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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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wischte er die nassen Loken mit seinen Händen ab,
daß sie wieder schönen feinen menschlichen Haaren
glichen. Weil er aber das Mädchen nicht heben konnte,
um es auf einen besseren Plaz zu tragen, so lief er
auf den Hügel, riß dort das dürre Gras ab, riß die
Halme ab, die hoch an dem Gesteine wachsen, sam¬
melte das trokene Laub, das von dem vorigen Herbste
übrig war, und das entweder unter Gestrippen hing,
oder von dem Winde in Steinklüfte zusammen geweht
worden war, und that alles auf einen Haufen. Da
es genug war, trug er es zu dem Mädchen, und
machte ihm ein weicheres Lager. Er that die Dinge
an jene Stellen unter ihrem Körper, wo sie am mei¬
sten noth thaten. Dann schnitt er mit seinem Messer
Zweige von den Gesträuchen, stekte sie um das Kind
in die Erde, band sie an den Spizen mit Gras und
Halmen zusammen, und legte noch leichte Äste darauf,
daß sie ein Dach bildeten. Auf den Körper des Mäd¬
chens legte er Zweige, und bedekte sie mit breitblätt¬
rigen Kräutern zum Beispiele mit Huflattig, daß sie
eine Deke bildeten. Für sich holte er dann Nahrung
aus den Feldern des todten Vaters. Bei der Nacht
machte er ein Feuer aus zusammen getragenem Holze
und Moder. So saß er bei Tage bei dem bewußtlosen
Kinde, hüthete es, und schüzte es vor Thieren und

wiſchte er die naſſen Loken mit ſeinen Händen ab,
daß ſie wieder ſchönen feinen menſchlichen Haaren
glichen. Weil er aber das Mädchen nicht heben konnte,
um es auf einen beſſeren Plaz zu tragen, ſo lief er
auf den Hügel, riß dort das dürre Gras ab, riß die
Halme ab, die hoch an dem Geſteine wachſen, ſam¬
melte das trokene Laub, das von dem vorigen Herbſte
übrig war, und das entweder unter Geſtrippen hing,
oder von dem Winde in Steinklüfte zuſammen geweht
worden war, und that alles auf einen Haufen. Da
es genug war, trug er es zu dem Mädchen, und
machte ihm ein weicheres Lager. Er that die Dinge
an jene Stellen unter ihrem Körper, wo ſie am mei¬
ſten noth thaten. Dann ſchnitt er mit ſeinem Meſſer
Zweige von den Geſträuchen, ſtekte ſie um das Kind
in die Erde, band ſie an den Spizen mit Gras und
Halmen zuſammen, und legte noch leichte Äſte darauf,
daß ſie ein Dach bildeten. Auf den Körper des Mäd¬
chens legte er Zweige, und bedekte ſie mit breitblätt¬
rigen Kräutern zum Beiſpiele mit Huflattig, daß ſie
eine Deke bildeten. Für ſich holte er dann Nahrung
aus den Feldern des todten Vaters. Bei der Nacht
machte er ein Feuer aus zuſammen getragenem Holze
und Moder. So ſaß er bei Tage bei dem bewußtloſen
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[66/0079] wiſchte er die naſſen Loken mit ſeinen Händen ab, daß ſie wieder ſchönen feinen menſchlichen Haaren glichen. Weil er aber das Mädchen nicht heben konnte, um es auf einen beſſeren Plaz zu tragen, ſo lief er auf den Hügel, riß dort das dürre Gras ab, riß die Halme ab, die hoch an dem Geſteine wachſen, ſam¬ melte das trokene Laub, das von dem vorigen Herbſte übrig war, und das entweder unter Geſtrippen hing, oder von dem Winde in Steinklüfte zuſammen geweht worden war, und that alles auf einen Haufen. Da es genug war, trug er es zu dem Mädchen, und machte ihm ein weicheres Lager. Er that die Dinge an jene Stellen unter ihrem Körper, wo ſie am mei¬ ſten noth thaten. Dann ſchnitt er mit ſeinem Meſſer Zweige von den Geſträuchen, ſtekte ſie um das Kind in die Erde, band ſie an den Spizen mit Gras und Halmen zuſammen, und legte noch leichte Äſte darauf, daß ſie ein Dach bildeten. Auf den Körper des Mäd¬ chens legte er Zweige, und bedekte ſie mit breitblätt¬ rigen Kräutern zum Beiſpiele mit Huflattig, daß ſie eine Deke bildeten. Für ſich holte er dann Nahrung aus den Feldern des todten Vaters. Bei der Nacht machte er ein Feuer aus zuſammen getragenem Holze und Moder. So ſaß er bei Tage bei dem bewußtloſen Kinde, hüthete es, und ſchüzte es vor Thieren und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/79>, abgerufen am 27.11.2024.