behandeln, so darf man es jezt um so weniger, so lange es sich nicht schädlich erweist. Wir werden es schon auszukundschaften und zu finden wissen, dann muß es gut behandelt werden, daß es Zutrauen ge¬ winnt, und wir werden die Art schon finden, wie wir das Kind belohnen, und ihm sein Leben vielleicht nüzlicher machen können, als es jezt ahnt.
Indessen war das Mädchen schon wie ein Hirsch auf die höchste Höhe gekommen, war noch einen Augenblik in den Klippen sichtbar, und war dann verschwunden.
Der Tag neigte sich schon gegen den Abend, und man war nicht ohne Besorgniß um das Kind, beson¬ ders, da die Großmutter erzählt hatte, daß es an dem rechten Arme blute. Aber der Himmel war lich¬ ter, ein schweigender Nebel stand an demselben, und es war kein Regen mehr zu befürchten. Man mußte der Ansicht des Vaters beipflichten, daß das Mädchen am besten aufgehoben sei, wenn man es seinem eigenen Ermessen überlasse, daß es ein Waldgeschöpf sei, dem Berge und Hügel nichts anhaben, und daß ihm, wenn man es suchen oder beobachten ließe, ein größe¬ res Ungemach zustieße, als ihm so bevorstehen könne.
Man ging nun in das Haus. Die Mutter hatte
behandeln, ſo darf man es jezt um ſo weniger, ſo lange es ſich nicht ſchädlich erweist. Wir werden es ſchon auszukundſchaften und zu finden wiſſen, dann muß es gut behandelt werden, daß es Zutrauen ge¬ winnt, und wir werden die Art ſchon finden, wie wir das Kind belohnen, und ihm ſein Leben vielleicht nüzlicher machen können, als es jezt ahnt.
Indeſſen war das Mädchen ſchon wie ein Hirſch auf die höchſte Höhe gekommen, war noch einen Augenblik in den Klippen ſichtbar, und war dann verſchwunden.
Der Tag neigte ſich ſchon gegen den Abend, und man war nicht ohne Beſorgniß um das Kind, beſon¬ ders, da die Großmutter erzählt hatte, daß es an dem rechten Arme blute. Aber der Himmel war lich¬ ter, ein ſchweigender Nebel ſtand an demſelben, und es war kein Regen mehr zu befürchten. Man mußte der Anſicht des Vaters beipflichten, daß das Mädchen am beſten aufgehoben ſei, wenn man es ſeinem eigenen Ermeſſen überlaſſe, daß es ein Waldgeſchöpf ſei, dem Berge und Hügel nichts anhaben, und daß ihm, wenn man es ſuchen oder beobachten ließe, ein größe¬ res Ungemach zuſtieße, als ihm ſo bevorſtehen könne.
Man ging nun in das Haus. Die Mutter hatte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0155"n="144"/>
behandeln, ſo darf man es jezt um ſo weniger, ſo<lb/>
lange es ſich nicht ſchädlich erweist. Wir werden es<lb/>ſchon auszukundſchaften und zu finden wiſſen, dann<lb/>
muß es gut behandelt werden, daß es Zutrauen ge¬<lb/>
winnt, und wir werden die Art ſchon finden, wie wir<lb/>
das Kind belohnen, und ihm ſein Leben vielleicht<lb/>
nüzlicher machen können, als es jezt ahnt.</p><lb/><p>Indeſſen war das Mädchen ſchon wie ein Hirſch<lb/>
auf die höchſte Höhe gekommen, war noch einen<lb/>
Augenblik in den Klippen ſichtbar, und war dann<lb/>
verſchwunden.</p><lb/><p>Der Tag neigte ſich ſchon gegen den Abend, und<lb/>
man war nicht ohne Beſorgniß um das Kind, beſon¬<lb/>
ders, da die Großmutter erzählt hatte, daß es an<lb/>
dem rechten Arme blute. Aber der Himmel war lich¬<lb/>
ter, ein ſchweigender Nebel ſtand an demſelben, und<lb/>
es war kein Regen mehr zu befürchten. Man mußte<lb/>
der Anſicht des Vaters beipflichten, daß das Mädchen<lb/>
am beſten aufgehoben ſei, wenn man es ſeinem eigenen<lb/>
Ermeſſen überlaſſe, daß es ein Waldgeſchöpf ſei, dem<lb/>
Berge und Hügel nichts anhaben, und daß ihm,<lb/>
wenn man es ſuchen oder beobachten ließe, ein größe¬<lb/>
res Ungemach zuſtieße, als ihm ſo bevorſtehen<lb/>
könne.</p><lb/><p>Man ging nun in das Haus. Die Mutter hatte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[144/0155]
behandeln, ſo darf man es jezt um ſo weniger, ſo
lange es ſich nicht ſchädlich erweist. Wir werden es
ſchon auszukundſchaften und zu finden wiſſen, dann
muß es gut behandelt werden, daß es Zutrauen ge¬
winnt, und wir werden die Art ſchon finden, wie wir
das Kind belohnen, und ihm ſein Leben vielleicht
nüzlicher machen können, als es jezt ahnt.
Indeſſen war das Mädchen ſchon wie ein Hirſch
auf die höchſte Höhe gekommen, war noch einen
Augenblik in den Klippen ſichtbar, und war dann
verſchwunden.
Der Tag neigte ſich ſchon gegen den Abend, und
man war nicht ohne Beſorgniß um das Kind, beſon¬
ders, da die Großmutter erzählt hatte, daß es an
dem rechten Arme blute. Aber der Himmel war lich¬
ter, ein ſchweigender Nebel ſtand an demſelben, und
es war kein Regen mehr zu befürchten. Man mußte
der Anſicht des Vaters beipflichten, daß das Mädchen
am beſten aufgehoben ſei, wenn man es ſeinem eigenen
Ermeſſen überlaſſe, daß es ein Waldgeſchöpf ſei, dem
Berge und Hügel nichts anhaben, und daß ihm,
wenn man es ſuchen oder beobachten ließe, ein größe¬
res Ungemach zuſtieße, als ihm ſo bevorſtehen
könne.
Man ging nun in das Haus. Die Mutter hatte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/155>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.