Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Jugend verständig und aufmerksam gewesen
war, so vermehrte und verbesserte er alles, und wurde
von seinen Untergebenen, von seinen Nachbarn und
Freunden und von seinem Weibe geachtet und geliebt.
Er starb als ein angesehener Mann, der im ganzen
Lande geehrt war. Wie verschieden die Schiksale der
Menschen sind. Seinen Oheim hat er oft eingeladen
zu kommen bei ihm zu wohnen und zu leben, dieser
aber blieb in der Pechbrennerhütte, und betrieb das
Brenngeschäft fort und fort, und als der Wald immer
kleiner wurde, als die Felder und Wiesen bis zu seiner
Hütte vorgerükt waren, ging er tiefer in das Gehölze,
und trieb dort das Brennen der Wagenschmiere wei¬
ter. Seine Nachkommen die er erhielt, als er in den
Ehestand getreten war, blieben bei der nehmlichen Be¬
schäftigung, und von ihm stammt der alte Andreas
ab, der auch nur ein Wagenschmierfuhrmann ist, und
nichts kann, als im Lande mit seinem schwarzen Fasse
herum ziehen, und thörichten Knaben, die es nicht
besser verstehen, die Füsse mit Wagenschmiere an¬
streichen."

Mit diesen Worten hörte der Großvater zu erzäh¬
len auf. Wir blieben aber noch immer auf dem Steine
sizen. Der Mond hatte immer heller und heller ge¬
schienen, die Wolken hatten sich immer länger und

in der Jugend verſtändig und aufmerkſam geweſen
war, ſo vermehrte und verbeſſerte er alles, und wurde
von ſeinen Untergebenen, von ſeinen Nachbarn und
Freunden und von ſeinem Weibe geachtet und geliebt.
Er ſtarb als ein angeſehener Mann, der im ganzen
Lande geehrt war. Wie verſchieden die Schikſale der
Menſchen ſind. Seinen Oheim hat er oft eingeladen
zu kommen bei ihm zu wohnen und zu leben, dieſer
aber blieb in der Pechbrennerhütte, und betrieb das
Brenngeſchäft fort und fort, und als der Wald immer
kleiner wurde, als die Felder und Wieſen bis zu ſeiner
Hütte vorgerükt waren, ging er tiefer in das Gehölze,
und trieb dort das Brennen der Wagenſchmiere wei¬
ter. Seine Nachkommen die er erhielt, als er in den
Eheſtand getreten war, blieben bei der nehmlichen Be¬
ſchäftigung, und von ihm ſtammt der alte Andreas
ab, der auch nur ein Wagenſchmierfuhrmann iſt, und
nichts kann, als im Lande mit ſeinem ſchwarzen Faſſe
herum ziehen, und thörichten Knaben, die es nicht
beſſer verſtehen, die Füſſe mit Wagenſchmiere an¬
ſtreichen.“

Mit dieſen Worten hörte der Großvater zu erzäh¬
len auf. Wir blieben aber noch immer auf dem Steine
ſizen. Der Mond hatte immer heller und heller ge¬
ſchienen, die Wolken hatten ſich immer länger und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0088" n="75"/>
in der Jugend ver&#x017F;tändig und aufmerk&#x017F;am gewe&#x017F;en<lb/>
war, &#x017F;o vermehrte und verbe&#x017F;&#x017F;erte er alles, und wurde<lb/>
von &#x017F;einen Untergebenen, von &#x017F;einen Nachbarn und<lb/>
Freunden und von &#x017F;einem Weibe geachtet und geliebt.<lb/>
Er &#x017F;tarb als ein ange&#x017F;ehener Mann, der im ganzen<lb/>
Lande geehrt war. Wie ver&#x017F;chieden die Schik&#x017F;ale der<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ind. Seinen Oheim hat er oft eingeladen<lb/>
zu kommen bei ihm zu wohnen und zu leben, die&#x017F;er<lb/>
aber blieb in der Pechbrennerhütte, und betrieb das<lb/>
Brennge&#x017F;chäft fort und fort, und als der Wald immer<lb/>
kleiner wurde, als die Felder und Wie&#x017F;en bis zu &#x017F;einer<lb/>
Hütte vorgerükt waren, ging er tiefer in das Gehölze,<lb/>
und trieb dort das Brennen der Wagen&#x017F;chmiere wei¬<lb/>
ter. Seine Nachkommen die er erhielt, als er in den<lb/>
Ehe&#x017F;tand getreten war, blieben bei der nehmlichen Be¬<lb/>
&#x017F;chäftigung, und von ihm &#x017F;tammt der alte Andreas<lb/>
ab, der auch nur ein Wagen&#x017F;chmierfuhrmann i&#x017F;t, und<lb/>
nichts kann, als im Lande mit &#x017F;einem &#x017F;chwarzen Fa&#x017F;&#x017F;e<lb/>
herum ziehen, und thörichten Knaben, die es nicht<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;tehen, die Fü&#x017F;&#x017F;e mit Wagen&#x017F;chmiere an¬<lb/>
&#x017F;treichen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Mit die&#x017F;en Worten hörte der Großvater zu erzäh¬<lb/>
len auf. Wir blieben aber noch immer auf dem Steine<lb/>
&#x017F;izen. Der Mond hatte immer heller und heller ge¬<lb/>
&#x017F;chienen, die Wolken hatten &#x017F;ich immer länger und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0088] in der Jugend verſtändig und aufmerkſam geweſen war, ſo vermehrte und verbeſſerte er alles, und wurde von ſeinen Untergebenen, von ſeinen Nachbarn und Freunden und von ſeinem Weibe geachtet und geliebt. Er ſtarb als ein angeſehener Mann, der im ganzen Lande geehrt war. Wie verſchieden die Schikſale der Menſchen ſind. Seinen Oheim hat er oft eingeladen zu kommen bei ihm zu wohnen und zu leben, dieſer aber blieb in der Pechbrennerhütte, und betrieb das Brenngeſchäft fort und fort, und als der Wald immer kleiner wurde, als die Felder und Wieſen bis zu ſeiner Hütte vorgerükt waren, ging er tiefer in das Gehölze, und trieb dort das Brennen der Wagenſchmiere wei¬ ter. Seine Nachkommen die er erhielt, als er in den Eheſtand getreten war, blieben bei der nehmlichen Be¬ ſchäftigung, und von ihm ſtammt der alte Andreas ab, der auch nur ein Wagenſchmierfuhrmann iſt, und nichts kann, als im Lande mit ſeinem ſchwarzen Faſſe herum ziehen, und thörichten Knaben, die es nicht beſſer verſtehen, die Füſſe mit Wagenſchmiere an¬ ſtreichen.“ Mit dieſen Worten hörte der Großvater zu erzäh¬ len auf. Wir blieben aber noch immer auf dem Steine ſizen. Der Mond hatte immer heller und heller ge¬ ſchienen, die Wolken hatten ſich immer länger und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/88
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/88>, abgerufen am 26.11.2024.