lag, war kein Mensch, die gegen den Garten gehenden Fenster waren offen, in der Küche, in die mir ein Einblik gegönnt war, waren die Mägde um das Feuer vollauf beschäftigt, und aus der Stube drang einzel¬ nes Klappern der Teller und Klirren der Eßgeräthe. Da ich eintrat, sah ich die Gäste um den Tisch sizen, und ein unberührtes Gedeke für mich aufbewahrt. Der Pfarrer führte mich zu demselben hin, und nöthigte mich zum Sizen. Er sagte, er wolle mir die anwesenden Mitglieder nicht vorstellen, und ihren Namen nicht nennen, einige seien mir ohnehin be¬ kannt, andere würde ich im Verlaufe des Essens schon kennen lernen, und die übrigen würde er mir, wenn wir aufgestanden wären, nennen. Ich sezte mich also nieder, und was der Pfarrer vorausgesagt hatte, geschah. Ich wurde mit manchem Anwesenden bekannt, von manchem erfuhr ich Namen und Verhältnisse, und da die Gerichte sich ablöseten, und der Wein die Zungen öffnete, war manche junge Bekanntschaft schon wie eine alte. Nur ein einziger Gast war nicht zu erkennen. Lächelnd und freundlich saß er da, er hörte aufmerksam alles an, er wandte immer das An¬ gesicht der Gegend, wo eifrig gesprochen wurde, zu, als ob ihn eine Pflicht dazu antriebe, seine Mienen gaben allen Redenden recht, und wenn an einem an¬
lag, war kein Menſch, die gegen den Garten gehenden Fenſter waren offen, in der Küche, in die mir ein Einblik gegönnt war, waren die Mägde um das Feuer vollauf beſchäftigt, und aus der Stube drang einzel¬ nes Klappern der Teller und Klirren der Eßgeräthe. Da ich eintrat, ſah ich die Gäſte um den Tiſch ſizen, und ein unberührtes Gedeke für mich aufbewahrt. Der Pfarrer führte mich zu demſelben hin, und nöthigte mich zum Sizen. Er ſagte, er wolle mir die anweſenden Mitglieder nicht vorſtellen, und ihren Namen nicht nennen, einige ſeien mir ohnehin be¬ kannt, andere würde ich im Verlaufe des Eſſens ſchon kennen lernen, und die übrigen würde er mir, wenn wir aufgeſtanden wären, nennen. Ich ſezte mich alſo nieder, und was der Pfarrer vorausgeſagt hatte, geſchah. Ich wurde mit manchem Anweſenden bekannt, von manchem erfuhr ich Namen und Verhältniſſe, und da die Gerichte ſich ablöſeten, und der Wein die Zungen öffnete, war manche junge Bekanntſchaft ſchon wie eine alte. Nur ein einziger Gaſt war nicht zu erkennen. Lächelnd und freundlich ſaß er da, er hörte aufmerkſam alles an, er wandte immer das An¬ geſicht der Gegend, wo eifrig geſprochen wurde, zu, als ob ihn eine Pflicht dazu antriebe, ſeine Mienen gaben allen Redenden recht, und wenn an einem an¬
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lag, war kein Menſch, die gegen den Garten gehenden
Fenſter waren offen, in der Küche, in die mir ein
Einblik gegönnt war, waren die Mägde um das Feuer
vollauf beſchäftigt, und aus der Stube drang einzel¬
nes Klappern der Teller und Klirren der Eßgeräthe.
Da ich eintrat, ſah ich die Gäſte um den Tiſch ſizen,
und ein unberührtes Gedeke für mich aufbewahrt.
Der Pfarrer führte mich zu demſelben hin, und
nöthigte mich zum Sizen. Er ſagte, er wolle mir
die anweſenden Mitglieder nicht vorſtellen, und ihren
Namen nicht nennen, einige ſeien mir ohnehin be¬
kannt, andere würde ich im Verlaufe des Eſſens ſchon
kennen lernen, und die übrigen würde er mir, wenn
wir aufgeſtanden wären, nennen. Ich ſezte mich alſo
nieder, und was der Pfarrer vorausgeſagt hatte,
geſchah. Ich wurde mit manchem Anweſenden bekannt,
von manchem erfuhr ich Namen und Verhältniſſe, und
da die Gerichte ſich ablöſeten, und der Wein die
Zungen öffnete, war manche junge Bekanntſchaft
ſchon wie eine alte. Nur ein einziger Gaſt war nicht
zu erkennen. Lächelnd und freundlich ſaß er da, er
hörte aufmerkſam alles an, er wandte immer das An¬
geſicht der Gegend, wo eifrig geſprochen wurde, zu,
als ob ihn eine Pflicht dazu antriebe, ſeine Mienen
gaben allen Redenden recht, und wenn an einem an¬
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/99>, abgerufen am 25.11.2024.
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