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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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alles mit dir, was wir haben, wir theilen unser Herz
mit dir."

Bei diesen Worten brach das Mädchen in ein
Schluchzen aus, das so heftig war, daß es dasselbe
erschütterte, und daß es schien, als müsse es ihm das
Herz zerstoßen. Es fiel plözlich mit dem Angesichte
gegen den Sand nieder, es drükte mit den Händen
ein Theilchen von dem Saume des Gewandes der Frau
in einen Knauf zusammen, und preßte diesen Knauf an
seine Lippen. Da es nach einem Weilchen die Hand der
Frau auf seinen dichten dunkeln schönen Loken spürte,
die dort ruhte, und freundlich drükte, sprang es auf,
hob die Arme, die nun nicht mehr so voll und glänzend
waren, auf, schlang sie fest um den Naken der Frau, küßte
sie auf die Wange, als müßte es Lippen und Zähne
in dieselbe eindrüken, und weinte fort, daß die
Thränen über die Wange der Frau herab floßen,
und ihr Kleid benezten. Als sich dieses nach und nach
löste, als das Mädchen das Haupt zurük bog, und
nach dem Vater sah, als es merkte, daß es dieser bei
der Hand halte, daß er aber nicht sprechen könne,
weil seine Augen in Wasser schwammen: da konnte
es auch nicht mehr sprechen, seine Lippen bebten, sein
Herz hob sich krampfhaft in kurzen Stößen, und so
ging es hinter die Glashäuser zurük.

alles mit dir, was wir haben, wir theilen unſer Herz
mit dir.“

Bei dieſen Worten brach das Mädchen in ein
Schluchzen aus, das ſo heftig war, daß es dasſelbe
erſchütterte, und daß es ſchien, als müſſe es ihm das
Herz zerſtoßen. Es fiel plözlich mit dem Angeſichte
gegen den Sand nieder, es drükte mit den Händen
ein Theilchen von dem Saume des Gewandes der Frau
in einen Knauf zuſammen, und preßte dieſen Knauf an
ſeine Lippen. Da es nach einem Weilchen die Hand der
Frau auf ſeinen dichten dunkeln ſchönen Loken ſpürte,
die dort ruhte, und freundlich drükte, ſprang es auf,
hob die Arme, die nun nicht mehr ſo voll und glänzend
waren, auf, ſchlang ſie feſt um den Naken der Frau, küßte
ſie auf die Wange, als müßte es Lippen und Zähne
in dieſelbe eindrüken, und weinte fort, daß die
Thränen über die Wange der Frau herab floßen,
und ihr Kleid benezten. Als ſich dieſes nach und nach
löste, als das Mädchen das Haupt zurük bog, und
nach dem Vater ſah, als es merkte, daß es dieſer bei
der Hand halte, daß er aber nicht ſprechen könne,
weil ſeine Augen in Waſſer ſchwammen: da konnte
es auch nicht mehr ſprechen, ſeine Lippen bebten, ſein
Herz hob ſich krampfhaft in kurzen Stößen, und ſo
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[207/0218] alles mit dir, was wir haben, wir theilen unſer Herz mit dir.“ Bei dieſen Worten brach das Mädchen in ein Schluchzen aus, das ſo heftig war, daß es dasſelbe erſchütterte, und daß es ſchien, als müſſe es ihm das Herz zerſtoßen. Es fiel plözlich mit dem Angeſichte gegen den Sand nieder, es drükte mit den Händen ein Theilchen von dem Saume des Gewandes der Frau in einen Knauf zuſammen, und preßte dieſen Knauf an ſeine Lippen. Da es nach einem Weilchen die Hand der Frau auf ſeinen dichten dunkeln ſchönen Loken ſpürte, die dort ruhte, und freundlich drükte, ſprang es auf, hob die Arme, die nun nicht mehr ſo voll und glänzend waren, auf, ſchlang ſie feſt um den Naken der Frau, küßte ſie auf die Wange, als müßte es Lippen und Zähne in dieſelbe eindrüken, und weinte fort, daß die Thränen über die Wange der Frau herab floßen, und ihr Kleid benezten. Als ſich dieſes nach und nach löste, als das Mädchen das Haupt zurük bog, und nach dem Vater ſah, als es merkte, daß es dieſer bei der Hand halte, daß er aber nicht ſprechen könne, weil ſeine Augen in Waſſer ſchwammen: da konnte es auch nicht mehr ſprechen, ſeine Lippen bebten, ſein Herz hob ſich krampfhaft in kurzen Stößen, und ſo ging es hinter die Glashäuſer zurük.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/218>, abgerufen am 24.11.2024.