Weingeländer bepflanzt war, die gegen den Garten sah, und in welcher ein offenes Fenster der Kinder¬ stube war. Sie zeigte gegen das Fenster empor, und rief: "Eine Leiter, eine Leiter, da kann man in das Kinderzimmer einsteigen."
Die Knechte liefen nach einer Leiter. Andere schlos¬ sen sich an. Die Leitern waren unter einem eichenen Dächlein auf einem eigenen Gestelle angehängt, das in der Nähe des Wagenbehälters war. Dort brannte aber jezt in einer entsezensvollen ruhigen Flamme, die majestätisch in die Höhe ging, der gesamte Vor¬ rath des Holzes des Hauses. Es war unmöglich, sich zu nähern. Ein Mann, der in eine nasse Deke gehüllt es gewagt hatte, war durch den heißen Athem umge¬ worfen worden, und man konnte ihn nur mittelst ei¬ nes Feuerhakens retten, mit dem man ihn aus der heißen Luft zog. Im nächsten Augenblike hatte auch das Leiterdächlein Feuer gefangen, und dasselbe und die Leitern brannten.
Die Knechte kamen zurük, und meldeten es der Mutter.
Da stürzte sie auf die Knie, breitete die Arme auseinander, und schrie: "So rette du ihn, der die Macht und das Vollbringen hat, und der ein un¬ schuldvolles Leben nicht vernichten kann!"
Weingeländer bepflanzt war, die gegen den Garten ſah, und in welcher ein offenes Fenſter der Kinder¬ ſtube war. Sie zeigte gegen das Fenſter empor, und rief: „Eine Leiter, eine Leiter, da kann man in das Kinderzimmer einſteigen.“
Die Knechte liefen nach einer Leiter. Andere ſchloſ¬ ſen ſich an. Die Leitern waren unter einem eichenen Dächlein auf einem eigenen Geſtelle angehängt, das in der Nähe des Wagenbehälters war. Dort brannte aber jezt in einer entſezensvollen ruhigen Flamme, die majeſtätiſch in die Höhe ging, der geſamte Vor¬ rath des Holzes des Hauſes. Es war unmöglich, ſich zu nähern. Ein Mann, der in eine naſſe Deke gehüllt es gewagt hatte, war durch den heißen Athem umge¬ worfen worden, und man konnte ihn nur mittelſt ei¬ nes Feuerhakens retten, mit dem man ihn aus der heißen Luft zog. Im nächſten Augenblike hatte auch das Leiterdächlein Feuer gefangen, und dasſelbe und die Leitern brannten.
Die Knechte kamen zurük, und meldeten es der Mutter.
Da ſtürzte ſie auf die Knie, breitete die Arme auseinander, und ſchrie: „So rette du ihn, der die Macht und das Vollbringen hat, und der ein un¬ ſchuldvolles Leben nicht vernichten kann!“
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Weingeländer bepflanzt war, die gegen den Garten
ſah, und in welcher ein offenes Fenſter der Kinder¬
ſtube war. Sie zeigte gegen das Fenſter empor, und
rief: „Eine Leiter, eine Leiter, da kann man in das
Kinderzimmer einſteigen.“
Die Knechte liefen nach einer Leiter. Andere ſchloſ¬
ſen ſich an. Die Leitern waren unter einem eichenen
Dächlein auf einem eigenen Geſtelle angehängt, das
in der Nähe des Wagenbehälters war. Dort brannte
aber jezt in einer entſezensvollen ruhigen Flamme,
die majeſtätiſch in die Höhe ging, der geſamte Vor¬
rath des Holzes des Hauſes. Es war unmöglich, ſich
zu nähern. Ein Mann, der in eine naſſe Deke gehüllt
es gewagt hatte, war durch den heißen Athem umge¬
worfen worden, und man konnte ihn nur mittelſt ei¬
nes Feuerhakens retten, mit dem man ihn aus der
heißen Luft zog. Im nächſten Augenblike hatte auch
das Leiterdächlein Feuer gefangen, und dasſelbe und
die Leitern brannten.
Die Knechte kamen zurük, und meldeten es der
Mutter.
Da ſtürzte ſie auf die Knie, breitete die Arme
auseinander, und ſchrie: „So rette du ihn, der die
Macht und das Vollbringen hat, und der ein un¬
ſchuldvolles Leben nicht vernichten kann!“
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/201>, abgerufen am 16.07.2024.
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