Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Geburt des Heilandes mit ihrer allergrößten kirchlichen
Feier, in den meisten Gegenden wird schon die Mit¬
ternachtstunde als die Geburtstunde des Herrn mit
prangender Nachtfeier geheiligt, zu der die Gloken
durch die stille finstere winterliche Mitternachtluft
laden, zu der die Bewohner mit Lichtern oder auf
dunkeln wohlbekannten Pfaden aus schneeigen Bergen
an bereiften Wäldern vorbei und durch knarrende
Obstgärten zu der Kirche eilen, aus der die feierlichen
Töne kommen, und die aus der Mitte des in beeiste
Bäume gehüllten Dorfes mit den langen beleuchteten
Fenstern empor ragt.

Mit dem Kirchenfeste ist auch ein häusliches ver¬
bunden. Es hat sich fast in allen christlichen Ländern
verbreitet, daß man den Kindern die Ankunft des
Christkindleins -- auch eines Kindes, des wunder¬
barsten, das je auf der Welt war -- als ein heiteres
glänzendes feierliches Ding zeigt, das durch das ganze
Leben fortwirkt, und manchmal noch spät im Alter
bei trüben schwermüthigen oder rührenden Erinnerun¬
gen gleichsam als Rükblik in die einstige Zeit mit den
bunten schimmernden Fittigen durch den öden, trauri¬
gen und ausgeleerten Nachthimmel fliegt. Man pflegt
den Kindern die Geschenke zu geben, die das heilige
Christkindlein gebracht hat, um ihnen Freude zu

Geburt des Heilandes mit ihrer allergrößten kirchlichen
Feier, in den meiſten Gegenden wird ſchon die Mit¬
ternachtſtunde als die Geburtſtunde des Herrn mit
prangender Nachtfeier geheiligt, zu der die Gloken
durch die ſtille finſtere winterliche Mitternachtluft
laden, zu der die Bewohner mit Lichtern oder auf
dunkeln wohlbekannten Pfaden aus ſchneeigen Bergen
an bereiften Wäldern vorbei und durch knarrende
Obſtgärten zu der Kirche eilen, aus der die feierlichen
Töne kommen, und die aus der Mitte des in beeiste
Bäume gehüllten Dorfes mit den langen beleuchteten
Fenſtern empor ragt.

Mit dem Kirchenfeſte iſt auch ein häusliches ver¬
bunden. Es hat ſich faſt in allen chriſtlichen Ländern
verbreitet, daß man den Kindern die Ankunft des
Chriſtkindleins — auch eines Kindes, des wunder¬
barſten, das je auf der Welt war — als ein heiteres
glänzendes feierliches Ding zeigt, das durch das ganze
Leben fortwirkt, und manchmal noch ſpät im Alter
bei trüben ſchwermüthigen oder rührenden Erinnerun¬
gen gleichſam als Rükblik in die einſtige Zeit mit den
bunten ſchimmernden Fittigen durch den öden, trauri¬
gen und ausgeleerten Nachthimmel fliegt. Man pflegt
den Kindern die Geſchenke zu geben, die das heilige
Chriſtkindlein gebracht hat, um ihnen Freude zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="4"/>
Geburt des Heilandes mit ihrer allergrößten kirchlichen<lb/>
Feier, in den mei&#x017F;ten Gegenden wird &#x017F;chon die Mit¬<lb/>
ternacht&#x017F;tunde als die Geburt&#x017F;tunde des Herrn mit<lb/>
prangender Nachtfeier geheiligt, zu der die Gloken<lb/>
durch die &#x017F;tille fin&#x017F;tere winterliche Mitternachtluft<lb/>
laden, zu der die Bewohner mit Lichtern oder auf<lb/>
dunkeln wohlbekannten Pfaden aus &#x017F;chneeigen Bergen<lb/>
an bereiften Wäldern vorbei und durch knarrende<lb/>
Ob&#x017F;tgärten zu der Kirche eilen, aus der die feierlichen<lb/>
Töne kommen, und die aus der Mitte des in beeiste<lb/>
Bäume gehüllten Dorfes mit den langen beleuchteten<lb/>
Fen&#x017F;tern empor ragt.</p><lb/>
        <p>Mit dem Kirchenfe&#x017F;te i&#x017F;t auch ein häusliches ver¬<lb/>
bunden. Es hat &#x017F;ich fa&#x017F;t in allen chri&#x017F;tlichen Ländern<lb/>
verbreitet, daß man den Kindern die Ankunft des<lb/>
Chri&#x017F;tkindleins &#x2014; auch eines Kindes, des wunder¬<lb/>
bar&#x017F;ten, das je auf der Welt war &#x2014; als ein heiteres<lb/>
glänzendes feierliches Ding zeigt, das durch das ganze<lb/>
Leben fortwirkt, und manchmal noch &#x017F;pät im Alter<lb/>
bei trüben &#x017F;chwermüthigen oder rührenden Erinnerun¬<lb/>
gen gleich&#x017F;am als Rükblik in die ein&#x017F;tige Zeit mit den<lb/>
bunten &#x017F;chimmernden Fittigen durch den öden, trauri¬<lb/>
gen und ausgeleerten Nachthimmel fliegt. Man pflegt<lb/>
den Kindern die Ge&#x017F;chenke zu geben, die das heilige<lb/>
Chri&#x017F;tkindlein gebracht hat, um ihnen Freude zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0015] Geburt des Heilandes mit ihrer allergrößten kirchlichen Feier, in den meiſten Gegenden wird ſchon die Mit¬ ternachtſtunde als die Geburtſtunde des Herrn mit prangender Nachtfeier geheiligt, zu der die Gloken durch die ſtille finſtere winterliche Mitternachtluft laden, zu der die Bewohner mit Lichtern oder auf dunkeln wohlbekannten Pfaden aus ſchneeigen Bergen an bereiften Wäldern vorbei und durch knarrende Obſtgärten zu der Kirche eilen, aus der die feierlichen Töne kommen, und die aus der Mitte des in beeiste Bäume gehüllten Dorfes mit den langen beleuchteten Fenſtern empor ragt. Mit dem Kirchenfeſte iſt auch ein häusliches ver¬ bunden. Es hat ſich faſt in allen chriſtlichen Ländern verbreitet, daß man den Kindern die Ankunft des Chriſtkindleins — auch eines Kindes, des wunder¬ barſten, das je auf der Welt war — als ein heiteres glänzendes feierliches Ding zeigt, das durch das ganze Leben fortwirkt, und manchmal noch ſpät im Alter bei trüben ſchwermüthigen oder rührenden Erinnerun¬ gen gleichſam als Rükblik in die einſtige Zeit mit den bunten ſchimmernden Fittigen durch den öden, trauri¬ gen und ausgeleerten Nachthimmel fliegt. Man pflegt den Kindern die Geſchenke zu geben, die das heilige Chriſtkindlein gebracht hat, um ihnen Freude zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/15
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/15>, abgerufen am 27.11.2024.