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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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eine Zeitlose werden soll, der kann nicht als ein
Veilchen zu Grunde gehen, darum war die dunkle
Blume da, daß die lichten leben."

"Nur die Annahme, daß es fast gewiß sei, daß
ihr alle den dichten Wald als Schuz gesucht habt,
und hinter einem diken Stamme desselben geborgen
seid," sagte der Vater, "konnte der Mutter und mir
Trost geben, und die Verzweiflung abhalten."

"Es wäre die dichte Haselstaude hinreichend ge¬
wesen," antwortete die Mutter, "aber weil sie nicht
hinreichend war, waren die Bündel da, und es war
die Hand schon bestimmt gewesen, welche sie einst
schneiden mußte."

"Als wir euch in dem Walde nicht errufen konnten,"
sagte der Vater, "da faßte auch mich das Entsezen."

"Ich sage dir ja," erwiederte die Mutter, "daß die
Hand schon bestimmt war die Bündel zu tragen, so
wie einmal der Fuß schon bestimmt war, daß er durch
den Wald zwischen Jericho und Jerusalem gehe, damit
der verwundete und geschlagene Mann, der dort lag,
gepflegt und geheilt werde."

"Amen, theure Schwiegermutter," sagte die Frau,
"das ist ein trostreicher herzlindernder Glaube."

"Gib dich ihm hin, und du wirst dein Leben lang
gut fahren," antwortete die alte Frau.

eine Zeitloſe werden ſoll, der kann nicht als ein
Veilchen zu Grunde gehen, darum war die dunkle
Blume da, daß die lichten leben.“

„Nur die Annahme, daß es faſt gewiß ſei, daß
ihr alle den dichten Wald als Schuz geſucht habt,
und hinter einem diken Stamme desſelben geborgen
ſeid,“ ſagte der Vater, „konnte der Mutter und mir
Troſt geben, und die Verzweiflung abhalten.“

„Es wäre die dichte Haſelſtaude hinreichend ge¬
weſen,“ antwortete die Mutter, „aber weil ſie nicht
hinreichend war, waren die Bündel da, und es war
die Hand ſchon beſtimmt geweſen, welche ſie einſt
ſchneiden mußte.“

„Als wir euch in dem Walde nicht errufen konnten,“
ſagte der Vater, „da faßte auch mich das Entſezen.“

„Ich ſage dir ja,“ erwiederte die Mutter, „daß die
Hand ſchon beſtimmt war die Bündel zu tragen, ſo
wie einmal der Fuß ſchon beſtimmt war, daß er durch
den Wald zwiſchen Jericho und Jeruſalem gehe, damit
der verwundete und geſchlagene Mann, der dort lag,
gepflegt und geheilt werde.“

„Amen, theure Schwiegermutter,“ ſagte die Frau,
„das iſt ein troſtreicher herzlindernder Glaube.“

„Gib dich ihm hin, und du wirſt dein Leben lang
gut fahren,“ antwortete die alte Frau.

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[149/0160] eine Zeitloſe werden ſoll, der kann nicht als ein Veilchen zu Grunde gehen, darum war die dunkle Blume da, daß die lichten leben.“ „Nur die Annahme, daß es faſt gewiß ſei, daß ihr alle den dichten Wald als Schuz geſucht habt, und hinter einem diken Stamme desſelben geborgen ſeid,“ ſagte der Vater, „konnte der Mutter und mir Troſt geben, und die Verzweiflung abhalten.“ „Es wäre die dichte Haſelſtaude hinreichend ge¬ weſen,“ antwortete die Mutter, „aber weil ſie nicht hinreichend war, waren die Bündel da, und es war die Hand ſchon beſtimmt geweſen, welche ſie einſt ſchneiden mußte.“ „Als wir euch in dem Walde nicht errufen konnten,“ ſagte der Vater, „da faßte auch mich das Entſezen.“ „Ich ſage dir ja,“ erwiederte die Mutter, „daß die Hand ſchon beſtimmt war die Bündel zu tragen, ſo wie einmal der Fuß ſchon beſtimmt war, daß er durch den Wald zwiſchen Jericho und Jeruſalem gehe, damit der verwundete und geſchlagene Mann, der dort lag, gepflegt und geheilt werde.“ „Amen, theure Schwiegermutter,“ ſagte die Frau, „das iſt ein troſtreicher herzlindernder Glaube.“ „Gib dich ihm hin, und du wirſt dein Leben lang gut fahren,“ antwortete die alte Frau.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/160>, abgerufen am 25.11.2024.