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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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machen. Das thut man gewöhnlich am heiligen
Abende, wenn die tiefe Dämmerung eingetreten ist.
Man zündet Lichter und meistens sehr viele an, die
oft mit den kleinen Kerzlein auf den schönen grünen
Ästen eines Tannen- oder Fichtenbäumchens schwe¬
ben, das mitten in der Stube steht. Die Kinder
dürfen nicht eher kommen, als bis das Zeichen gege¬
ben wird, daß der heilige Christ zugegen gewesen ist,
und die Geschenke, die er mitgebracht, hinterlassen
hat. Dann geht die Thür auf, die Kleinen dürfen
hinein, und bei dem herrlichen schimmernden Lichter¬
glanze sehen sie Dinge auf dem Baume hängen oder
auf dem Tische herum gebreitet, die alle Vorstellungen
ihrer Einbildungskraft weit übertreffen, die sie sich
nicht anzurühren getrauen, und die sie endlich, wenn
sie sie bekommen haben, den ganzen Abend in ihren
Ärmchen herum tragen, und mit sich in das Bett
nehmen. Wenn sie dann zuweilen in ihre Träume
hinein die Glokentöne der Mitternacht hören, durch
welche die Großen in die Kirche zur Andacht gerufen
werden, dann mag es ihnen sein, als zögen jezt die
Englein durch den Himmel, oder als kehre der heilige
Christ nach Hause, welcher nunmehr bei allen Kindern
gewesen ist, und jedem von ihnen ein herrliches Ge¬
schenk hinterbracht hat.

machen. Das thut man gewöhnlich am heiligen
Abende, wenn die tiefe Dämmerung eingetreten iſt.
Man zündet Lichter und meiſtens ſehr viele an, die
oft mit den kleinen Kerzlein auf den ſchönen grünen
Äſten eines Tannen- oder Fichtenbäumchens ſchwe¬
ben, das mitten in der Stube ſteht. Die Kinder
dürfen nicht eher kommen, als bis das Zeichen gege¬
ben wird, daß der heilige Chriſt zugegen geweſen iſt,
und die Geſchenke, die er mitgebracht, hinterlaſſen
hat. Dann geht die Thür auf, die Kleinen dürfen
hinein, und bei dem herrlichen ſchimmernden Lichter¬
glanze ſehen ſie Dinge auf dem Baume hängen oder
auf dem Tiſche herum gebreitet, die alle Vorſtellungen
ihrer Einbildungskraft weit übertreffen, die ſie ſich
nicht anzurühren getrauen, und die ſie endlich, wenn
ſie ſie bekommen haben, den ganzen Abend in ihren
Ärmchen herum tragen, und mit ſich in das Bett
nehmen. Wenn ſie dann zuweilen in ihre Träume
hinein die Glokentöne der Mitternacht hören, durch
welche die Großen in die Kirche zur Andacht gerufen
werden, dann mag es ihnen ſein, als zögen jezt die
Englein durch den Himmel, oder als kehre der heilige
Chriſt nach Hauſe, welcher nunmehr bei allen Kindern
geweſen iſt, und jedem von ihnen ein herrliches Ge¬
ſchenk hinterbracht hat.

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[5/0016] machen. Das thut man gewöhnlich am heiligen Abende, wenn die tiefe Dämmerung eingetreten iſt. Man zündet Lichter und meiſtens ſehr viele an, die oft mit den kleinen Kerzlein auf den ſchönen grünen Äſten eines Tannen- oder Fichtenbäumchens ſchwe¬ ben, das mitten in der Stube ſteht. Die Kinder dürfen nicht eher kommen, als bis das Zeichen gege¬ ben wird, daß der heilige Chriſt zugegen geweſen iſt, und die Geſchenke, die er mitgebracht, hinterlaſſen hat. Dann geht die Thür auf, die Kleinen dürfen hinein, und bei dem herrlichen ſchimmernden Lichter¬ glanze ſehen ſie Dinge auf dem Baume hängen oder auf dem Tiſche herum gebreitet, die alle Vorſtellungen ihrer Einbildungskraft weit übertreffen, die ſie ſich nicht anzurühren getrauen, und die ſie endlich, wenn ſie ſie bekommen haben, den ganzen Abend in ihren Ärmchen herum tragen, und mit ſich in das Bett nehmen. Wenn ſie dann zuweilen in ihre Träume hinein die Glokentöne der Mitternacht hören, durch welche die Großen in die Kirche zur Andacht gerufen werden, dann mag es ihnen ſein, als zögen jezt die Englein durch den Himmel, oder als kehre der heilige Chriſt nach Hauſe, welcher nunmehr bei allen Kindern geweſen iſt, und jedem von ihnen ein herrliches Ge¬ ſchenk hinterbracht hat.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/16>, abgerufen am 21.11.2024.