der Steinmauern sehr kühl sind, alle Gattungen von Grünwaaren Gemüsen Kartoffeln Rüben selbst Wein und Bier aufbewahrt, denen man an kühlen Tagen Luft durch geöffnete Zuglöcher zulassen kann. Die Höhe des Thurmes dient jezt blos mehr zur Aussicht, welche aber leider nur in eine große fruchtbare Ebene geht.
Der lezte Besizer hat, wie wir sagten, nie gehei¬ rathet. Er war der einzige Sohn seines Vaters von der Mutter etwas verzogen und von der Natur wider¬ sprechend ausgestattet. Während er nehmlich ein wun¬ derschönes Angesicht und einen sehr wohlgebildeten Kopf hatte, war der übrige Körper zu klein geblieben, als gehörte er jemand anderem an. Er hieß im Hause seines Vaters der kleine, obwohl es einen größeren nicht gab, da er der einzige war. Er fuhr aber auch fort, der kleine zu heißen, da er schon dreißig Jahre alt war, und man nicht mehr daran denken konnte, daß er noch wachse. Er hieß auch auf der lateinischen Schule und auf der Universität der kleine. Mit die¬ sem Widerspruche der Körpertheile war noch einer der Geistesvermögen verbunden. Er hatte ein so reines Herz, im Alter fast noch knabenhaft rein, daß er die Liebe und die Verehrung der Edelsten erworben hätte, er hatte einen klaren sicheren Verstand, der mit Schärfe
der Steinmauern ſehr kühl ſind, alle Gattungen von Grünwaaren Gemüſen Kartoffeln Rüben ſelbſt Wein und Bier aufbewahrt, denen man an kühlen Tagen Luft durch geöffnete Zuglöcher zulaſſen kann. Die Höhe des Thurmes dient jezt blos mehr zur Ausſicht, welche aber leider nur in eine große fruchtbare Ebene geht.
Der lezte Beſizer hat, wie wir ſagten, nie gehei¬ rathet. Er war der einzige Sohn ſeines Vaters von der Mutter etwas verzogen und von der Natur wider¬ ſprechend ausgeſtattet. Während er nehmlich ein wun¬ derſchönes Angeſicht und einen ſehr wohlgebildeten Kopf hatte, war der übrige Körper zu klein geblieben, als gehörte er jemand anderem an. Er hieß im Hauſe ſeines Vaters der kleine, obwohl es einen größeren nicht gab, da er der einzige war. Er fuhr aber auch fort, der kleine zu heißen, da er ſchon dreißig Jahre alt war, und man nicht mehr daran denken konnte, daß er noch wachſe. Er hieß auch auf der lateiniſchen Schule und auf der Univerſität der kleine. Mit die¬ ſem Widerſpruche der Körpertheile war noch einer der Geiſtesvermögen verbunden. Er hatte ein ſo reines Herz, im Alter faſt noch knabenhaft rein, daß er die Liebe und die Verehrung der Edelſten erworben hätte, er hatte einen klaren ſicheren Verſtand, der mit Schärfe
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0228"n="217"/>
der Steinmauern ſehr kühl ſind, alle Gattungen von<lb/>
Grünwaaren Gemüſen Kartoffeln Rüben ſelbſt Wein<lb/>
und Bier aufbewahrt, denen man an kühlen Tagen<lb/>
Luft durch geöffnete Zuglöcher zulaſſen kann. Die<lb/>
Höhe des Thurmes dient jezt blos mehr zur Ausſicht,<lb/>
welche aber leider nur in eine große fruchtbare Ebene<lb/>
geht.</p><lb/><p>Der lezte Beſizer hat, wie wir ſagten, nie gehei¬<lb/>
rathet. Er war der einzige Sohn ſeines Vaters von<lb/>
der Mutter etwas verzogen und von der Natur wider¬<lb/>ſprechend ausgeſtattet. Während er nehmlich ein wun¬<lb/>
derſchönes Angeſicht und einen ſehr wohlgebildeten<lb/>
Kopf hatte, war der übrige Körper zu klein geblieben,<lb/>
als gehörte er jemand anderem an. Er hieß im Hauſe<lb/>ſeines Vaters der kleine, obwohl es einen größeren<lb/>
nicht gab, da er der einzige war. Er fuhr aber auch<lb/>
fort, der kleine zu heißen, da er ſchon dreißig Jahre<lb/>
alt war, und man nicht mehr daran denken konnte,<lb/>
daß er noch wachſe. Er hieß auch auf der lateiniſchen<lb/>
Schule und auf der Univerſität der kleine. Mit die¬<lb/>ſem Widerſpruche der Körpertheile war noch einer der<lb/>
Geiſtesvermögen verbunden. Er hatte ein ſo reines<lb/>
Herz, im Alter faſt noch knabenhaft rein, daß er die<lb/>
Liebe und die Verehrung der Edelſten erworben hätte,<lb/>
er hatte einen klaren ſicheren Verſtand, der mit Schärfe<lb/></p></div></body></text></TEI>
[217/0228]
der Steinmauern ſehr kühl ſind, alle Gattungen von
Grünwaaren Gemüſen Kartoffeln Rüben ſelbſt Wein
und Bier aufbewahrt, denen man an kühlen Tagen
Luft durch geöffnete Zuglöcher zulaſſen kann. Die
Höhe des Thurmes dient jezt blos mehr zur Ausſicht,
welche aber leider nur in eine große fruchtbare Ebene
geht.
Der lezte Beſizer hat, wie wir ſagten, nie gehei¬
rathet. Er war der einzige Sohn ſeines Vaters von
der Mutter etwas verzogen und von der Natur wider¬
ſprechend ausgeſtattet. Während er nehmlich ein wun¬
derſchönes Angeſicht und einen ſehr wohlgebildeten
Kopf hatte, war der übrige Körper zu klein geblieben,
als gehörte er jemand anderem an. Er hieß im Hauſe
ſeines Vaters der kleine, obwohl es einen größeren
nicht gab, da er der einzige war. Er fuhr aber auch
fort, der kleine zu heißen, da er ſchon dreißig Jahre
alt war, und man nicht mehr daran denken konnte,
daß er noch wachſe. Er hieß auch auf der lateiniſchen
Schule und auf der Univerſität der kleine. Mit die¬
ſem Widerſpruche der Körpertheile war noch einer der
Geiſtesvermögen verbunden. Er hatte ein ſo reines
Herz, im Alter faſt noch knabenhaft rein, daß er die
Liebe und die Verehrung der Edelſten erworben hätte,
er hatte einen klaren ſicheren Verſtand, der mit Schärfe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/228>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.