerade dann
recht weiß auf das Grün der Thalbäume herab sieht,
aber es weicht von ihren unteren Theilen der Win¬
terschnee, der nur einen Flaum machte, und es wird
das unbestimmte Schillern von Bläulich und Grün¬
lich sichtbar, das das Geschiebe von Eis ist, das dann
blos liegt, und auf die Bewohner unten hinab grüßt.
Am Rande dieses Schillerns, wo es von ferne wie
ein Saum von Edelsteinsplittem aussieht, ist es in

hänge ſind ſo; ſelbſt die ſteilrechten Wände, die die
Bewohner Mauern heißen, ſind mit einem angefloge¬
nen weißen Reife bedekt, und mit zartem Eiſe wie
mit einem Firniſſe belegt, ſo daß die ganze Maſſe wie
ein Zauberpallaſt aus dem bereiften Grau der Wäl¬
derlaſt emporragt, welche ſchwer um ihre Füſſe herum
ausgebreitet iſt. Im Sommer, wo Sonne und war¬
mer Wind den Schnee von den Steilſeiten wegnimmt,
ragen die Hörner nach dem Ausdruke der Bewohner
ſchwarz in den Himmel, und haben nur ſchöne weiße
Äderchen und Sprenkeln auf ihrem Rüken, in der
That aber ſind ſie zart fernblau, und was ſie Äderchen
und Sprenkeln heißen, das iſt nicht weiß, ſondern hat
das ſchöne Milchblau des fernen Schnees gegen das
dunklere der Felſen. Die Bergfelder um die Hörner
aber verlieren, wenn es recht heiß iſt, an ihren höhe¬
ren Theilen wohl den Firn nicht, der gerade dann
recht weiß auf das Grün der Thalbäume herab ſieht,
aber es weicht von ihren unteren Theilen der Win¬
terſchnee, der nur einen Flaum machte, und es wird
das unbeſtimmte Schillern von Bläulich und Grün¬
lich ſichtbar, das das Geſchiebe von Eis iſt, das dann
blos liegt, und auf die Bewohner unten hinab grüßt.
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[12/0023] hänge ſind ſo; ſelbſt die ſteilrechten Wände, die die Bewohner Mauern heißen, ſind mit einem angefloge¬ nen weißen Reife bedekt, und mit zartem Eiſe wie mit einem Firniſſe belegt, ſo daß die ganze Maſſe wie ein Zauberpallaſt aus dem bereiften Grau der Wäl¬ derlaſt emporragt, welche ſchwer um ihre Füſſe herum ausgebreitet iſt. Im Sommer, wo Sonne und war¬ mer Wind den Schnee von den Steilſeiten wegnimmt, ragen die Hörner nach dem Ausdruke der Bewohner ſchwarz in den Himmel, und haben nur ſchöne weiße Äderchen und Sprenkeln auf ihrem Rüken, in der That aber ſind ſie zart fernblau, und was ſie Äderchen und Sprenkeln heißen, das iſt nicht weiß, ſondern hat das ſchöne Milchblau des fernen Schnees gegen das dunklere der Felſen. Die Bergfelder um die Hörner aber verlieren, wenn es recht heiß iſt, an ihren höhe¬ ren Theilen wohl den Firn nicht, der gerade dann recht weiß auf das Grün der Thalbäume herab ſieht, aber es weicht von ihren unteren Theilen der Win¬ terſchnee, der nur einen Flaum machte, und es wird das unbeſtimmte Schillern von Bläulich und Grün¬ lich ſichtbar, das das Geſchiebe von Eis iſt, das dann blos liegt, und auf die Bewohner unten hinab grüßt. Am Rande dieſes Schillerns, wo es von ferne wie ein Saum von Edelſteinſplittem ausſieht, iſt es in

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/23>, abgerufen am 24.11.2024.