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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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einer auf dem Hausberge und einer auf dem Thomas¬
walde. Sie sollen sich Zeichen gegeben haben, wenn
einem eine Gefahr drohte, bei Tage einen Rauch bei
Nacht ein Feuer, daß es gesehen würde, und daß die
andern zu Hilfe kämen. Ich weiß nicht ob die Brüder
gelebt haben. In dem hohen Walde wohnten nun die
Ausgewanderten fort, und als die Pest in unsern
Gegenden ausgebrochen war, stieg um die Mittags¬
stunde eine Rauchsäule von dem Hausberge empor,
dauerte eine Stunde gleichartig fort, und hörte dann
auf. Dies geschah drei Tage hinter einander, und die
Leute in dem Walde wußten, was sich begeben hatte.
-- Aber siehe, wie es schon kühl geworden ist, und wie
bereits der Thau auf die Gräser fällt, komme, ich werde
dir dein Jäkchen zumachen, daß du nicht frierst, und
werde dir dann die Geschichte weiter erzählen."

Wir waren während der Erzählung des Gro߬
vaters in die Dürrschnäbel gekommen, wir waren an
der Drillingsföhre vorüber gegangen, und unter den
dunkeln Stämmen auf dem fast farblosen Grase bis
zu den Feldern von Oberplan gekommen. Der Gro߬
vater legte seinen Stok auf den Boden, beugte sich
zu mir herab, nestelte mir das Halstuch fester, richtete
mir das Westchen zurecht, und knöpfte mir das Jäk¬
chen zu. Hierauf knöpfte er sich auch seinen Rok

einer auf dem Hausberge und einer auf dem Thomas¬
walde. Sie ſollen ſich Zeichen gegeben haben, wenn
einem eine Gefahr drohte, bei Tage einen Rauch bei
Nacht ein Feuer, daß es geſehen würde, und daß die
andern zu Hilfe kämen. Ich weiß nicht ob die Brüder
gelebt haben. In dem hohen Walde wohnten nun die
Ausgewanderten fort, und als die Peſt in unſern
Gegenden ausgebrochen war, ſtieg um die Mittags¬
ſtunde eine Rauchſäule von dem Hausberge empor,
dauerte eine Stunde gleichartig fort, und hörte dann
auf. Dies geſchah drei Tage hinter einander, und die
Leute in dem Walde wußten, was ſich begeben hatte.
— Aber ſiehe, wie es ſchon kühl geworden iſt, und wie
bereits der Thau auf die Gräſer fällt, komme, ich werde
dir dein Jäkchen zumachen, daß du nicht frierſt, und
werde dir dann die Geſchichte weiter erzählen.“

Wir waren während der Erzählung des Gro߬
vaters in die Dürrſchnäbel gekommen, wir waren an
der Drillingsföhre vorüber gegangen, und unter den
dunkeln Stämmen auf dem faſt farbloſen Graſe bis
zu den Feldern von Oberplan gekommen. Der Gro߬
vater legte ſeinen Stok auf den Boden, beugte ſich
zu mir herab, neſtelte mir das Halstuch feſter, richtete
mir das Weſtchen zurecht, und knöpfte mir das Jäk¬
chen zu. Hierauf knöpfte er ſich auch ſeinen Rok

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[61/0074] einer auf dem Hausberge und einer auf dem Thomas¬ walde. Sie ſollen ſich Zeichen gegeben haben, wenn einem eine Gefahr drohte, bei Tage einen Rauch bei Nacht ein Feuer, daß es geſehen würde, und daß die andern zu Hilfe kämen. Ich weiß nicht ob die Brüder gelebt haben. In dem hohen Walde wohnten nun die Ausgewanderten fort, und als die Peſt in unſern Gegenden ausgebrochen war, ſtieg um die Mittags¬ ſtunde eine Rauchſäule von dem Hausberge empor, dauerte eine Stunde gleichartig fort, und hörte dann auf. Dies geſchah drei Tage hinter einander, und die Leute in dem Walde wußten, was ſich begeben hatte. — Aber ſiehe, wie es ſchon kühl geworden iſt, und wie bereits der Thau auf die Gräſer fällt, komme, ich werde dir dein Jäkchen zumachen, daß du nicht frierſt, und werde dir dann die Geſchichte weiter erzählen.“ Wir waren während der Erzählung des Gro߬ vaters in die Dürrſchnäbel gekommen, wir waren an der Drillingsföhre vorüber gegangen, und unter den dunkeln Stämmen auf dem faſt farbloſen Graſe bis zu den Feldern von Oberplan gekommen. Der Gro߬ vater legte ſeinen Stok auf den Boden, beugte ſich zu mir herab, neſtelte mir das Halstuch feſter, richtete mir das Weſtchen zurecht, und knöpfte mir das Jäk¬ chen zu. Hierauf knöpfte er ſich auch ſeinen Rok

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/74>, abgerufen am 27.11.2024.